Das größte Kapital der Kirche in Europa dürfte der Klang unserer Schritte in den Gotteshäusern geworden sein, wenn sie verlassen und stumm unsere beflissenen Besuche ertragen. Wir durchschreiten die Seitenschiffe mit interessiertem Blick, hier und da aufs Geratewohl eine Inschrift entziffernd oder die Stirn runzelnd wegen einer unpassenden Barocksünde, auf der Suche nach einem lohnenden Blick in den umbauten Raum vielleicht. Keine fremde Anwesenheit stört den Dialog unserer Schuhe mit Gott; die ferne Frau mit den kurzen weißen Haaren, im westlichen Zwielicht am Tisch mit den Ansichtskarten und kleinen Kreuzen aus gebeiztem Holz, hat eine Sonderrolle. Ihre Anwesenheit ist nur Katalysator für das besondere Alleinsein mit der Kirche, sie garantiert die Stille durch bloße unsichtbare Anwesenheit; mit uns von draußen hat sie nichts gemein.

[Wandlungen]

Am Fuße des Jin Mao Towers in Shanghai stehen nette chinesische Herren in Trevirajacken und möchten einem sehr günstige Füllfederhalter der Marke Montblanc verkaufen. Im Fuße des Jin Mao Towers in Shanghai, nahe der Turbolifte, kann man aus einer Theke heraus vergoldete Miniaturen des Jin Mao Towers sowie des Brandenburger Tors kaufen. In den Turboliften des Jin Mao Towers in Shanghai kann man nichts kaufen, jedoch wird einem recht schnell übel und man möchte sich irgendwo festhalten, das geht jedoch nicht, also setzt man sich auf den Boden. Auf der 340 Meter hohen Aussichtsplattform des Jin Mao Towers in Shanghai werden echte Perlen aus dem Pearlriverdelta verschenkt, adrette junge Damen in bunten Kostümen bieten an, Löcher hinein zu bohren. Ein paar Meter weiter befindet sich das höchste Postamt Chinas. Außen, nebenan, basteln junge adrette chinesische Bauarbeiter auf filigranen Bambusgerüsten am Shanghai World Financial Center herum, das bei seiner Fertigstellung im Jahre 2007 mit 492 Metern den Jin Mao Tower um 70 Meter überragen wird. Wenn man winkt, winken sie zurück, im Rhythmus der im Wind schwankenden Rohrkonstruktionen. Innen, nebenan, kann man durch eine Glasglocke in die 38 Stockwerke hohe Lobby des Grand Hyatt Hotels hinunter schauen; am Rande der Glasglocke befindet sich eine Reling, an der man sich festhalten kann, sollte einem übel werden. Vom 52. Stock des Gebäudes aus führt der längste Wäscheschacht der Welt bis in den Keller. Beim Verlassen des Jin Mao Towers in Shanghai kaufen wir im Vorübergehen 20 Füllfederhalter der Marke Montblanc und unterqueren dann den Fluss vermittels einer befahrbaren Disco.

Niemand muss Angst haben vor der Zukunft.

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