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2004.11.07 | 10:16 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Ethik der Erinnerung

Wie funktioniert das? Im rbb eine ausführliche Dokumentation über den Mauerfall, 15 Jahre danach. Wir beschlossen spontan, nach Berlin zu fahren, in diesem Sommer 1999, 10 Jahre danach, von Bamberg aus. Wir machten Halt in Jena, gingen unter der glühenden Sonne durch die Straßen, auf der Suche nach einer Hausnummer, vorbei an Sandbergen und Steinhaufen, die Kopfsteinpflaster werden wollten. Es war niemand da. Ein Blick über die Stadt, von den umliegenden Bergen aus, zeigte Hitzeflirren und Grün, alte Häuser und gläserne Türme. Wir fuhren weiter, die Klänge der Tapes waren laut und die Fenster offen. In der Dämmerung kamen wir an, fuhren durch die Straßen, ich rauchte und las die Karte. Ein Falk-Plan, natürlich. Wir nahmen ein Zimmer in einer ehemaligen Fabrik, Backsteinwände und Lichthöfe, Glas und Stahlstreben. Marlene Dietrich im schwarzen Rahmen. Ein Essen beim Mexikaner, diverse Getränke im „Konrad Tönz“. Die mitgenommene Getränkekarte liegt noch immer irgendwo in meinem Schrank. Am nächsten Tag frühstückten wir in einer Lagerhalle an der Spree, Marlboro-Mädchen machten dämliche Sofortbilder, All you can eat. Danach auf den Flohmarkt, ich kaufte einen Plastikledermantel, den ich nie getragen habe, einen Kerzenständer und Bertrand Russels „Lob des Müßiggangs“, in der Nobelpreis-Ausgabe des Coron-Verlags Zürich. Im „Hamburger Bahnhof“ Bilder vom Krieg und Tischplatten an der Wand. Beuys und Dada. Auf dem Heimweg, aus der Stadt heraus, wurden wir geblitzt, auf der Straße neben den letzten Resten der Mauer. Mehr weiß ich nicht mehr und doch würden die Details Seiten füllen, schriebe ich sie auf. Wären etwas ganz anderes, je nach Verfassung, je nach Tagesform. Die Möglichkeiten sind zahllos, die Varianten unbegrenzt. Die Rohre singen in der Sprache des Gases.

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