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zak
Befindlichkeiten


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2005.02.11 | 8:22 pm | Notizbuch PERMALINK  |  TRACKBACK
Zeitgehöft

[…] Sophie nimmt die verstreuten Blätter vom Boden und legt sie zu einem Stapel auf den Schreibtisch. Sie geht zum Fenster und sagt: „Schau, der Himmel“. Ich schaue den Himmel, das Blau, das Lila und das Weiß, das Orange, das Grau und den schwarzen Vogel im Augenwinkel. Sophie steht in der Küche und raucht eine Zigarette. Die Haare hängen ihr ins Gesicht und sie hat den Kopf leicht nach vorne geneigt, so dass sie von unten durch die Haare hindurch blicken muss, durch ihre Haare und den Rauch, den sie langsam nach oben steigen lässt. Schlampig sieht das aus, würde jemand sagen der schlechte Kritiken schreibt, doch es ist schön schlampig, nicht kapitulierend schlampig, eine Bachmann-Schlampigkeit vor der großen Verzweiflung. Zur Zeit der Verwirrung, der schönen, produktiven Verwirrung. Sophie kocht einen Kakao in der Küche, der Himmel ist grau, changierend grau hinter Weidenbäumen. Sophie sitzt mit einem Notizbuch auf dem Sofa und kritzelt die Seiten voll, mit Bleistift. Sie trägt einen Morgenmantel aus dem Geschenkladen des weißen Hauses und ihr Haar glänzt, wirft Licht zurück, doch weniger, als wenn es gefärbt wäre, echtes Schwarz verschluckt das Licht. Sophie trägt ihr Prada-Kleid, sie steht am Buffet und hat ein Glas Moët in der Hand, lässig, leicht eingeknickt, abgewinkelt, englisch. Sie redet mit einem ehemaligen Tempo-Reporter, im Gegenlicht strahlen ihre Zähne und ihre Augen kneift sie zusammen, manchmal, wenn der ehemalige Tempo-Reporter zu nahe an ihr vorbei greift, um sich ein weiteres Glas zu holen. Sophie steht auf dem Dach und ist total betrunken, sie singt „Die Befindlichkeit des Landes“ von den Neubauten, schreit es über die Stadt hinweg, hinten links glänzt die Quadriga. Sophie legt ihre Hand in meinen Nacken, hält die andere vor mein Gesicht, ich sitze auf dem Boden vor dem Sofa, sie darauf. „Was siehst du?“, fragt sie. Ihre schwarz lackierten Fingernägel zeigen einzeln das Licht der Stehlampe und ihr Nietenarmband glitzert. […]

2005.02.11 | 4:09 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Dieses Leben vielleicht II

Du kamst um 05.00 Uhr, als der Wecker klingelte, und legtest dich angezogen zu mir ins Bett. Wir umarmten uns und sprachen über die Nacht, die du hattest. Um 06.00 Uhr verließ ich das Haus, um den Bus zum Flughafen zu erreichen. Überall war Nebel. Du bliebst und legtest dich wieder auf meine Matratze, um dort zu schlafen, das schriebst du mir, in einer SMS, als ich schon unterwegs war. Als die Sonne langsam aufging. Vielleicht roch das Bettzeug noch nach mir, genau wie das Armband, das ich von dir habe, nach dir riecht, die Erinnerung speichernd und abrufbar machend. Temporär. Bevor du kamst, bevor ich ins Bett ging, schrieb ich dir eine Karte, die ich dann in deinen Laptop legte, und die du am Abend fandest, als ich schon wieder in Deutschland war, wie du mir schriebst, in einer zweiten SMS. Was man sehen kann, lesen kann, auf dieser Karte, in schlechtem Englisch? Restbestände, unzusammenhängend, Spuren einer Stimmung, einer Woche nahe des Polarkreises, Spuren unserer Geschichte, die wir uns gegenseitig in unsere Handflächen schrieben, mit unseren Fingerspitzen. Spuren von dem, was bleibt. Wenn man will.

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