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2005.09.25 | 3:22 pm | Korrespondenz PERMALINK  |  TRACKBACK
Stadtpraesenzen

Bei Prince Raja, dem indischen Schneider um die Ecke, sitzt ein sehr alter, duenner und knochiger Mann auf dem Sofa, zwischen Ballen von Stoff, Schnittmustern und Teetassen. Ihm gegenueber der Besitzer selbst, dessen langjaehrige Erfahrung und Kapazitaet sich in den Worten „Director Prince Raja“, „The International Tailor“ und „World Wide Recommended“ auf seiner Businesscard niederschlagen. Der Laden ist vielleicht 10 Quadratmeter gross, es gibt nur eine, naemlich die erwaehnte Sitzgelegenheit (abgesehen von einem winzigen roten Monobloc-Hocker, der nicht wirklich zaehlt) und in den unteren Regalboeden, unter all den Stoffballen, stapeln sich in Plastikfolie verpackte Jadebuddhas. Prince Raja, ueber dem baertigen Gesicht den obligatorischen purpurnen Turban, springt auf, als ich den Raum betrete, und verwickelt mich sofort in ein Gespraech ueber Deutschland, Bombay und die Welt des Journalismus. Weimar jedoch sagt ihm nichts, auch nicht im Zusammenhang mit dem Namen „Goethe“, obwohl sich zwei Ecken weiter das Institut befindet, und auch seine Frage, ob der Hipster wohl etwas ueber seinen Betrieb und einige andere im Viertel – er arbeite da gerade an einer Broschuere – bringen koennte, muss negativ beschieden werden. Schade, eigentlich. Trotzdem eine herrliche Plauderei, waehrend deren Verlauf der knochige aeltere Herr gleichmuetig Tee trinkt und ab und an gaehnt. Wir hingegen landen schliesslich im Bereich des realistisch Geschaeftlichen, in dem Prince Raja eine aehnliche Eloquenz beweist, waehrend er Ballen fuer Ballen vor mir aufstapelt. Als er schliesslich im Lager verschwindet, einem kleinen Raum ueber dem Geschaeft, man hoert die Dielen knarren, ist der aeltere Herr eingenickt. Er ist wirklich sehr duenn und ein bisschen habe ich Angst, er wuerde nicht bloss schlafen, bzw. dies auf eine wirklich laengere Zeit. Dann jedoch schlaegt er die Augen auf, blinzelt, nimmt einen weiteren Schluck Tee und beginnt mit mir ein Gespraech ueber die Tuecken der Farbe Gruen, Nadelstreifen sowie die Vorteile des Huttragens. Er kommt natuerlich aus Grossbritannien, woher sonst.

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Draussen auf der Strasse dann ist es dunkel und der Himmel so wolkenfrei, dass man tatsaechlich ein paar Sterne sehen kann.

COMMENTS

1 - posted by Serö | 2005.09.27 | 10:48 am

Richtig gut!

2 - posted by zak | 2005.09.28 | 4:52 am

Dankesehr. Soeben eine Postkarte abgeschickt, in die Stadt der sieben Huegel. Melde mich, wenn zurueck in der Kaelte. Per Rohrpost. Oder Telefon.

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