STRUPPIG.DE
zak
Befindlichkeiten


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2004.08.03 | 12:53 pm | Archiv PERMALINK  |  TRACKBACK
III

Später dann kommt die Suche nach Plätzen und einer Straße, dann das Klingeln an einer Tür. Eine große Frau, mit feuchtem Handtuch turbanartig um den Kopf gewickelt, von ihrer linken Hand gehalten, öffnet, schaut kritisch und ruft, verschwindet wieder im Badezimmer. Das Aupairmädchen kommt, die Überraschung ist groß, die Verärgerung auch, denn so etwas wie richtiges Timing gibt es unter solchen Umständen nicht. Aber irgendwie trägt sich die Situation aus unerfindlichen Gründen selbst und eine Viertelstunde später wird beim Bügeln geholfen und von Zuhause erzählt. Der Blick aus dem Fenster zeigt ein tiefergelegenes Dach, flacher Waschbeton, auf dem sich Katzen unter Wäscheleinen sonnen, die zwischen rostige Metallstäbe gespannt sind. Die T-Shirts der Kinder sind fast alle mit Werbeemblemen bedruckt, und auf einem hat ein grinsender Elch ein Glas Bier in der Hand. Nachdem die gröbsten Beweggründe ausgetauscht sind und die Wäsche gebügelt ist, verabredet man sich für den Abend, denn das Bad muss noch geputzt werden, und in einer halben Stunde kommen die Kleinen aus der Schule. Der Rest des Nachmittags verschwimmt in ungewohnter Sonne, im Park unterhalb der Stadtmauer, wo früher Wasser floss.

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1 - posted by Maja | 2004.08.04 | 2:57 pm

Gar nicht schlimm, das alles mein ich. Eigentlich schön. Und traurig. Das schon.

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2004.08.04 | 4:54 pm | Korrespondenz PERMALINK  |  TRACKBACK
Ich werde mir niemals diesen Hut aufsetzen

Eternal Sunshine

So beats the final coda
Of a vintl storm
One more cherry cola
to lift up her dead arms
A dream of sot focus sunsets
filters thru the din
We are losing contact
as she dials it in
She can hear glass calling
Or is it someone
that looks like him
She eyes tv reflection
and nods a knowing look
She says it doesn't matter
She never liked her looks
I have seen a thousand fractures
I have seen everything
Cause knowing is it's own answer
Love something in a book
There's not much left to ponder
Not much left to cook
As she counted the spiders
As they crawled up inside her
As she counted the spiders
As they crawled up inside her

Smashing Pumpkins - Glass and the Ghost Children

2004.08.05 | 3:51 pm | Archiv PERMALINK  |  TRACKBACK
IV

Am Abend dann sind die Straßen überschwemmt von strahlenden Menschen, nur in Hauseingängen ist scheinbare Ruhe zu finden, während die Finger die richtige Klingel suchen, vergilbtes Papier vor schwachem Glühlämpchen. Wir holen Helena ab, die aus Norwegen kommt, strohblond ist und von Sommersprossen übersäht, und treffen uns mit weiteren Menschen aus der Sprachenschule in einem Hinterhof unter Palmen. Die Nacht ist warm, laut und hell. Aqua de Valencia wird in Literkrügen ausgeschenkt, ein Getränk, das aus Champagner und frischgepresstem Orangensaft besteht, und bei dem man erst merkt wie betrunken man ist, wenn man zum ersten Mal versucht aufzustehen und die Toilette zu finden. Alle hier kennen sich von der Sprachenschule an der alten Stadtmauer, die eher Kontaktbörse als Lehranstalt zu sein scheint. Helena erzählt davon, wie sie den Wagen ihres Vaters zerschrottet hat, weil der Neigungswinkel einer vereisten Straße schlicht zu hoch war; vereist sind die Straßen sowieso die meiste Zeit des Jahres in Norwegen, doch in diesem Fall nutzten auch die Schneeketten nichts mehr, der Wagen rutschte aufgrund seines Eigengewichts einfach wieder rückwärts herunter, beim Warten an einer Ampel, zielgenau in ein parkendes Auto. Es war ein Volvo, und der Airbag ging erst auf, als sie schon seit fünf Minuten neben dem Wagen stand. Den Rest des Winters arbeitete sie in einer Fischfabrik, um die Reparatur teilzufinanzieren. Die Beschreibung ihrer Arbeit dort, die hauptsächlich aus dem Ausnehmen toter Fische bestand, erweckt die Aufmerksamkeit von Mario, der gegenüber sitzt, und führt zu einer Diskussion über Walfang in Norwegen und Artenschutz im Allgemeinen, bis um vier Uhr morgens festgestellt wird, lange nachdem sich Helena verabschiedet hat, dass auch Mario aus Deutschland kommt und man nicht unbedingt mehr hätte Englisch sprechen müssen, die ganze Zeit.

2004.08.06 | 12:20 pm | Mela PERMALINK  |  TRACKBACK
Inhalt, ausw(a)endig

Ein Nachmittag im August, in der Kammer meines Herzens. Die Sonne spielt Glissando, doch manche Stellen erreicht sie nicht, auch wenn man sie ihr schutzlos ausliefert. Ein Augenblick, ein ständiges Gefühl. Es gibt nichts, was das Ich tun kann; was es nicht tut, ist nicht ausreichend. Das Richtige blüht in Falschheit auf. Eben auf der Straße am Supermarkt ein Unfall, kurz bevor ich um die Ecke biege. Eine alte Frau sitzt am Straßenrand, schaut blicklos vor sich, von Helfern umringt. Polizei ist schon da; als ich an der Ampel stehe, kommt der Krankenwagen. Die Bewegungen wirken vertraut, die Szene bekannt und surreal. Es ist nichts Schlimmes, nur der Schock. Alle Autodächer wabern in Hitze. Eine hilflose Armbewegung nach oben, fahrig im Nichts endend. Wonach wollen wir greifen? Ich möchte finden und gefunden werden. Wie wir alle. Möchte aufhören damit, durch bloßes Sein Schmerzen zu verursachen. Zu quälen, ohne es zu wollen. Möchte gut sein. Wiederholt gesagt: Die Möglichkeiten sind begrenzt. Dieser Sommer ist ein ungerechter.

[...] So also sehen wir aus. Von außen. So sehen uns sonst nur die anderen. Und doch sehe ich mich so nur selbst. Das nimmt mir keiner ab. Und doch ist von zweien, scheint es, einer zu viel. Überläufer? Aber wer zu wem? Wer sieht denn da wem in die Augen? Augen? Löcher in der eisig glänzenden Fläche und doch undurchlässig, "Seelenfensterlein" nur zum Schein, ohne Tiefe, ohne Dahinter, fremd und ausdruckslos, denn der, der durch sie hindurch sieht und sich von sich gesehen sieht und weiß, steht davor. Wer je vor Spiegeln geweint hat, weiß Bescheid. Was läuft da eigentlich unsichtbar ab, im mondig geliehenen Lichtreflex, zwischen mir und mir? [...]

Christiaan L. Hart Nibbrig - Spiegelschrift

2004.08.07 | 8:09 pm | Korrespondenz PERMALINK  |  TRACKBACK
Babel revisited

Über dem Narbengelände
das langsam verschwindet
so nur Phantomschmerz bleibt
Es dringt kaum hörbar ein fieses Lachen
aus der roten Info-Box
und in den Gräbern wird leise rotiert
Alles nur künftige Ruinen
Material für die nächste Schicht
Mela, Mela, Mela, Mela, Melancholia
Melancholia, mon cher
Mela, Mela, Mela, Mela, Melancholia
schwebt über der neuen Stadt
und über dem Land
Über den Schaltzentralen
Über dem Stoppelfeld aus Beton
Über den heimlichen Bunkeranlagen
die nicht wegzukriegen sind
Marlene go home!
auch über dem Marlene-Dietrich-Platz
Die neuen Tempel haben schon Risse
künftige Ruinen
einst wächst Gras auch über diese Stadt
über ihrer letzten Schicht
Mela, Mela, Mela, Mela, Melancholia
Melancholia, mon cher
Mela, Mela, Mela, Mela, Melancholia
schwebt über der neuen Stadt
und über dem Land
Im zerschnittenen Himmel
von den Jets zur Übung zerflogen
hängt sie mit ausgebreiteten Schwingen
ohne Schlaf, und starren Blicks
in Richtung Trümmer
hinter ihr die Zukunft aufgetürmt
steigt sie langsam immer höher
übersieht letztendlich das ganze Land
Was ist die Befindlichkeit des Landes?

Einstürzende Neubauten -
Die Befindlichkeit des Landes

2004.08.08 | 2:42 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Randbereich

Der Müll in den Straßen und die Farbe an den Wänden, der Benzingeruch in der Luft. Warme Backsteine. Denkst du, es ist immer die selbe Sonne, die aufgeht? Es sind 365 Sonnen, eine für jeden Tag. Was ist mit den Schaltjahren? Adrien Brodys Hose hätte ich gerne, die graue mit den weißen Streifen an der Seite. Ich sehe auch Rapsfelder, in meinen Träumen, gelbe Flächen bis zum Horizont, Schwalben darüber. Manchmal auch Mohn. Lavendel, dazwischen Wasserlöcher. Landschaft mit Pferden. Oder sind es Kolkraben? Photos in einem Passbildautomaten machen und diese dann wegwerfen. Zerrissen. Es ist ein gelber Schimmer in der Stadt.

2004.08.09 | 1:38 pm | Korrespondenz PERMALINK  |  TRACKBACK
Deutsche Geschichten

Anwalt

Augsburg. Auf der Rückbank eines Chevy Van. Fünf Mitfahrzentralen- benutzer, ein Fahrer. Neben mir ein Mutter-Tochter-Paar. Die Mutter will von der etwa 19-jährigen Tochter wissen, in was für einem Auto sie da eigentlich sitzen. Die zuckt ratlos die Achseln, blickt sich um nach einem Hinweis auf das Fabrikat. Sie zeigt auf die Gurt-Aufhängung, auf der steht "Install towards seat" und ruft triumphierend: "Es ist ein Seat!". Die Mutter ist zufrieden mit dieser Antwort.

Neon 08, August 2004

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1 - posted by lothar | 2004.08.10 | 10:46 pm

Mit dem Bild und dem derzeitigen Wetter ist das eine gute Geschichte, insbesondere auch mit dem vorgesehenen Einschussloch an der Sonnenbrille.

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2004.08.10 | 12:47 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Krawehl, krawehl

Manchmal weiß man es zu würdigen, wenn die Sonne sich morgens Schneisen schlägt, durch Vorhänge vor geöffnetem Fenster. Und die Müllabfuhr ein Konzert gibt, in hydraulischem Schnauben, Y-Moll. Der Luftzug den Stoff bläht und die Schattenblätter an der Wand winken, im Takt der blinzelnden Augen. Fast so etwas wie Entspannung. Ein kurzer Anfall davon.

2004.08.10 | 6:46 pm | Archiv PERMALINK  |  TRACKBACK
V

Morgens dann, um neun, muss ein Irrtum eingestanden werden, an manchen Tagen wird auch bei natürlichem Licht der Presslufthammer bedient, auf der Baustelle vor dem Fenster. Zunächst scheint es, als sollten die Reste eines abgerissenen Hauses beseitigt werden, doch näher betrachtet sieht es dann eher so aus, als ob eine Meisterschülergruppe von Joseph Beuys per Zeitmaschine direkt aus Düsseldorf angereist ist, um Freiluftexperimente in Bauschutt zu gestalten oder einem toten Bauarbeiter die Kunst zu erklären. Es bleibt die Flucht, am Frühstücksbuffet vorbei, direkt in die Markthalle gegenüber, in der schon seit sechs Uhr das Lebensmittelballett im Takt der Plastikkästen und Bastkörbe zwischen gebräunten Armen und Kittelschürzen die täglich neue Choreographie einstudiert. Hinter Ochsenköpfen, Fischbergen und Obstpyramiden umrahmt das mauretanische Muster der gekachelten Wände die Schrittfolgen. Und während des Blickens und Staunens besteht das Frühstück aus einer Teigtasche, gefüllt, mit geflochtenem Rand, dessen Ende mit der Gier nach frischer Luft und somit einer weiteren Flucht einhergeht. Später dann, in der Pause des Aupairs, trifft man sich in dem Irish Pub, in dem es nebenbei arbeitet, und verlässt ihn genauso forsch, wie man ihn betreten hat, denn, man soll es gar nicht meinen, diese Etablissements sind menschenleer und bei Tageslicht noch viel erschreckender als des Nächtens, mit dem üblichen Publikum bestückt. Es folgt ein Spaziergang im Park, die Klärung der Frage, ob Ethan Hawke Bücher schreiben darf oder nicht (er darf) und eine weitere Verabredung für den Abend. Der Rest des Nachmittags vergeht schnell, auf einem Schaukelpferd im Einkaufszentrum, einen Lolli in der Backe.

2004.08.11 | 11:10 pm | Korrespondenz PERMALINK  |  TRACKBACK
Epiphanien

Tate Gallery


[...] Aber er hatte sich verirrt oder wusste zumindest kurzfristig nicht, wo er war, als er den Kopf hob und zwei Leinwände von John Martin, dem apokalyptischen Maler des neunzehnten Jahrhunderts, sah, "Die Gefilde des Himmels" und "Der Sturz Babylons". Ersteres war eine ziemlich konventionelle Darstellung eines romantisch idealisierten Hochlands - blauere und gelbere Gipfel und Täler, die in einen dunstigen Horizont übergehen -, doch plötzlich erkannte Simon, dass das, was er ursprünglich für eine aus einer Felsspalte quellende Wolke aus Rauch und Gischt gehalten hatte, tatsächlich ein riesiger Tumult von Engeln in dichter, aber unregelmäßiger Formation war. Es waren so viele, dass sie die Maßstäbe des Bildes völlig veränderten. Was für Simon ein von erhöhtem Blickwinkel aus gesehener Horizont von dreißig oder vierzig Meilen gewesen war, wurde nun zu ein- oder zweihundert Meilen irrealen, nicht lokalisierbaren Nirwanas. Eine impossibilistische Ansicht von einem anderen Planeten, eher auf die Sprühdosen und Computermanipulationen des Jetzt verweisend denn auf die vielschichtigen, manierierten Darstellungen des Damals. [...]

Will Self - Die schöne Welt der Affen

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