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zak
Befindlichkeiten


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2007.07.10 | 10:31 am | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Nocturne, Sepia und die ausführenden Organe der Sichtbarkeit

Und wenn ich nun glaube, in diesem Gesicht gegenüber, auf dem das Licht der Kerzen spazieren geht und hinter dem sich der ebenso wahnsinnige wie ausdrucksgestörte Himmel auffaltet, mit seinen rasenden Wolken, dunkelschwarz bis blendend weiß, Sonnenschwerter speiend, aus dem es aber trotzdem, dessen kann man versichert sein, nicht mehr regnen wird, heute nicht – wenn ich also nun glaube, aus diesem strahlenden, mahnend schönen Gesicht so etwas wie einen Ausdruck von „Glück“ herauslesen zu können, so verhält sich dies zum Diskurs der Lesbarkeit wohl ähnlich wie die Aussage, dass der Umriss dieses Sees, an dessen Ufer es nach Zukunft riecht und nach Zitronengras, nach Verheißung, Geschichte und geregelter Fischerei, von oben betrachtet den Buchstaben Y bildet. Die Tischdecke ist nicht kariert und wir wissen nicht, wo sich das Haus von George Clooney befindet, wissen nicht, wo George Lucas hat heiraten lassen und wo Daniel Craig sich wiederholt hinter Blumentöpfen versteckte. Was wir jedoch wissen, und hier spielt nun kurz der Wind in deinem Haar, ist, dass wer sein Brotstückchen im geschmolzenen Käse verliert, beim ersten Mal fünf Stockhiebe erhält, beim zweiten Mal zwanzig Peitschenhiebe und beim dritten Mal mit einem Gewicht an den Füßen in den nächsten See geworfen wird. Auf einem Wandteppich in Beaune kann man ein falsches Einhorn sehen, dessen abgeschlagenes Bein traurig die Blumen benetzt, andersfarbig. Frankreich ist nicht Italien. Italien ist nicht die Schweiz. Trotz allem aber ist es Sommer und wir können uns vorstellen, was immer wir wollen.

[Versuche I]

2007.07.08 | 10:58 am | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Ich geh‘ mal eben zu Apu

Die Freundlichkeit der Hinterhöfe, je nach Gemengelage, überhaupt, die Attributisierung, manchmal gar auch Anthropomorphisierung von Gebäuden, von Architektur – der Glaube an eine Welt, die zu uns spricht. Dieses Belästigen, diese textuelle Molestierung von Umgebendem, der Missbrauch von Backstein oder Tier, Torbogen oder Blumentopf, an den/die man Herz, Hirn oder Auge reibt, überziehendes Nachstellen mit Worten, Wollen und Gefühl. Dieses Haus weint, weil ich weine. Diese Brücke trägt einen Namen, den Namen eines Menschen, weil sie heißen muss, weil sie (wieder) gefunden werden soll. Diese Weide trauert, weil ihr geneigtes Haupt nach unten weist. Die ganze Stadt strahlt, weil ich es so will. Im Krieg gab es Bomben, in den Jahren danach Bauplanung und nun konzeptuelle Steinfärbungen, Apotheken, Fischbuden und vor allem die Tatsache, dass als Paradigma dieser Siedlung von mehreren independenten Studienteilnehmern die Ubiquität von zumeist arabisch betriebenen Kiosken genannt wurde. Kommt Ihnen dies bekannt vor, so nennt man es Redundanz, nicht aber Regress. Konstitutives Element von Kultur für fünfhundert. Musik. Rätselraten. Paarhufer und nachgiebiger Untergrund. Ein ebensolcher Irrtum jedoch: Zu glauben, es gäbe anderes. Öfter mal was Neues.

[...] You can stand under my umbrella. [...]

Rihanna - Umbrella

[...] Und der erste Kreis der Hölle war gleich nebenan. [...]

Tocotronic - Harmonie ist eine Strategie

2007.07.05 | 11:12 am | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Erfahrung und Armut

Es hatte recht viel Nacht, vor den Fenstern des Zuges; auf die hell erleuchteten Städte folgten stille Landschaften, von glimmenden Waldwegen durchädert, dann Zentralmassive aus in der üblichen Farbe angestrahlten Seecontainern gemacht, sich an die Peripherie der Handelsgesetze schmiegend, schließlich undurchdringliche Dunkelheit, Finsternis fast. Von irgendwo ein Brummen, leicht für den Dieselmotor eines Bahngefährts zu halten. Im schwarzen Außen kein Nichts, die Augen glitten ab am negativen Raum der Differenzlosigkeit, die Bewegung blieb nicht mehr als ein Gefühl. Das gleißende Neonlicht des leeren Abteils definierte eine Blase, die keinerlei Hinweis auf über sie Hinausgehendes gab. Wir photographierten unsere Gesichter, Wange an Wange, die Arme gen Decke gereckt. Wir waren nicht müde. Dann kam der Schaffner und fragte uns, ob wir nicht aussteigen wollten, schließlich stünden wir seit zwanzig Minuten an der Endstation. In der warmen Luft an den Gleisen sah man weit entfernt die glühende Architektur des Bahnhofsgebäudes.

Who killed Bambi?

via Spalanzani

2007.05.27 | 10:56 am | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Tiere sehen dich an

Den ersten Referatsschein meines Lebens holte ich mir bei der Ehefrau von Hans Wollschläger ab. Es ging um Kuppelbauten, wenn ich mich recht entsinne, doch über die real existierende Pracht der Hagia Sophia, über das Gerüst, den Staub, die Tauben und die weinenden Steine wird an anderer Stelle zu lesen sein. Frau Wollschläger war Sekretärin am Lehrstuhl für Neuere Kunstgeschichte der Universität Bamberg und ihr winziges Büro in einem verwinkelten mittelalterlichen Seitentrakt ein jedes Mal so verraucht, dass man hätte Schinken an die dunklen Holzbalken hängen können. Ihre Marke war Reval oder ähnliches, natürlich filterlos, und wenn sie lachte, konnte man dies manchmal schwer von einem Husten unterscheiden. Auch rasselte und pfiff es. Geräuchertes Fleisch zum direkten Verzehr hingegen gab es gleich gegenüber des Lehrstuhls, in einem kleinen Geschäft, aus dem sich Kommilitonen fettige stinkende kümmelstarrende Würste holten, die sie an langen Nachmittagen in der Diathek zusammen mit sehr kümmelhaltigem Brot verspeisten. Wenn möglich, von Rauchbier begleitet. Zum Rauchen jedoch mussten wir, im Gegensatz zu Frau Wollschläger, hinausgehen, ob der Brandgefahr. Im kleinen grauen Innenhof, der neben dem großen grünen Innenhof lag, gab es kaum Tauben. Jedoch immer Familien mit Kindern, die ins angrenzende Naturkundemuseum wollten. Ihre gelben Regenmäntel schwankend vorm inneren Auge, hinter französischen Artikeln. Irgendwoher der Geruch von Sonnenmilch auf warmer Haut. Gleichzeitig feuchte Blätter und Regen. An der unförmigen rohen Wand des Projektionsraumes brachen sich die Bilder, die Gesichter der Märtyrer bekamen Beulen. Nur bei James Ensor fiel dies niemals auf.

Mein Bart ist bald hundert Meter lang und Reval heißt nun Tallinn.

[...] Endlich war es gelungen, Tote wieder lebendig zu machen; oder, präziser ausgedrückt: Leute, die das erste Leben und den ersten Tod erlitten hatten, auf kurze Zeit wieder zurückzurufen (ichweißichweiß; exakt müsste ich sagen : das n=te Leben; und jetzt befinden sie sich in n plus 1. – Natürlich hatte es mit den Unsterblichkeitstheorien des Christentums nicht das geringste zu tun; es war mal wieder ganz anders). [...]

Arno Schmidt – Goethe

[...] Bilder, bei deren Anblick sich das Menschenherz empört, soll man weder mit dem Pinsel noch mit der Feder malen. [...]

Karl May – Winnetou II

2007.05.17 | 11:42 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Porca Miseria

Es ist kalt in Yunnan, an einigen wenigen Tagen, nahe des Jahreswechsels, am Fuß der Berge. Die Luft ist aus klarem Stahl gemacht, besonders in den Morgenstunden, und die Sonne schneidet Fragmente aus Gebäuden und Menschen. In den groben Straßen liegen Yakhäute zum Trocknen aus, wie Gebetsteppiche, und zwischen den Pflastersteinen bilden sich Rhizome aus Blut. Der Wochenmarkt ist fast vorbei und das Fleisch geht nach Hause. Wer keinen Kopf mehr hat, der steckt ihn in den Hals.

COMMENTS

1 - posted by rafael | 2007.05.27 | 12:40 am

Gefällt mir der Kommentar. Super Wortwahl!!! Wo ist denn das Bild gemacht worden?

2 - posted by zak | 2007.05.27 | 10:03 am

Auf einem Markt in Dali, am Ohrensee gelegen.

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2007.04.30 | 1:40 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Aufschub, Aushub, Anfall

Die Nachbarschaft, die Angrenzung, die Teilhabe, die Wiederholung, die Polargebiete des Lebens und (also) der Literatur – nehmen wir einmal an, es gäbe doch einen Unterschied zwischen Spurensuche und Einschreibung, könnte man dann in die (Nähe der) Versuchung einer Ideenbildung geraten, eines Konstruktes, das da heißen würde: „Es gibt sie doch, eine Differenz, die eben nicht Différance ist“?

Oder, anders, gleich: Ich lebe, ich liebe, ich glaube zu lieben, ich gehe umher und es geht um, mit mir, was auch immer, und die einzige Frage, die bleibt, ist die nach einer Positionierung, die es nie niemals nie geben kann. Die Außenposition bleibt kategorisch Illusion und alle/alle/alles Konstruktion.

Sie stimmen mir doch zu, Sie wollen doch nicht, dass Kierkegaard Sie langweilig nennt, oder?

Wir alle bestimmen die Themen unserer Dissertationen nach den Nachnamen, die uns gegeben wurden.

Mein Plattenspieler ist kaputt und der Hund hat nie existiert.

COMMENTS

1 - posted by cato | 2007.05.01 | 10:54 am

ähem.

2 - posted by zak | 2007.05.01 | 3:32 pm

Hüstel. Ich sollte wirklich über Don Quijote schreiben. Und Jorge. Und Pierre.

3 - posted by Joris | 2007.05.17 | 1:03 am

Die Windmühlen spielen dort bekanntlich nur eine nebensächliche Rolle.

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2007.03.26 | 11:06 am | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Horror vacui

Eins

Zwei

Drei

[Drei via Ruhepuls]

Bei Fassbinder immer wieder der Gedanke an eine fehlerhafte Dichotomie des "zu viel" und des "zu wenig". Zu viel des Gewollten, zu viel der grellen Anklage, zu viel der formalistischen Überhöhung; zu wenig der Subtilität, zu wenig der Charmanz und, nun ja, in gewisser Weise zu wenig einer positiven Flamboyanz. Gerade das Karge, Metzgerhafte, das ja zugleich explizites Übermaß ist, verfängt sich aufgrund seiner paradigmatisch verehrten aber irgendwie viel zu angestrengt wirkenden Drastik in genau dem deutschen Konservatismus der 70er Jahre, dessen größter Feind es doch zu sein scheint. Aber vielleicht deucht mir das momentan auch nur so, weil ich vorhin ein
Weißwurstfrühstück hatte.

EDIT: Das Schlimmste mithin dann das Interview mit Karlheinz Böhm in den Extras der Dvd, das eine solche Unbedarftheit explizit bezüglich den Diskursen, in denen er sich täglich bewegte an den Tag legt, dass man mit Brezn werfen möchte. Ich mag aber noch immer nicht daran glauben, dass genau das einen guten Schauspieler ausmachen kann (soll, darf). Aber, eben - die Fassbinder-Rollen sind natürlich seine besten.

2007.02.19 | 2:02 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Es ist alles so einfach

Aggiornamento

[...] Das hier war nicht Indien. Wir tranken das Bier, das wir seit Wochen tranken, wie stets aus Wassergläsern, rauchten Mentholzigaretten aus Japan, sprachen über die Eigenheiten der Schinkengasse auf der Inselseite der Stadt, fragten uns, ob die Straße unten noch voller von Menschen geworden sein mag und was wir mit ihnen gemeinsam zu erwarten hätten. Wir bezahlten ungefähr nichts für hervorragendes Essen. In eineinhalb Stunden würde das neue Jahr beginnen. [...]

Jens Thiel, 18. Februar 2007, 17:44 Uhr

2007.02.16 | 5:54 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Tisch und Bett

Erst als ich die Schrift auf dem Korken entziffere, wird mir klar, dass vielleicht etwas weniger Selbstverständlichkeit bei der blinden Weinauswahl angebracht gewesen wäre, mal ganz unberührt von der defekten Glühbirne im Keller. Das Etikettendesign des kleinen Weingutes hat sich wenig verändert in den letzten Jahrzehnten und wenn man nicht genau hinsieht, kann es schon passieren, dass die dritte Ziffer des Jahrgangs für eine Null gehalten wird, auch wenn es sich eigentlich um eine Acht handelt. Und tatsächlich macht dies nicht nur im Preis einen Unterschied, sondern auch im Geschmack. Und so wird das Teuerste an diesem Abend nicht die Doinel-Kollektion aus dem Hause Criterion sein, sondern das Getränk, das eigentlich nicht mehr als ein Verzweiflungswein sein sollte. Mémoire involontaire dazu: Der kurze Moment, als ich vor einigen Wochen ein Empfehlungsschreiben von Pierre Bourdieu in den Aktenvernichter schob und es erst als solches identifiziere, als es sich schon fast vollständig in potentielles Heizmaterial für den gusseisernen Ofen des Dekans verwandelt hatte. Aber von dieser Erkenntnis hatte nun wirklich niemand mehr etwas.

Ob der Bäcker gegenüber wohl Madeleines führt?

2007.02.08 | 1:04 am | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
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Am Anfang unserer Bekanntschaft trafen wir uns wöchentlich einmal.

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