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2007.05.27 | 10:56 am | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Tiere sehen dich an

Den ersten Referatsschein meines Lebens holte ich mir bei der Ehefrau von Hans Wollschläger ab. Es ging um Kuppelbauten, wenn ich mich recht entsinne, doch über die real existierende Pracht der Hagia Sophia, über das Gerüst, den Staub, die Tauben und die weinenden Steine wird an anderer Stelle zu lesen sein. Frau Wollschläger war Sekretärin am Lehrstuhl für Neuere Kunstgeschichte der Universität Bamberg und ihr winziges Büro in einem verwinkelten mittelalterlichen Seitentrakt ein jedes Mal so verraucht, dass man hätte Schinken an die dunklen Holzbalken hängen können. Ihre Marke war Reval oder ähnliches, natürlich filterlos, und wenn sie lachte, konnte man dies manchmal schwer von einem Husten unterscheiden. Auch rasselte und pfiff es. Geräuchertes Fleisch zum direkten Verzehr hingegen gab es gleich gegenüber des Lehrstuhls, in einem kleinen Geschäft, aus dem sich Kommilitonen fettige stinkende kümmelstarrende Würste holten, die sie an langen Nachmittagen in der Diathek zusammen mit sehr kümmelhaltigem Brot verspeisten. Wenn möglich, von Rauchbier begleitet. Zum Rauchen jedoch mussten wir, im Gegensatz zu Frau Wollschläger, hinausgehen, ob der Brandgefahr. Im kleinen grauen Innenhof, der neben dem großen grünen Innenhof lag, gab es kaum Tauben. Jedoch immer Familien mit Kindern, die ins angrenzende Naturkundemuseum wollten. Ihre gelben Regenmäntel schwankend vorm inneren Auge, hinter französischen Artikeln. Irgendwoher der Geruch von Sonnenmilch auf warmer Haut. Gleichzeitig feuchte Blätter und Regen. An der unförmigen rohen Wand des Projektionsraumes brachen sich die Bilder, die Gesichter der Märtyrer bekamen Beulen. Nur bei James Ensor fiel dies niemals auf.

Mein Bart ist bald hundert Meter lang und Reval heißt nun Tallinn.

[...] Endlich war es gelungen, Tote wieder lebendig zu machen; oder, präziser ausgedrückt: Leute, die das erste Leben und den ersten Tod erlitten hatten, auf kurze Zeit wieder zurückzurufen (ichweißichweiß; exakt müsste ich sagen : das n=te Leben; und jetzt befinden sie sich in n plus 1. – Natürlich hatte es mit den Unsterblichkeitstheorien des Christentums nicht das geringste zu tun; es war mal wieder ganz anders). [...]

Arno Schmidt – Goethe

[...] Bilder, bei deren Anblick sich das Menschenherz empört, soll man weder mit dem Pinsel noch mit der Feder malen. [...]

Karl May – Winnetou II


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