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2006.08.07 | 5:34 am | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Zeige deine Wunde

Die Schichten, ja, und das Graben? Vijay sitzt an diesem alten, schweren Holztisch, die Hände auf der vernarbten Oberfläche gefaltet, hinter seinem Rücken das trübe Schimmern des ungeputzten Aquariums. Man kann die Spuren sehen, die die Krankheit in seinen schmalen Körper gefressen hat, man weiß, dass dies keine verdienten Zeichen der vergangenen, verlebten Zeit sind, sondern vielmehr von der, die nicht mehr bleibt. Trotzdem ist seine Freundlichkeit erschlagend, und Güte nicht das falsche Wort, um im Gravitationsfeld seines Lächelns und seines Sprechens erwähnt zu werden. Die Witze, die er mit seiner grauhaarigen deutschen Frau macht, sind ebenso glorreich dämlich wie die, die ich gerne mit jemandem machen würde, den ich nicht vergessen kann. Doch solch’ einen Glanz muss man sich verdienen, in langer Jahre Liebe. Wir haben Karten gespielt und erzählt und eigentlich ist es so: In Mamallapuram, dem uralten Steinmetzdorf südlich der Stadt, gab es einmal sieben Tempel, die direkt an der Küste standen. Das Meer hat sich sechs von ihnen geholt, über die Jahrhunderte. Nur einer ist übrig geblieben und fristet nun ein einsames Dasein als eines der meistphotographierten Bauwerke Indiens. Als der Tsunami kam und das Meer weit zurück sog, nach draußen, wie ein überdimensionaler Mond, konnte der Tempelwächter ungläubigen Blickes in der weiten Kraterlandschaft, die sich plötzlich vor ihm auftat, die Reste der sechs verschwundenen Tempel ausmachen, von Schlick und Getier überzogen, Heimstatt für die Fische. Bevor die Fluten zurückkamen, den Tempelwächter hinwegspülten und auch den siebten Tempel zu einer Ruine werden ließen. Vijay hustet und sagt mit kratziger Stimme: Das ist eine schöne Geschichte, oder?


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