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2007.08.30 | 10:07 am | Notizbuch PERMALINK  |  TRACKBACK
Oh Tempura, oh Mores!

Den ganzen Tag verbrachte er mit der Durchstreifung der Viertel, die sich um die Thong Lo gruppierten, nördlich der das Raumkonzept „Bangkok“ definierenden Sukkhumvit. Schweiß mischte sich mit Staub während er eine olfaktorische Kartographie der Gegend vermittels seiner Nasenhärchen erstellte. Der frische, grüne Geruch der Wiesen und Gewässer um die Botschaftsgebäude herum, die vereinzelten örtlichen Einschläge der Obst- und Grillstände, die animalischen Erschütterungen der Straßengräben und Autowerkstätten. Ein grünes Curry zur Mittagszeit ließ ihn weinen, minutenlang auf der Toilette. Alle Serviced Apartments hatten die gleichen Vorhänge und Möbel, und kein einziges ließ ihn bleiben wollen. Dann doch lieber dieses kleine Zimmer im Garten des Massagesalons, durch dessen Hecke man das kühle Blau des Pools der Deutsch-Thailändischen Gesellschaft riechen konnte, und die drahtigen jungen Körper der Botschaftertöchter sehen, wie sie mit ihren langen dünnen Armen nach bunten Bällen schnappten. Als es schließlich dämmerte, holte er Kae und Christian ab. Auf einem Basketballplatz an der Straße zur Agentur tanzten wohlgenährte Mittvierzigerinnen jugendlich angeleitet zur entsprechenden Musik Choreographien aus den Videos der Sängerin Britney Spears nach. In den großen Orchideensträuchern am Wegesrand saßen stumme große Vögel. Das Holz der Veranda vor den Agenturräumen war kühl und warm zugleich. Bevor sie in den Wagen stiegen, ließ Kae einen glänzenden Luftballon in Form eines Delphins in den Himmel steigen und sie standen lange auf dem Parkplatz, bis seine silbrige Silhouette sich in den Farbdetonationen der Wolken verlor.

Wie japanische Scherenschnitte.

[...] dieses zyklische Buch ist Gott. [...]

Jorge Luis Borges - Die Bibliothek von Babel

COMMENTS

1 - posted by m.o.c. | 2007.09.03 | 12:37 pm

Zwei Anmerkungen:
1. „Eine olfaktorische Karthographie […] vermittels seiner Nasenhärchen“ scheint mir nicht korrekt zu sein (zumal es auch stilistisch nicht unbedingt glücklich formuliert ist), aus folgenden Gründen: a) weil man mit den Nasenhärchen nicht riechen kann (oder irre ich da?), und b) weil es eine pleonastische Äußerung ist.
2. Die Scherenschnitte, seien sie nun japanisch oder sonstwie asiatisch, sind wohl ein momentan, vor allem in der jüngsten deutschen Literatur, grassierendes Motiv (ich vermeide den Begriff Topos); nur stellt sich mir die Frage weshalb; ich habe keine Antwort darauf.

2 - posted by zak | 2007.09.05 | 5:02 pm

Zu 1.: Rein naturwissenschaftlich (und vielleicht sogar ästhetisch) betrachtet haben Sie natürlich vollkommen Recht. Trotzdem konnte ich mich nicht des Dranges erwehren, den Satz exakt so zu verfassen, wie er dort steht. Ähnlich wie bei der schwarzen Ecke und den befehlsgewaltigen höheren Wesen. Auch stelle ich mir vor, dass wir es hier mit einer sehr großen Nase zu tun haben.

Zu 2.: Ich lese keine Literatur, insbesondere keine jüngste deutsche.

3 - posted by m.o.c. | 2007.09.05 | 7:07 pm

Aber Sie machen doch Literatur, wenn ich das richtig verstehe, was Sie hier ab und an schreiben. Und wer Literatur machen will, der muß sie auch lesen. Oder machen Sie etwa littérature brute? Vielleicht meinten Sie gar, Sie lesen keine Literatur, sondern Texte?

4 - posted by Joris | 2007.09.14 | 11:11 pm

Zur körperhaften Semantik: „Gräßlich waren sie anzuschauen, diese schwammigen, klumpig verdickten Füße; das Fleisch trieb Sprossen, wucherte über den Nagelkopf, und die gekrümmten Zehen widersprachen der flehenden Geste der Hände, schleuderten Verwünschungen, zerkrallten beinahe mit ihren blaulichen Hornplatten das Ockergelb des Bodens…“ (Tief unten, Huysmans)


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