Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Verlorene Reize: Räder, die über knirschende Kiesel rumpeln, zur Seite ausbrechend, schlagend, schlecht gefedert, überladen. Krümel und Körner zwischen den Säcken in der Sonne und in der Ferne flimmert die Luft auf der unruhigen Linie regloser Fichten. Am Wegrand ein unvermeidliches Kreuz; struppige Sträucher (Hagebutten und Ginster) säumen es trocken in unaufgeregter Frömmigkeit. Nur ein Keil im unrasierten Weizenfeld: Eine Wiese mit protzenden Bäumen, wo man halten kann und einen grünen, noch unreifen Apfel stibitzen, nur um ihn wegzuwerfen nach dem ersten Biß, weil er noch sauer und ungenießbar ist und man selbst voll sündhafter Ungeduld.

Link | 31. Oktober 2004, 17 Uhr 18


Der Plan: Eine Maschine zu bauen mit Induktionsstrecken und rotierenden Kugeln, klappernden Ventilen und Handrädern, mit böse zischenden Ventilen und wackelnden Zeigern und glühenden Schlunden, Kesseln und Antennen, nach Prinzipien aus Schriften des arabischen Gelehrten Jabir ibn Hayyan. Unrealistisch. Warum eigentlich?

Link | 27. Oktober 2004, 17 Uhr 57


Gewaltphantasien, in denen Frauenschuhmode-Neuerer vorkommen. Folge 13, „Die erlesenen Qualen von Mr. Fellgefütterte Schlüpfstiefel“.

Link | 27. Oktober 2004, 15 Uhr 28


Der unvermeidliche Blogs! – Lesungs-Eintrag: Das war ja ganz nett gestern, und ich fand eine Menge Vorurteile bestätigt: frank ist ein seltsamer Hund und ein guter Typ, Andrea Diener versteht nicht nur was von Literatur in beide Richtungen, sondern liest auch schön, mit unten ganz leicht angebrochener Stimme, und sie klimpert beim Bescheidenseinwollen mit den Lidern, daß es eine Freude ist. Kai Pahls vorzüglichstes Talent ist eher nicht die Moderation, und der beste Verleger der Welt ist offenbar eine ebenso kauzige wie geschäftstüchtige Type, also hat er vermutlich die besten Voraussetzungen für den Titel. Vom Deckblatt des ausliegenden Verlagsprogramms jedenfalls griente einen schon wieder Carrie Bradshaws Fratze an; man entkommt diesem Terrorweib einfach nicht, nicht einmal unter Webloggern. Ach ja, und frank nehme ich durchaus ab, daß er seine Leser lieber nicht so genau kennen möchte. (Er ist ja auch „so ein bisschen ein Zyniker“, wie Kai Pahl klarstellte, seine Blogger schön zu verschubladen wissend, daß auch kein Zuhörer zweifeln müsse.)

Im Voss mit Herrn S. und einer loglady redete ich dann zu viel und zu eitles Zeug, weiß der Teufel. Das darf man erwähnen, wenn man sich schonmal auf das leidige Metabloggen einlässt, ist ja auch ein Blog-Phänomen: Dieses ziererische Blogger-Getue, die Frage ob und wem sie nun ihre wahre Identität (oder anders herum ihre Netzidentität) enthüllen, ist ja als eitle Geste viel schlimmer als die fast immer unprätentiöse und bescheidene Haltung der von uns jüngst bei Don Alphonso und Andrea Diener so geschmähten Vorleser. Grade ich mit meiner Zwanzig-Leser-Familienseite muß daherreden. Aber so ist das wohl nach so einem Abend. Man lässt sich das halt nur zu gern erzählen, daß der elektronische Blödsinn, den man treibt, igendwie gut und wichtig wäre, eine Bewegung!* und gerät in diesen Namedroppingmodus. Eklig, das.

Internes und externes Fazit: Blogger sprechen definitiv zu viel aus. Aber das wussen wir ja schon. Und haben’s schon wieder getan. Schluß damit.

Nachtrag: Bei den gesprächsfetzen steht überhaupt nichts zur Blogs!-Lesung.

Link | 27. Oktober 2004, 12 Uhr 45


In der Kantstraße gibt es ein Mosaik-Geschäft. In einem der Schaufenster sieht man in einem gleißenden Raum ohne Kanten reflektierende glatte Wände aus glitzenden Steinchen und unfassbar viel Licht. Wenn ich nach dem Abend, zweifelnd und immer hart an der Grenze zum glucksenden Lachen angesichts der sonderbaren Konsequenz der Geschehnisse, eigentlich aller Geschehnisse, dort vorbeikomme, zwinge ich mich hinzusehen, den kreisrunden kleinen Schmerz in den Augen zu ertragen, wenn sich die Pupillen erschrocken zusammenkrampfen und Tränen einschießen; im Vorbeigehen verrenke ich den Kopf und halte drauf, solange es auszuhalten ist, es ist ein seltsamer Genuß.

Link | 24. Oktober 2004, 22 Uhr 53


Des Nachts bin Zug ich gefahren am Samstag:
Oh! Wieviel Elend, Herr, wieviel Niedertracht und Schande, wieviel musst‘ ich schauen! Trunkenheit und Gewalt und Feigheit, Elend und schöne junge Mädchen, die bei gestikulierenden Gangstern einkauften auf offener Straße, und, Herr, da entfuhr es mir: „Verreckt doch meinetwegen alle, ihr könnt meinetwegen alle verrecken, ihr seid doch alle nicht bei Trost vor Gier und Unzufriedenheit und Selbstmitleid, wollt ihr nicht einfach jetzt gleich verrecken, bitteschön, vor meinen Augen, damit es vorbei ist und ich nicht noch länger dabei zusehen muß?“ War ich ungerecht, Herr, wider die Elenden?

Link | 24. Oktober 2004, 14 Uhr 56


Das sind so Probleme. Vor ein paar Tagen in der Kneipe gesessen und zwei Französinnen von Bargfeld vorschwadronniert, heute die Ohnmacht zu Ende gelesen, und überfallartig die Besessenheit von der Idee, etwas mit einem See zu machen, dabei mache ich derzeit eh gar nichts und habe nicht einmal eine Rechtfertigung für die großkotzige Wendung, etwas zu machen, mein Revo in der S-Bahn bearbeitet mit der Sache mit dem See, es klingt alles wie aus den Frisch-Tagebüchern, ich fürchte und weiß, daß es nicht wie aus den Frisch-Tagebüchern klänge, hätte ich die Frisch-Tagebücher nicht gelesen. Etwas wie Sommerstarre , denke ich, nur weniger dick auftragen, ganz ruhig, nur das friedliche Knacken der Natur um den See und das gräßliche Knirschen der Gewalt zwischen zwei Menschen; dabei kann ich nicht einmal sagen, ob Sommerstarre wirklich der nette kleine Erstling eines netten klugen jungen Mannes ist, für den ich ihn halte, oder ob ich das Buch nur mag, weil ich es an einem irreal schönen Sonntagnachmittag gekauft und im Zug, unter Beobachtung, gelesen habe.

Link | 23. Oktober 2004, 0 Uhr 12


Zeichenkomplott: Die tun sich wohl zusammen, treffen sich in einer gewaltigen extra angemieteten Mehrzweckhalle, halten Reden, sitzen herum, essen Lachsbrötchen und stimmen dann ab. Dem Leitantrag wird stattgegeben, die Versammlung einigt sich auf einen gemeinsamen Referenten. Verschwörer-Bande, verflixte.

Link | 21. Oktober 2004, 13 Uhr 03


Wo die New Economy, von der wir nicht aufhören wollen zu reden, noch lebendig ist, was verkauft sie: Hochtechnologie? Information? Finanziellen Erfolg? Lifestyle? Brillianz? Mitnichten. Die Questico AG vermittelt Liebevolle, kompetente Lebensberatung . Falls Sie übrigens diesen Tempo-Reflex spüren, den wir, sogar die, die zu jung sind um Tempo noch erlebt zu haben, alle spüren, falls sie sich herablassend denken: „Meine Fresse, was für eine elende Klitsche“, falls sie immer noch im Grunde ihres unbelehrbaren Herzens glauben, daß man grau-blau und flashig und stylemäßig vorn sein müsse, um im Netz erfolgreich zu sein: Sie irren sich. Questico verdient richtig Geld. Willkommen in der uncoolen Wirklichkeit des Menschlichen.

Link | 21. Oktober 2004, 12 Uhr 45


Man müsste endlich ein Schwarzbuch der Bewusstseinsindustrie machen, einen tausendseitigen Wälzer, eine Abrechnung in schneidendem Ton, eine Liste der Verbrechen am Menschlichen, ein Hohngelächter. Man würde bittere dreißig Jahre daran schreiben, geifernd, in einer Strickjacke wie Gaddis‘ alter ego in Agape agape, wie passend, und wenn man fertig wäre könnte man den galligen Schinken den paar handverlesenen paar Gestalten zusenden, die das nicht nur für miesepetriges Intellektuellengeheul hielten.

Hrm. Jemand müsste mich dringend vom Bloggen abhalten.

Link | 18. Oktober 2004, 1 Uhr 06 | Kommentare (1)


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