Vigilien

is there any any? nowhere known some?

[Hey, es ist immer noch Postmoderne oder wie auch immer man das nennen will, und das mein‘ ich ernst! Die Quatschparty hat grade erst angefangen!]

Link | 15. Februar 2006, 1 Uhr 15


„Valentino, sein nie anerkannter Sohn, sorgte in jungen Jahren selbst für gehörige Aufregung bei den Damen vor Ort, die ihm, je nach Alter und Veranlagung, heißherzig und auf Lockenspitzen kauend, oder nur in einer schüchternen Aufwärtsbewegung beim Spaziergang, ausgiebig vielversprechende Blicke zugedeihen ließen. Nun gehörte er nicht zu der Sorte Menschen, die das Gottesgeschenk eines aufregenden Kinns leichtfertig an eine frühe oder treue Ehe verschwendet hätten, und so stiftete er im Lauf seines jugendlichen Lebens nicht nur Verwirrung und Tränen, sondern auch wenigstens drei Ehen zwischen rosigen, schwarzgelockten Töchtern des hiesigen Großbürgertums und kugelrunden Kaufleuten; sehr glückliche Ehen, wie man annehmen muß, denn sie begannen mit ganz unerwarteten Verliebtheiten und waren mit kräftigem und gesundem Nachwuchs gesegnet, knapp vor der Zeit.

Einige unernste Ehrenhändel überstand er glücklich, unbeschadet und ohne sich zum Mörder gemacht zu haben, doch als er sich zu Beginn seines einunddreissigsten Lebensjahres einem gewissen Francis Ledetton gegenübersah, einem ältlichen expatriierten Engländer, den er eigentlich mochte, und für einen Moment befürchten musste, ihn versehentlich erschossen zu haben, verdichtete sich sein Verdacht, daß dieses Leben, würde es im bisherigen Stile weitergeführt, seinen Vorstellungen von herrschaftlicher Leichtigkeit nicht mehr dauerhaft genügen würde. Seine Sicherheit hatte ihn verlassen über der Kimme; ein kurzer Zweifel, der tödlich hätte sein können für den armen knochigen Burschen vor ihm — ein Vorbote des Alters, dieser Zweifel, und ein untrügliches Zeichen für beginnende Besonnenheit. Wo die sich einmal festgesetzt hatte, das war ihm wohl klar, war es vorbei mit einem Leben, das von selbst glückte und sogar auf der Spur der Verwüstung, die es hinterließ, immer schnellwachsende Blumen auszusäen verstand.

Er fand sich also eines Morgens, zurückgekehrt von einer verfluchten feuchten Lichtung, mit vollgepumpten Fingerspitzen und einem ganz neuen Gefühl in den Knien, frierend in einem Sessel am eilig befeuerten Kamin wieder und versuchte herauszufinden, wie er es in Zukunft fertig bringen sollte, verheißene Freuden zu verschmähen. Nach einer Weile entkorkte er eine Flasche Wein, rückte den Sessel ins Licht und begann sein rechtes Ohr zu massieren.

Drei Sommertage nacheinander saß er am Fenster, in dessen säulenumrahmtem Bildausschnitt zweieinhalb dunkle Buchen von einem launischen Landregen mit aufbrausenden, kalten Schauern beworfen wurden und ehelichte im Monat darauf eine rosige und schwarzgelockte Bürgertochter, die ihn, unbetrogen, wie er, schon schwächlich, schwor, in seinem zweiundachtzigsten Lebensjahr unter viel rührenden Altfrauentränen begrub.

Buchen im Regen können bekanntlich einen seltsamen Eindruck hinterlassen.

[hehe]

Link | 15. Februar 2006, 0 Uhr 47 | Kommentare (1)


AeonFlux: Die SciFi? Die Mission? Die MTV-Vorlage? Die Noir-Ästhetik? Die Effekte? Die Grätsche? Popkultur, Heldentum, die Kombination von Freiheitspathos und Terroristendasein? Mitnichten.

Die Frisur!

[Und das andere Zeug natürlich auch alles, warum nicht, mal sehen.]

Link | 13. Februar 2006, 21 Uhr 07


Und in der Nacht überfiel mich dann meine persönliche Mythologie: Verbrachte Zeit mit diesen Leuten und wechselte ins Präsens, in einem Haus im vagen Nachbarort eines noch viel vageren Wohnorts, jedenfalls nicht meinem; und alle sind so verdammt gut angezogen; das passt nicht zu den Möbeln dort; besser so, denn die bewegen sich mehr als ihnen gut tut im Folgenden; einer liegt quer über einem von denen und rezitiert irgendwas, das sich nie konkretisiert. Alle da, die sozialen Verhältnisse jedoch intakt, manchen nähert man sich also nicht, weil die so coole Hunde sind, die coolen Säue; so leicht traut man sich eben nicht. Einer von den älteren Größen mit Dreitagebart hält konsequenterweise gleich richtig Hof nebenan, es ist aber angenehm. Mit denen, die man kennt: In der Küche auf klirrenden Kisten, irgendwann aber wird die Musik von nebenan zu gut; dann unscharfe Bilder und Körper. Die Jungs, unehrlicherweise zuerst erwähnt: überwiegend mit Bügelfalte, also die Schritte aus den Hüften, der Stoff zieht nach und die Bewegungen ohne Getappse und Geschlackse und Geknicke; die Frauen: Mit allem, was hilft beim Wegdrehen aus der Tanzbewegung und Ich-weiß-übrigens-was-ich-da-grade-mache-Lächeln, schau’n Sie nach in den Videos von Roisin Murphy. Handkamera, geht nicht mehr ohne. Ein Rotweinbecher leckt und wird weggestellt. Mehr oder weniger heimlich sind wir alle in die Gastgeberin verschossen, eine Unbekannte mit wenigstens charlottehaftem Indie-Charme, die dann auch genau weiß, wann sie Jolene spielen muß, um den Raum in einen Ausbruch von Kraft auseinanderzufetzen und mich, wenig später, mit wild schlagendem Herzen, in den morgendlichen Himmel über Berlin quasi zurückzuknallen.

[Wolken über den Dächern, spätwinterlich, schon sehr hell in der Straße, die matt da liegt und nur ab und zu zischt, um auf die Stille aufmerksam zu machen.]

Link | 12. Februar 2006, 22 Uhr 14


Finsterer, finsterer Abend. Die alte Finsternis, jetzt mit Petersilie dran. Wieder mal langsam über den Hof der Kulturbrauerei, nachts auf dem Heimweg, scheiß sandgestrahlte Da-nehmt-Kultur-Brauerei; Kulturbrauerei, wenn ich das schon höre, weil grad‘ ne Brauerei übrig war: Kultur!, wunderbar, amüsiert euch schön. Kino, Wummerdiwummer, blaues Licht von drinnen, Bier wohlfeil, Typ vor die Tür, schon wuseln die Wetlook-Bürschchen mit ihren Schnepfen und sogar die nehm‘ ich ihnen übel.

[Gewollt so. Immer. Ist nur in der ersten Person deutlich weniger glamourös, nachts, auf dem Weg nach Hause, diese pathetische Keine-Kompromisse-Gewalt.]

[Ich weiß nicht, wie ich grade jetzt drauf komme, aber der größte Luxus müsste die Möglichkeit zum Wechsel zwischen maximal fraktalem und maximal linearem Raum sein. Man könnte sich jederzeit justieren. Ein stählerner Würfel im Wald – damit fangen wir an. [Wenn ich einmal eine Architekturklasse unterrichte]]

Link | 12. Februar 2006, 2 Uhr 51 | Kommentare (1)


Charlotte!

Link | 9. Februar 2006, 0 Uhr 26 | Kommentare (1)


plastesperrholz feinkariert, abplatzend, neonlicht: küche. elfenbein und dunkles rot. gezogene kabel, stiller toaster, toter goldfisch

die dauernde überforderung, weil man sprechen soll und doch nichts weiß [betonen sie „doch“]

trug den koriandersack und gab mir zu trinken
eine handvoll kalten wassers
das aus dem stein fiel, durch ein rohr

diese frauen mit kindern, die ihnen gerade oben in die stiefel gucken können

mein deutsch, das mir zunehmend verquollen vorkommt in nichtinfinitiv-texten

[aufmachen-aufmachen-aufmachen]

Link | 8. Februar 2006, 1 Uhr 47


Ljubljana: Das ist ein bisschen Balkan und weg vom Schuß und hinterm Mond, aber dafür unterschwellig ein Ort, wo es passiert, also Berlin, bloß ohne die Krankheit™. Statt dessen mit aggressiv großartigen jungen Leuten, die ihr Machenkönnen geil finden und mehr Lust als Angst haben und mit denen man trinken kann wie sonstnirgendwo. Darüber ein flacher Himmel, der immer zwei Drittel des Bildes füllt und rechts unten weht ein Grashalm rein. Ex-Rom, Ex-Mittelalter, Ex-Jugendstil, Ex-Sozialismus, jetzt Bewegung, ran!
Schöne, schöne, verdammt schöne Menschen.

[Nie dort gewesen. Denke ich mir so. Will da hin. Hätte so gern slowenische Freunde. Und gemeinsame Vorhaben, so daß ich hinfahren könnte, nach Ljubljana, die Notebooks zusammenstellen und gemeinsam was ausdenken und machen und dann abends mit einer Flasche Wein und den schönen klugen wilden Menschen um die Burg ziehen, oder was man eben macht. In einem Kabuff am Stadtrand untergebracht sein, wo man die Tür nicht abschließen kann und dauernd jemand reinstolpert und in der Etage drüber übt einer die ganze Nacht irgendwas.]

[Balkanphantasien? Karlmáykarlmay.]

Link | 8. Februar 2006, 0 Uhr 51 | Kommentare (12)


Ulmens Auftrag. Ausnahmsweise erkläre ich mich diesmal: Der Grund meines Interesses für den Pennälerquatsch ist lediglich, daß ich eine klare, mir etwas unheimliche Schwäche für die beiden Medienmenschen habe, die man dort zu sehen bekommt.

Christian Ulmen: Der ist, wenn wir ehrlich sind, einer von denen, die hauptberuflich in der Gegend herum laufen und Leuten auf den Sack gehen. Und weil das liebste Hobby der MTV-Zielgruppe das Herumlaufen und Leuten-auf-den-Sack-gehen wäre, wenn sie nicht dazu World of Warcraft kurz alleinelassen müssten, liefert Ulmen die Ersatzpubertät im Fernsehen ab. Raab und Pocher machen dasselbe in noch unsympathischer. Fernsehen, das auf den *grunz*guckma-ey-was-der-sich-traut-Effekt zielt.

Christian Ulmen hat es vor ein paar Jahren aber verstanden, das erbärmliche Konzept äußerst liebenswert umzudeuten: Tweety, der Schotte, der weinende Polizist. Dazu irrsinnige, aber meist nicht auf bloße Belästigung angelegte Gespräche an der Bushaltestelle — das kam freundlich-verwirrendem Schabernack schon recht nah. „Unter Ulmen“ war ziemlich gut. Vielleicht habe ich’s auch nur gemocht wegen der Werbe-Einspieler mit einem freistehenden Baum auf sonnigem Hügel. Mit einer freistehenden Ulme und einem kurzen Moment Vögel und Laub im MTV-Krawall könnte man mir, vermutlich, alles verkaufen. Und dann Smack my bitch up, ich meine: ja!

Zweitens, Nora Tschirner. Das ist nun gar nicht mehr recht rationalisierbar. Aber ich mag die. Abgesehen davon, daß sie bezaubernd aussieht und immer so lieb wirkt, liegt es, glaube ich, daran, daß sie der mediale Prototyp einer Menschensorte ist, aus der etwas hätte werden können: Junge Leute, die ein bisschen wohlhabend, gutgemeint halbpolitisch, auf angenehme Art leer und recht entspannt waren. 2001, als man noch hoffen konnte, daß die kommenden Jahre so werden würden wie Ladytron klangen. Oder aussahen. [oh! Oder die DOM-Shops!] Nun, jedenfalls: 2001 tauchten diese Menschen von unwiderstehlicher Harmlosigkeit auf, Achsenmenschen, die kurz einfach jung sein, leben und Musik hören und sich verlieben konnten, ohne politisch belangt oder vercodet zu werden. Eine kurze Phase weitgehender Genußfähigkeit, bevor es wieder scheußlich wurde. Seither sind Lager neu definiert und neue Sprachen der hohlen öffentlichen Anteilnahme installiert worden. Wie man sich selbst in diese Lager sortiert oder welche der neuen Sprachen man spricht oder nicht, beiseite: Genußfähigkeit: Ach, ja bitte. Daß man in Deutschland gut leben könnte, diese Möglichkeit einer Tatsache blitzte kurz auf, damals. Es sah so aus, als handle es sich bei diesem Land nicht vornehmlich um das nukleare Schlachtfeld, auf dem die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ihren Kampf mit der PDS austrägt. Nora Tschirners Gesicht hat das mal versprochen. Ich weiß auch nicht, woran das lag.

[Affirmative Hoffnungen und die vielleicht überschätzte Rolle der bubble; Scheitern, umfassendes. I’m with the pilots.]

Ach, „Ulmens Auftrag“? Ich weiß nicht. Nee. Peinlichkeitsfernsehen eben. Peinlich ist peinlich ist peinlich. Ohne den Tweety-Charme, viel zu nah am Pocherdreck und am Polylux-Alexanderplatz-Pranger. Es ist halt überhaupt nicht lustig, Schwächere mit einer Kamera vorzuführen.

Link | 6. Februar 2006, 0 Uhr 10 | Kommentare (2)


S-Bahn, Lichtenberg-Proletarierin. Mit Format, und zwar sowas von. Dabei: Vielleicht 18. Ist mit einer anderen unterwegs, diese: Rosa Daunenblähdings, teiggesichtig, betakelt, blondiert, Klobenschuhe, das Übliche. Sie dagegen, gegenüber sitzend: Fast neue, sehr konventionelle Laufschuhe. Jeans. Funktionale Jacke, voluminös, outdoor-stil, keine Marke. Dunkelblonde Haare mit einigen hellen Strähnen, lang, aber brutalistisch gerade geschnitten; vielleicht nicht ganz trocken. Kein Metall, keine Farbe, nichts. Und das smarteste Frauengesicht, das man sich denken kann. Nicht richtig schön, ungeheuer tough, harter Zug um die Lippen, lächelt aber zwischendurch einmal, winziger Moment: Oha. Kann sie. Überhaupt kann die. Die weiß, was sie alles nicht nötig hat.

Seltsame Spezies, diese Berliner.

Link | 3. Februar 2006, 4 Uhr 21


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