Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Morgen, 20h, Brotfabrik: Buchpremiere und Lesung „Berlin oder so.“

Link | 31. Mai 2007, 11 Uhr 28 | Kommentare (1)


Ich nenne das Phänomen das falsche Jakobinertum.

Link | 31. Mai 2007, 10 Uhr 42


Und schließlich dieses: Wenn die einzige Sünde, die die VW-Manager und Betriebsräte im Puff in Brasilien begehen können, diese ist, daß sie nicht jeden VW-Mitarbeiter mitgenommen haben in den brasilianischen Puff, weil sich alle einig sind, daß brasilianischer Puff eine gute Sache ist, bloß gerecht verteilt werden müssen die feinen Sachen, sonst finden wir sie verwerflich, sonst müssen da Werte her, dann ist das eine Sorte Nihilismus, die dringend Feinde braucht.

[Herrgott, hoffentlich können die brasilianischen Nutten was und hoffentlich holt die Herrschaften von VW jetzt jeden Abend ein Biest von langzüngigem Teufel dafür.]

[Dieses Gequengel, es ist nicht auszuhalten. Diese Angestelltengerechtigkeit, dieses haltlose, flatterhafte Saubermannwesen, und überall Rigoristen des heimlichen Auch-haben-Wollens von so ziemlich allem, auf Verdacht, damit sich die zum säkularen und also sinnlosen Heiligenleitbild glorifizierte allgemeine Anhedonie auszahle, sie muß sich doch irgendwie auszahlen, irgendjemand wird doch mal auszahlen?]

Link | 31. Mai 2007, 1 Uhr 18 | Kommentare (3)


Was mich den Christen — jedenfalls den echteren und besseren unter ihnen — zunehmend verbindet, ist ihr Vertrauen in die Erlöstheit der Welt. Gerechtigkeit für andere zu fordern scheint mir nur unter diesem Vorzeichen möglich: Daß es nicht nötig wäre (for the man comes around). Also ist es eine Forderung aus Güte, aus der reinen Möglichkeit zur Güte heraus. Daß die Welt bereits in Ordnung gebracht ist, erlaubt eine Sorte Pflicht, sich zu kümmern, die ohne die Hässlichkeit auskommt, die materiellen Forderungen sonst immer anhängt, gerade wenn man sie im Namen anderer ausspricht.

Seit Jahren irritiere ich, ein gottloser Exkatholik aus dem Lehrbuch, meine Umwelt mit der naiven Idee, daß die Welt gerecht sei. Nicht gerecht sein könnte, wenn nur dieser Kapitalismus mal wegginge oder dieser oder jener unsympathische Bonze bestraft würde, nein: Sie ist gerecht. Die unsympathischen Bonzen machen auf mich einen so verzweifelten und lächerlichen Eindruck, wenn sie ihre Arschlochnummer durchziehen, ohne die sie längst nicht mehr wüssten, wer sie sind, daß ich nicht anders kann als zu glauben, daß sie büßen, und zwar hier und jetzt.

Was man begreift, mit den Jahren: Die Welt ist insgesamt in Ordnung, weil gute Menschen darin vorkommen und die andern einfach egal sind. Wir sind narrativ konstruierte Wesen, ewig zugänglich für Geschichten von Mut und Größe, weil es die besseren Geschichten sind, weil es eine innere Logik des Erzählens gibt, die das Gute zwingt zu gewinnen. Gleich wie sehr wir uns (und es ist eine spaßige Übung) auch mühen mögen, den renitenten Geist der poetischen Gerechtigkeit auszutreiben: Wir sind zum Optimismus verdammt. Er ist da, man kann sich zwar stifteringend wehren gegen ihn, anerkennt damit aber nur seine Gegenwart. Uncool, aber wahr.

Über dieser Grundlage des Optimismus (den Erdbeeren in Das siebente Siegel) webt dann die Schuld ihre Netze, es ist kompliziert und dreckig und meistens weiß man nicht und man baut Mist unvermeidlich, Pech, es hat niemand versprochen, daß es möglich sein sollte, alles richtig zu machen. Und wenn man tausendmal keine andere Möglichkeit hatte, es bleibt doch eine Schweinerei, was man da angestellt hat: Pech; das ist das Leben, man wird dreckig dabei, gesühnt wird in jedem Fall: Entschuldigung ist das keine, daß man nur eine einzige Wahl hatte.

Die Christen, jedenfalls die besseren unter ihnen, haben da unleugbar einen Punkt. Der Versuch, die Maximalgeschichte von Größe zu erzählen, um die Bewohnbarkeit der Welt zu beweisen, ist, auch wenn er scheitert, ein Manöver, das erfunden werden müsste, wäre es nicht bereits so gründlich durchgeführt.

Link | 31. Mai 2007, 1 Uhr 10 | Kommentare (2)


Mensch, Mawil wieder.

Link | 30. Mai 2007, 23 Uhr 25


Mit Obsessivität immerhin muß gerechnet werden.

Link | 30. Mai 2007, 20 Uhr 41


Ein zum Wohnheim umgebauter Bauernhof in Onsabrück, wo ich zu Besuch war, um beim Bau des MacMini-Roboters zu helfen: Der Luhrmannhof. Herbst. Als ich dort aus der Dusche stieg und sich vor meiner Nacktheit eine nasse Kastanie im selben Herbstwind schüttelte, den auch ich durch die weit offenen Fenster spürte, fühlte ich mich sehr fremd in der Welt. Ich fror zum ersten Mal auf eine besondere Art, die ich noch nicht zuordnen konnte, die aber charakteristisch werden sollte für den Herbst und den folgenden Winter: Hungrig, unausgeschlafen, fremd, rasend glücklich. Noch war es nur eine neue und interessante Art zu frieren, angenehm und aufregend, als sei bisher immer nur zufällig ein wenig Luft um mich herum kalt gewesen und als träfe mich nun zum ersten mal die echte Möglichkeit von Kälte, es war fremd und geil und lebendig; noch hatte ich nicht im Ansatz begriffen, was geschehen war.

Link | 27. Mai 2007, 2 Uhr 04


Asche.

Link | 27. Mai 2007, 1 Uhr 36 | Kommentare (2)


Kühle, verhaltene Verzweiflung im Halbdunkel.

[Unergründliche Gründe des Fremdbewusstseins]

Link | 26. Mai 2007, 11 Uhr 25


Der feine Klangkörper spielte schon länger Opern-Medleys. Oder, korrekter müsste es heißen: Die Hülle des feinen Klangkörpers spielte den Gefangenenchor und dieses Zeug. Man dachte damals, die Musiker würden es wohl mit Humor nehmen, Profis, sie würden fein lächelnd sich hinsetzen uns sich gutmütig freuen, daß die Damen und Herren mit den bunten Abendgarderoben einen großen Abend hätten.

Aber es war nicht, wie es schien. Das Opern-Medley-Programm interessierte die verbliebenen Veteranen des Konzertgängertums eher nicht, und so bemerkte zunächst niemand, daß die besten Musiker das Orchester längst verlassen hatten. Ähnliche Vorgänge, ebenso unbeobachtet, gab es in Borbruck und einigen Provinzhauptstädten: Musiker verschwanden unbemerkt aus den Reihen der symphonischen Orchester.

Selbstverständlich nicht gänzlich unbemerkt: Ein kleiner Untergrund von Liebhabern, denen die Sache wichtig genug war, um achtsam Protokoll zu führen und denen deswegen nicht entging, daß es vielleicht nicht nur die Frustration der Musiker selbst sein mochte, die sie so systematisch aus ihren Positionen vertrieb. Besonders seltsam war, daß sie gar nicht als Menschen verschwanden, ihre Familien vermissten sie nicht, auch gingen sie weiterhin zu Proben und zogen sich fein an für die Auftritte, offizielle Kündigungen gab es nicht, formal blieb alles beim Alten — nur gelang es auch den hartnäckigsten unter den Musikliebhabern nicht, sie tatsächlich einmal spielen zu hören. Nach Monaten erst koordinierten sich die wenigen, die sich überhaupt wunderten, so weit, daß sie anfangen konnten, systematisch zu forschen und im Umfeld der Musiker Fragen zu stellen. Sie erhielten viel Widersprüchliches zur Antwort, ordneten die Fakten, dachten nach und stellten fest, daß etwas sehr merkwürdiges vorgefallen sein mußte.

Die einzige Erklärung, die blieb, schien diese zu sein: Das Imperium hatte ein geheimes Staatsorchester gegründet, das vor leeren Häusern ein sehr anspruchsvolles Programm spielte, für das man nirgendwo Karten kaufen konnte.

[Neues aus dem Imperium]

Link | 26. Mai 2007, 1 Uhr 03


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