Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Wie man ja immer das Falsche sagt, sogar, wenn so gar nichts auf dem Spiel steht; man wird im Morgengrauen unerwartet von hinten umarmt und sagt amüsiert: Ich dachte, du schläfst schon, statt zu sagen: Sag mal, willst du festgehalten werden? Kann es sein, daß dich einer, testweise, ernsthaft festhalten soll, und nur das? und kurz herauszwingen aus der Ruhelosigkeit, für immer, bis morgen? — Jedenfalls war mir wohl verziehen worden.

Küss mich, hatte sie strahlend gesagt in der Dessertschlange, und als ich sie nur, warmherzig belustigt, ansah: War’n Witz. Aber gleich: Oder wer weiß!, worauf ich lachte und sie sich umsah und verschwand, und ich dachte: Schade, und: niedlich. Sie kennt grauschläfige Dirigenten, die ihr bis zum Blödsinn verfallen sind und Musiker, die ehrgeizig sind und gierig — wie soll sie da ahnen, mit wem sie es hier zu tun hat.

(Ob ich mal über sie schriebe?: Bei Tisch. Klar, sagte ich, Du musst Dich nur ein wenig in mein Leben drängen. — Nun, einen von mir so unverschämt abgelehnten Kuß will ich wohl gelten lassen.)

[fluffige Wölkchen der Eitelkeit]

Link | 14. August 2007, 0 Uhr 58


In dieser leichten, dämmrigen Kühle ist alles eingeschlossen; hart trete ich auf, ob ich Kies auf Pflaster knirschen höre.

[Die fraktale Natur des Glücks: ein November, lang wie die Küste von… Unsinn, wie die Kante der Kochkurve.]

Link | 13. August 2007, 23 Uhr 51


[the blush came easily / to your face]

Link | 13. August 2007, 19 Uhr 30


Jedenfalls fielen mir dauernd wunderbare Menschen um den Hals, die nichtmal sehr betrunken waren.

Das war eine Hochzeit. Kein verschämter unsicherer Scheiß in der Hoffnung, daß es keiner merkt, kein verdruckstes linkisches Geeier zur Sicherheit, damit dann die Scheidung nicht so weh tut, keine lebensplanerisch bedingte Notschlachtung vor allem. Eine Hochzeit. So, wir heiraten jetzt, weil wir es sind. Und dann drauf, mit allem was drin ist.

Das gibt dann eins von den Festen, die man an einer Hand abzählen kann. Einen Beweis, daß es sich lohnt, zu den Guten zu gehören. Ein Fest, an dem so gar nichts falsch ist. Eine Nacht, daß, hätten wir uns mit 16 durch ein Zeitguckloch so sehen können und hätten wir glauben können, daß diese Leute da wir sein würden, der Größenwahn und der Stolz uns auf der Stelle umgebracht hätten. Verdammt, habt Ihr alle gut ausgesehen. Und heilige, war das vielleicht nicht langweilig. Und Teufel, habt Ihr Euch alle verdient.

Eine Hochzeit braucht nichts so sehr wie die Abwesenheit von Heuchelei. Obwohl Viel Lärm um Nichts auf der Einladung stand, fiel mir das, man hat den Shakespeare ja doch nicht parat, so richtig erst beim Feuerwerk auf, zu dem nämlich Heuchlerhochzeitsmusik gespielt wurde, Robert Miles, Music, solches Zeug, was aber egal war, weil uns der zwar nicht ganz geschmackssichere, aber furchtlose Feuerwerker direkt hinein in den Ascheregen und die Knallerei stellte und Feuerwerk ja ohnehin immer funktioniert. Da fiel es mir auf: Es heuchelt hier keiner. Die Brautleute heucheln nicht, die Freunde heucheln nicht und beide Familien bestehen aus Leuten ohne Angst, die grade sprechen wie die Pflöcke.

Und dann natürlich Mirz Brün, die die gesetzte, bürgerlich-gekonnte Sommerfesthochzeit nach Mitternacht für eine halbe Stunde so dermaßen laut und brutal und knirschend und wenigbittig und geil auseinandergepunkt haben, daß es eine Party für die Harten war hinterher. Da weiß man dann auch, wozu man eigentlich diesen Anzug trägt.

Und irgendwann, im Folgetaggrau vom See her, Drüben auf dem Hügel mitsingen und für 2:13 der traurigste und größte Depp unter den Lebenden sein, und alles.

Simon, Alex, ich nehme nicht an, daß Ihr in den nächsten Wochen aus dem Zittern und der Halbtrance herauskommt. Gut hinfühlen, das seid Ihr.

Und danke.

Link | 11. August 2007, 17 Uhr 23


Ich bin zerstreut und schwadroniere, im Geist folge ich schimmernden Flüssen zur Quelle, der Geruch des Regens in einer fremden Stadt drängt sich herein; dann schlafe ich, und während morgens die Arbeiter mit Blechkellen an der Außenwand kratzen, träume ich einen Katalog der schönen Gefühle (ein leicht irritierender, wie ich zugebe, aber treffender Ausdruck). Stundenlang versuche ich, halbwach, die undurchsichtige Nummer 48 wieder aufzurufen, was nicht gelingen will. Um 11 gebe ich auf, trotzdem erwache ich glücklich und sommerstumpf, hinein in noch einen Tag.

Link | 8. August 2007, 10 Uhr 28


Die heimtückischen Spuren abgelegter Gewohnheiten; verblasste Ornamentik des Beiläufigen; die enttäuschende Unverbindlichkeit lange nicht benutzter Gegenstände.

Link | 8. August 2007, 0 Uhr 51


die wirre Wärme eines langflorigen synthetischen Teppichs in der Sonne, manifest im Glitzern einzelner farbloser Faserspitzen,

[jetzt ist es aber genug]

Link | 3. August 2007, 0 Uhr 32


unbedingt ein Haus mit Läden vor den Fenstern

*

und dann der spezielle Geschmack gekochter Eier, an denen man aus einem kleinen Streuer knapp vorbeigesalzt hat, hinein in die breiten moosbepackt messerverkerbten Maserklüfte einer seit Jahrzehnten unverrückbar eingegrabenen grobeichernen Bank-Tisch-Bank-Garnitur am Waldrand

*

eine Mauligkeit ist heute, ich weiß auch nicht

Link | 3. August 2007, 0 Uhr 00 | Kommentare (1)


Das kann ja passieren. Du gehst morgens los und begehst eine Dummheit bei der Auswahl der Jacke, also: Es ist zum Beispiel ein Jahrhundertwinter und du musst die Milchkannen zurückbringen, und du wählst einen Seidenblouson, dann bist du gekniffen, so etwas kann übel ausgehen. Auch wenn kein Jahrhundertwinter ist, muß man aufpassen, man weiß ja nicht, was den Tag über passiert, man kann aber vorbereitet sein, wenn man den Wetterbericht liest und die Nachrichten verfolgt. Nur, wer bringt das fertig? Besser ist, man hat überhaupt nur eine Jacke, die fast immer passt, außer wenn es ganz extrem wird, und dann stirbt man eben. Aber nicht, weil man eine Dummheit begangen hat morgens, und grade heute nicht die Kevlarweste genommen hat, obwohl man es hätte wissen können, sondern weil man ja nicht auf alles vorbereitet sein kann, in der Zivilisation schon gar nicht, verstehen Sie, was ich meine?

[nicht daß Sie denken ich werd politisch, ich rede nur vom Dummheitenmachen]

Link | 2. August 2007, 23 Uhr 33


Mit dem Konsum und mir ist es immer dasselbe. Ohne Routine oder Gesellschaft bringe ich ihn nicht zuwege, selbst wenn es nötig wäre nicht: Mir fällt ein, du, du hast nichts zu essen im Hause, du solltest etwas einkaufen, im schönen hellen Kaufhaus am Weg, das jetzt so lange aufhat, da gehst du hinein und kaufst einen schönen Kanten Brot und einen Käse. Und dann gehe ich hinein in das Kaufhaus, und ich erlaube mir dabei den Gedanken, daß ich jederzeit auch wieder hinausgehen kann, ohne mir ein Brot gekauft zu haben, und das ist der Moment, von dem an ich verloren habe, weil ich dann sehr entspannt bin und mich die ganze Zeit nur darauf freue, wieder hinauszugehen aus dem Kaufhaus. Da macht es mir gar nichts mehr, daß ich durch die Lederwarenabteilung meinen Weg nehmen muß und an den Füllern vorbei, um in die Lebensmittelabteilung zu kommen. Weil ich ja doch nichts kaufen muß, da kann ich getrost über die Geldbörsen nachdenken.

In der Lebensmittelabteilung an der Käsetheke wird jemand bedient, das passt mir, dann muß ich mich nicht bedienen lassen von so einem Menschen in einer grünen Schürze, die er täglich wechselt, mit einem Käseemblem. Mir fällt ein, daß ich gar nicht weiß, was für einen Käse ich haben will, man zeigt ja doch nicht aufs Geratewohl in den Käsehaufen hinein und sagt: Diesen Käse da. Das müsste man systematisch machen, denke ich, sich einmal durch den ganzen Käse durchessen und sich auch die Namen merken. Bis dahin, bis also heraus ist, welchen Käse ich eigentlich mag, kann ich auch einen Industriekäsedreck essen, der schmeckt nach gar nichts und ist also nicht verloren an mich und man muß auch gar nicht wissen, wie man ihn ausspricht. Das Industriekäseregal finde ich nicht, ich gehe bei den Joghurts herum und hoffe schon, sie haben hier keinen Industriekäse, die sind hier zu Snob für ein Industriekäseregal, aber dann finde ich ihn doch, den Plastikkäse aus den Großmolkereien, da liegt er und leuchtet in allen Farben mit Kühen drauf. Eine unerträglich deprimierende Vorstellung, eine einzelne Packung Industriekäse auf das Warenförderband zu legen, und dann wird die leuchtende Plaste von dem schwarzen Band auf die Kassiererinnenhände zugefördert, grapscht das Ding, was blinkt, es piept, zweineunundvierzig, bitte, Kundenkarte, das darf nicht passieren. Gut, daß ich mir schon erlaubt habe, das Kaufhaus ohne Kauf zu verlassen, was allerdings bedeutet, daß ich heute Abend nichts zu Essen haben werde. Das macht mir aber nichts, ich bin’s ja nur, ich bin anspruchslos.

Beim Rückweg durch die Lederwarenabteilung denke ich, daß das ja alles gefälschte Waren sind, die ja nur so tun als seien sie Geldbörsen zum Beispiel. Die kauft ja keiner, weil er Geld drin aufheben will, die werden ja als Geschenke gekauft, oder als Belohnungen, oder als Abgrenzungen, diese Geldbörsenmengen täuschen nur darüber hinweg, daß in dem ganzen gewaltigen Geschäft keine einzige Geldbörse zum Verkauf steht. Das müsste man einmal abräumen, mit einer großen gelben Planierraupe, zum einen Portal führe die Planierraupe hinein und zum anderen hinaus, wo es dann einen großen Haufen Geldbörsen, Füller und Filofaxe gäbe direkt vor dem Brunnen. Und dann könnte man das Kaufhaus neu einrichten, es wären drei Sockel darinnen, auf einem läge ein Brot mit einer dicken duftigen Kruste (Herrschaftszeiten, so ein Brot, das wäre was), auf einem jeden Tag ein anderer Käse und auf einem ein Schinken, den Rest könnte man ja leer lassen, das gäbe auch eine interessante Akustik. Und dann hätte jeder Kunde ein Zeitfenster, genau um zehn Uhr vierzig würde ich in das Geschäft hineingehen und „Das Brot und den Käse“ sagen. Keiner würde um mich herumwuseln, weil es ja mein Zeitfenster wäre, und sich entscheiden. Das ist das Fürchterlichste an Kaufhäusern, immer wuseln Menschen um einen herum und entscheiden sich, Menschen, die sonst zu keiner Entscheidung fähig sind, die überhaupt nicht eins vom anderen auch nur unterscheiden können, weil sie ihre ganzen Entscheidungsressourcen in den Kaufhäusern verbraucht haben, während sie um mich herumgewuselt sind.

Da gehe ich also ohne mein Brot und meinen Käse wieder auf den Platz hinaus und weiß nicht warum. Ich kaufe ja gerne ein, wenn ich muß, wenn mich jemand schickt. Mit den Verkäufern scherze ich und wähle den besten Saft, aber wenn mich niemand schickt, dann ist das so: Du hast ja da die Wahl zwischen einem Dreck und Genuß, und der Dreck ist ekelhaft und um das Geniessen kannst du dich doch auch noch kümmern, wenn sich das lohnt, wenn du mal ein gutes Leben führst und nicht dauernd arbeitest, mit einer Wohnung, in der es eine Kiste gibt für das Brot oder jemanden, der das Brot dann aufisst, wenn du es nicht zwingst. Und so kaufe ich gar nichts und gehe mit meinem ganzen Geld wieder hinaus auf den Platz, so ist das immer. Daß einer wie ich grade in den dicksten postmodernen Individualisten-Kapitalismus hineingeboren ist, das ist schon ein Hohn.

[Das nur nebenbei; an einem schläfrigen, erschöpften, aber grantigen Abend; Flatline zur Stelle, wenn Sie wissen, was ich meine, Sie alter Cyberpunker]

Link | 2. August 2007, 20 Uhr 35


« Vorherige Seite