Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Lesend liege ich inmitten meiner abgedunkelten Verlotterung, um die über Nacht gelb gewordenen Blätter nicht anzusehen, die ich vor dem Fenster weiß.

Ich brauche Räucherstäbchen und eine kleine, leichte Videokamera.

Wenn alle sitzen und ein kurzer Moment der Konzentration vorübergeht (die Gläser klar, unberührt und durchleuchtet), dann ein leichthin gesagt Los, greift zu, und es vollzieht sich.

Das Reinigende eines stillen Morgens ohne elektrisches Licht; probieren Sie einmal ein Glas Milch danach.

Warum erlaubt man sich die Antirationalität einer übersteigerten, archetypisierenden Sprache der Ahnung? — doch nur im Aufstand gegen eine geschwätzige Vernunft, die wöchentlich ein Internet-Mem und Dinge wie das Alexa hervorzubringen für ihr Geschäft hält.

Link | 29. September 2007, 15 Uhr 32


Goncourt wieder.
Unglaublich.

Link | 26. September 2007, 21 Uhr 20 | Kommentare (1)


Paranoide Kommunikation ist minimal, weil sie Kommunikation an der äußersten Grenze zur Nichtkommunikation ist.

Technik des Raunens auf der Senderseite: Zeichen, die kaum zu deuten sind und nur für wenige Eingeweihte überhaupt kontextualisierbar; alle anderen müssen sich auf die Bewegung im Resonanzboden des kollektiven Unbewussten konzentrieren, auf die Geschichte des Sprechers und die Durchdringung der Zeichensphären der Sprecher im Umfeld und den Umfeld-Umfeldern. Themen und Etyms, die aufsteigen und sich verfestigen. Erbe, Spuren einer Sprache der Faszination.

Wahnhafte Deutung beim Empfänger: Ich bin immer gemeint, nichts entgeht mir. Die Gegenstände auf Fotos sind Andeutungen, die nur ich lesen kann und die für mich platziert wurden. Ein Nebensatz zwinkert mir zu, für die anderen ist er bloß rhythmische Notwendigkeit. Dies Wort da ist für mich — und das ist sehr wohl möglich, denn es ist bekannt, daß ich im Publikum bin. Weblogspezifisch sind heimliche Zurücknahmen und Überschreibungen: Die Fälschung der Vergangenheit, vielleicht nur als Korrektur im Sinne der Sprachästhetik oder als Zurücknahme von zu viel Was-es-auch-gewesen-sein-mag. Die wahnhafte Deutung sieht aber neben der Zurücknahme auch das Aufblitzen, die Möglichkeit einer bewussten Entschleierung, die nicht lang sichtbar bleiben durfte.

Und so ziehen Gespenster durch die Kanäle: Kommunikationen, die nie gesendet, aber gedeutet werden, und solche, die — traurige Magie des Broadcasting — sich in die reine nächtliche Leere versenden. Nichts aber kommt dem heißen Erschauern gleich beim Gedanken an die Möglichkeit einer Begegnung zweier solcher Gespenster, die sich, in einer fernen Krypta, bei der Hand nehmen und ein Stück Wegs gemeinsam huschen, schemenhaft weiterhin, aber mit hell brennenden Handflächen.

[Das ist die Wun-derwelt der Technik, faszinierend doch sonder-bar]

Link | 26. September 2007, 12 Uhr 56


die Wölfe
die Wölfe

Link | 25. September 2007, 11 Uhr 13


dicht über den Boden kriecht er hin
haucht erdig raschelnd ins halbdunkel
öl und briketts und staub auf den glühbirnen
und kies knirscht in abwesenheit

[diese Verschwendung]

Link | 24. September 2007, 21 Uhr 33


Schließlich anderthalb Tage Fehmarn; genug Zeit für gründliches Hören der Western Lands mit Blick auf eine schimmernde Ostsee und die Yachten, die nach Burg hin aufkreuzen. Zum Lesen hatte ich den Poe mit. Einmal ging direkt über dem Falz (Insel-Taschenbuch) ein Boot mit schlagender Fock durch den Wind; viel zu lasch, viel zu lahm, wie ich fand; dann fiel mir ein, daß ich nichts vom Segeln verstehe.

Die Hinfahrt (sah Eisenbahn um Eisenbahn) verlief unspürbar im ICE bis Hamburg; dann aber ein transparenter Trancezustand, in den ich dort am Bahnhof verfiel. Lärm und Enge überrollten mich, als hätte ich die letzten Jahre auf dem Land verbracht. Bedrohlich rotgesichtige Gestalten, die jäh die Richtung änderten und mit gebleckten Gebissen auf mich losstürmten, schrill aufgepeitscht von einer alarmistischen Frauenlautsprecherstimme. Über den Schornsteinen lauernder Locks kochte die Luft in einem sehr sinistren, trüben Hallenlicht. DV hätte man haben müssen.

then she dances / skirt swaying in the half-light / she dances / white blossom in the black sky

Die Dunkelheit hatte beträchtlich zugenommen und wurde nur durch das Leuchten des Wassers gemildert, das von dem weißen Vorhang vor unseren Augen zurückgeworfen wurde. Viele gigantische und farblose Vögel kamen jetzt ständig von jenseits des Schleiers angeflogen und schrien ihr ewiges Tekeli-li!, während sie unseren Blicken entschwanden.

[polar haze]

Link | 24. September 2007, 1 Uhr 14


Hiddensee. Spurensuche: Orkan im Haar.

⓵ Alfred Kubin, Der Mensch.

⓶ Ernst Jünger 1921, Zu Kubins Bild: Der Mensch

Traum, hirndurchglüht, wird Vision, Krystall,
Urfrage Sein zu Wahnsinn, Katarakt:
Aufrechter Mensch; geschleudert in das All,
Orkan im Haar, bleich, einsam, nackt.

Ausschnitt endloser Kurve dämmert Welt,
Absturz in Dunkel, tranzendenter Schwung,
Aufschrei das Leben, jäh aus Nichts geschnellt,
Ein Rampenlicht zu irrem Zirkussprung.

⓷ Turbund Sturmwerk 1997, Der letzte Sieger ist der Tod. 7″. A-Seite: Orkan im Haar.

⓸ Privatfoto und Bildunterschrift. Verschollen.

⓹ Hiddensee, wo ich die Landschaft von der Fotographie (die ich Ihnen nicht zeigen kann) wiedererkenne, auch den Wind und die Stimmung, die genaue Stelle aber nicht finde; ich habe kaum Zeit und bin etwas unter Beobachtung. Ich sollte alleine wiederkommen irgendwann und über Nacht bleiben, ohne die Freunde und die angetrunkenen, rau ihren Verfall beunkenden Gruppen von Alten, die die Insel tagsüber bevölkern, ich sollte wiederkommen aus keinem anderen Grund, als um die Stelle zu finden und sie abzubilden.

Link | 16. September 2007, 19 Uhr 11 | Kommentare (1)


Mit nasser Hose (wegen Lenkdrachenrettung) am Strand von Prora flach auf dem Rücken; Sandsirren im böigen Wüstenwind; Wolken, Licht: Ah, ich ahne was.

Link | 16. September 2007, 4 Uhr 19


Ich reise, ich tauche auf, ich verschwinde, ich hinterlasse nur Spuren, die von einer gedankenlosen Hand mit einer einzigen Bewegung getilgt werden können: Eine nicht ganz gerade Falte im Bettzeug, ein nicht ganz heruntergebranntes Teelicht. Alle scheinen darauf zu warten, daß etwas passiert, wenn ich ankomme, aber es passiert nichts, ich bin für ein paar Tage da und rede und albere herum, und dann bin ich weg. Wo ich eben noch saß, sitzt niemand mehr, ohnehin ist etwas unklar, ob man nicht durch mich hätte hindurchgreifen können, während ich noch da saß, nach einem Becher Tee zum Beispiel. 2007.

Link | 16. September 2007, 3 Uhr 48


Draußen in Vorpommern ducken sich die Büsche aus dem Herbstwind unter einen stahlgrauen Himmel, machtlos kämpft mein iPod gegen das Donnern des Zuges, als dieser in einen kleinen Wald einbricht, ihn durchschüttelt und durchschneidet und wieder hinausstürmt auf die Ebene, wo die schon entfärbten Gräser weichen, sich in Wellen legen und niederwerfen.

Das rote Uniform-Halsband der dicken Eisenbahnerin am Bahnhof von Greifswald; Deutschland, in den unbeobachteten Momenten nur ein kühler Hauch über Europa.

Link | 16. September 2007, 3 Uhr 30


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