Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Vom Umgang mit der Leere: Mit prometheischem Hedonismus, einer Vergnügungsbereitschaft aus Trotz und Stolz (nicht aus Langeweile, niemals aus Langerweile!). Es gilt nicht, ein leeres Leben zu füllen, es gilt, der Leere mit überlegenem Lächeln zu begegnen als jemand, der leiden kann.

Der Tod gefährdet uns ja nicht als jederzeit drohendes Ende unserer Vergnügungen (warum sollten wir um etwas besorgt sein, das nur die Tiefen unserer Gleichgültigkeit auslotet?), er ist als Verfall und Vergessen und Versagen und Enttäuschung immer anwesend, als Verzweiflung an unserem Stolz, stärker zu sein als unsere gefräßigen Selbste und Gleichgültigkeiten.

Man lebt als Leser: Das bedeutet nichts weiter, als das Bild des Menschen in unwahrscheinlichsten Konfigurationen von Schönheit zu vervielfältigen. Sieh an. Noch eine Art, schön zu sein auf dem Felsen. Nimm das, Zeus.

[Nachtrag // großen Worten mit großen Worten begegnen // sich nicht mit Greisen und Helden verwechseln]

Link | 20. Juli 2008, 11 Uhr 59


Katalog der Tatsachen: Wer zu viel trinkt, redet zu viel // ein evil twin ist eben ein evil twin // die Infrastruktur ist grauenvoll intakt

[von meiner neuen Warte aus vergesse ich gern die Verzweiflungen da draußen, von hier aus sehe ich hinaus nach Berlin, diese Räume sind exterritorial, kühler, ruhiger, leerer, qualfreier, Hallräume vergangener Empfindung; wenn ich hier sitze und die in dichten Schüben heranrollende Zeit begeistert entgegennehme, immer dem Herbst entgegen, dann beruhigt mich, daß nichts geschieht; draußen in Berlin, wo die Menschen sind, funktioniert diese Ruhe nicht, sie wird zu einer Geste, die in der Verausgabung des Sprechens nicht glaubwürdig wirkt; ein weiteres schadhaftes Leben, das seine Schadhaftigkeit leugnet — jedesmal erschrecke ich vor dem Spiegel eines Gesprächs; in dieser Stadt wird alles Pose — das ist zu überwinden, das wäre die Aufgabe: Sprechen ohne Pose, nur Verbindlichkeit und Wärme dürfen bleiben in der Sprache. // Und das ist richtig: Das ist eine Frage des Vertrauens.]

Link | 19. Juli 2008, 4 Uhr 43


Heute morgen, ich frühstückte gerade ein duftendes Toastbrot mit Honig, klingelte es an der Tür. Als ich meinen frühen Gast aber hereinbitten wollte, rauschte nur Verkehr durch den Hörer.

Jedoch: Wie ich die Wohnung schließlich verließ, fand ich sie einem Herrn Slusarek zugewidmet, oder seinen Namen mir, denn auf der Klingel neben meiner Wohnungstür stand nun in glasklarer Arial: Slusarek.

Mit der Sicherheit jahrelanger Übung erkannte ich meinen neuen Namen sofort als nur leicht verzerrtes Anagramm von Karussell und nickte meinen unsichtbaren Bespukern augurisch lächelnden Respekt.

[Diese Mietpartei ist die Vorhut der jungen städtischen Arbeiterklasse]

Link | 15. Juli 2008, 23 Uhr 11


Ein kalter, toter, dunkler Ort (ein winterlicher Nachtwald, ein verlassenes Schwimmbad, eine Brache).

Link | 15. Juli 2008, 9 Uhr 04


So that when you left, Yvonne, I went to Oaxaca. There is no sadder world. Shall I tell you, Yvonne, of the terrible journey there through the desert over the narrow gauge railway on the rack of a third-class carriage bench, the child whose life its mother and I saved by rubbing its belly with tequila out of my bottle, or of how, when I went to my room in the hotel where we once were happy, the noise of slaughtering below in the kitchen drove me out into the glare of the street, and later, that night, there was a vulture sitting in the washbasin?

No se puede vivir sin amar: amar; Einzige Möglichkeit, der Hingabe Dauer zu geben, scheint die Dysfunktionalität der Situation zu sein. Und Yvonne schreibt ihm ja Briefe (dem Konsul? Lowry? Einem noch allgemeineren Adressaten?), die ihn nicht erreichen

God, how pointless and empty the world is! Days filled with cheap and tarnished moments succeed each other, restless and haunted nights follow in bitter routine: the sun shines without brightness, and the moon rises without light. My heart has the taste of ashes, and my throat is tight and weary with weeping. What is a lost soul? It is one that has turned from its true path and is groping in the darkness of remembered ways —

[Prozession der großen Worte // und am Ende ist unsere Sünde, die großen Worte nicht zu füllen, in denen wir unsere sündhaften Sehnsüchte formulieren — Under the Volcano]

Link | 13. Juli 2008, 15 Uhr 34 | Kommentare (1)


Sie erscheinen in einer Stadt voller Menschen, deren Sprache Sie nicht verstehen; auf den Hügeln strahlen Kuppeln aus Glas über den Palästen; auf den Straßen zum Wasser drängen sich die Händler. In den Cafés unterhalten sich schwarz gekleidete Gestalten, in den großen Wohnungen sehen Sie abends die Silhouetten der Gäste sich bewegen — es wird nachgedacht in dieser Stadt, es werden Gedanken gedacht, die Sie nicht kennen.

Betrachten Sie Ihren historischen Ort. Machen Sie sich klar, was Sie können und wie lang Ihr Arm ist. Sie können ein Flugzeug besteigen, machen Sie sich das klar. Betrachten Sie Ihre Wohnung, bemerken Sie, wie unglaublich sauber und neu alles ist. Denken Sie an einen Tarkovskij-Film, justieren Sie also ihre Selbstverständlichkeiten. Bemerken Sie die Weißheit der Wände um Sie herum: Das ist die Stunde, in der Sie zu Hause sind.

(Ich fordere Sie nicht auf, Ihre Privilegiertheit wahrzunehmen oder Ihren Reichtum, sondern die Spezifität Ihrer Gegenwart — Teil einer Technozivilisation, eines sich totalisierenden Marktes am Vorabend gewaltiger Verwerfungen; höchstwahrscheinlich befreit von unmittelbarer materieller Not und körperlicher Arbeit –)

Es geht um Ihre Intelligenz, eine knappe Ressource. Um Sie herum sind aufgestellt die Apparate der Disziplinierung, Ihr Körper ist Mittel der Kommunikation von Belohnungen für die Anstrengungen Ihres Geistes. Sie sind belohnbar, das macht Sie wertvoll.

Diese Situation hat kein Außen, sie können nirgendwohin fliehen vor Ihrer Belohnbarkeit (Ihrer Abhängigkeit davon, daß es Ihnen gut gehe), Sie können nicht fliehen vor Ihrem Begehren und den Intensitäten, die Sie brauchen: Sie sind Mensch in genau den Umständen, in denen Sie sind (beachten Sie die Weißheit der Wände), Sie sind Teil der Struktur, die Sie funktionalisiert, die aus Ihrer Lebensgier besteht und aus der aller, die lebten.

Sehen Sie die Paläste auf den Hügeln und das Licht in den gläsernen Kuppeln, Sehen Sie die Türen zu den Räumen und Gängen, in denen aufregende Dinge gedacht werden, unflätige Jünglinge Dienstmädchen beschlafen in verborgenen Ecken, Allianzen justiert werden bei einem Glas Portwein, Staudämme geplant werden und Bomben, die sie vernichten sollen — und denken Sie sich all das transponiert in ein Bilderrepertoire der Gegenwart, das heute noch nichts auszulösen vermöchte in uns. Genießen Sie, was Ihnen bleibt, Ihre Freiheit zu entscheiden, wie Sie dienen, und ihre Aufregung.

Link | 11. Juli 2008, 20 Uhr 17 | Kommentare (1)


Der anti-bürgerliche Einwand:

You buy furniture. You tell yourself this is the last sofa I will ever need in my life. Buy the sofa, then for a couple of years you’re satisfied that no matter what goes wrong, at least you’ve got your sofa issue handled. Then the right set of dishes. Then the perfect bed. The drapes. The rug. Then you’re trapped in your lovely nest, and the things you used to own, now they own you.

I am Tyler Durdens willingness to admit that his dilapidated house in the toxic waste part of town is beautiful, that he’s fucking Marla Singer and that he wouldn’t if he still lived in his ridiculous condo.

Als ginge es um Wohlstand.

[quantum leap III]

Link | 6. Juli 2008, 14 Uhr 20 | Kommentare (1)


Der Schlüssel zu einem elementaren Respekt vor der Materie ist Routine: Unflat braucht die permanente Illusion von Ausnahmezustand. Routine legt fest: Das gilt es auszuhalten. Sie findet aber im Raum des Gestaltbaren statt: Das gilt es ebenfalls auszuhalten. Andere haben nicht die Möglichkeit, sie zu entwickeln: Das ist vielleicht am schwersten auszuhalten.

Noch fehlen mir Weingläser. Die sind zerbrochen nach und nach und nie ersetzt worden, aber es ist eine Frage der Zeit. Ich brauche Weingläser, um Euch herzulocken. Wir müssen reden.

[quantum leap II]

Link | 5. Juli 2008, 23 Uhr 52 | Kommentare (1)


In meiner Erinnerung ist ein Jahr, in dem ich nichts tat als in der nach Laub riechenden U2 zum KDW zu fahren, durch die Museen zu streunen und in französischen Restaurants zu essen, in einem verblassenden Duft von Räucherkerzen unter den Augen riesenhafter indonesischer Liebender Klimmzüge zu machen, mit einem Hammer Eis zu zerkleinern, in großen Töpfen Dampfnudeln zu kochen oder alten Parmesan voller Salzkristalle aus der Salumeria mitzubringen, albern Schach auf dem Balkon zu spielen im Schein der Teelichter, und lange Sommernächte lang auf dem Bett zu liegen, Seidenvorhänge bändigend, wartend.

Die Implosion von all dem hat mich hart gemacht, härter als ich jemals sein wollte. Vor allem aber habe ich eins gelernt: Das Materielle zu achten. Wenn ich heute einen Rat geben müsste, dann wäre es dieser: Achtet die Materie. Keine Hast. Und bringt niemals die Frauen zum Weinen.

[quantum leap I]

Link | 5. Juli 2008, 23 Uhr 14


Ah! Es ist online: Joscha Bach für Vanity Fair.

Link | 5. Juli 2008, 21 Uhr 17


« Vorherige SeiteNächste Seite »