Vigilien

is there any any? nowhere known some?

213-851-8458

Link | 19. September 2009, 23 Uhr 33 | Kommentare (1)


stumpfer Morgen
eine dickliche Taube im Gras
pickt

Link | 14. September 2009, 8 Uhr 53 | Kommentare (2)


Um noch einmal darauf zurückzukommen: Dieses doch recht jämmerliche Internet-Manifest, das als Manifest schon deswegen versagt, weil es nicht formuliert, was alle erleben, nur begrifflich noch nicht festgemacht haben, sondern lediglich die Position der Autoren selbst befestigt, ist am komischsten, wo es unbewusst und automatisch spricht, im elften Paragraphen: Es waren einst Institutionen wie die Kirche, die der Macht den Vorrang vor individueller Informiertheit gaben — das ist die Propaganda der Aufklärung, die da immer noch tönt. Es spielt keine Rolle, ob sie sachlich richtig ist, interessant ist, daß der aufklärerische Fortschrittsbegriff immer noch das Neue rechtfertigen soll.

Und das lange, nachdem der Mensch der Aufklärung selbst demontiert ist. Seine Propagandahülle spricht fort im Netz, ohne uns. Auch seine Vorgänger, Renaissance-Menschen oder feudale Menschen, sind längst unverstandene Figuren — die Propaganda richtet sich gegen niemanden mehr, sie ist reine Fortschrittsplatitüde.

Man muß sich beispielsweise klar machen, daß niemand mehr verhandelt, ob Großzügigkeit oder Beherrschung die vornehmste der Tugenden sei — die Frage ist tatsächlich (ablesbar am gelegentlichen Widerspruch), ob es vielleicht Gier sein könnte. Nichts aus dem alten Europa kann geblieben sein.
Und dann ist die Frage auch nicht mehr, ob das Recht oder die Religion oder die Kunst oder die Nation die rechtfertigende Autorität hinter dem Handeln der Menschen sein sollte, sondern (ablesbar am gelegentlichen Widerspruch), ob es das Sicherheitsinteresse oder die Wirtschaft sein dürfen — offensichtliche Non-Entitäten und Chimären. Nichts vom Geist der Aufklärung kann geblieben sein. Nur ihre Rhetorik drischt müde weiter auf ihre zerfledderten Strohmänner ein.

Wenn in einer freien Gesellschaft — und wirklich, dies ist immer noch eine — der Fortschritt mit einem Mehr an Freiheit propagiert wird, ist Vorsicht geboten: Wovon befreit uns dieser Fortschritt, und sind wir uns sicher, daß das, wovon wir da befreit werden, verzichtbar ist?

Konkret: Information ist im Netz ungefiltert zu beschaffen. Das ist gut, das ist groß, und jedem Versuch, diese Entwicklung zurückzunehmen, ist mit erbittertem Widerstand zu begegnen. Nur die Kräfte der Finsternis (ich kann auch achtzehntes Jahrhundert) würden so etwas wollen, das ist offensichtlich. Ich für meinen Teil bin allerdings ganz und gar nicht sicher, ob ich mich vom Journalismus und seinen Strukturen befreien lassen will. Information ist nicht Journalismus. Information bedeutet nichts, sie ist nur da, da kann man nur reinstarren.

Ja, sicher: Ich kann heute Ria Novosti lesen und meine Zeitung fragen: Warum schweigt ihr zu diesem Thema, das irgendwelchen Kräften in Russland offenbar wichtig ist? Sagt es mir! Das ist die Wirkung von Information. Das ist gut.

Ich kann aber nicht Ria Novosti lesen und mir die Welt daraus erschließen. Ria Novosti wird von Menschen gemacht, mit denen ich kulturell nichts teile, und deren Motive ich entweder nicht durchschaue oder viel zu gut. Meine Zeitung hat eine andere Rolle: Sie wird in meinem Soziotop produziert. Da denkt meine Abteilung der Kultur, da wird Sinn aus der Information produziert von Leuten, die immerhin so anschlußfähig sind, daß ich mich über sie ärgern kann, wenn sie falsch denken. Ich brauche das, allein komme ich nicht klar, ich irre mich dauernd, jemand muß mich korrigieren. Die Befreier tun immer wieder so, als seien Zeitungen von bösen Mächten kontrollierte Einweg-Kanäle gewesen. Die hat es sicher gegeben, meist erwies sich das Denken aber doch als recht flexibel, und sogar in den übelsten Springerblättern blieb es nicht vollständig aus. Die Primärfunktion der Zeitung war nie, Information zu filtern. Dafür gehörte immer zu ihren wichtigsten Funktionen: Einen für ein bestimmtes Milieu gültigen Standard des Nachdenkens über die Welt abzubilden. Nicht das, was jeder denkt — das was jeder denken könnte, wenn er sich Mühe geben würde und den anderen zuhören. Das ist der Anspruch.

Wie kaputt muß das Verständnis von Öffentlichkeit und Diskurs sein, wenn dagegen mit dem Schwert der Freiheit im Sinne des Fortschritts vorgegangen wird? Wir sollten das Netz verwenden, um die Zeitungen zu reparieren, weil sie inzwischen, aus Gründen, die vermutlich mit Bildung zu tun haben, zu einem guten Teil von Halfwits, besinnungslosen Positionslaberern und nachlässigen Schwachmaten, die immer was mit Medien machen wollten, übernommen sind — anstatt das Kapital darüber zu belehren, daß Tradition kein Geschäftsmodell sei. Das Kapital kommt sicher ganz gut ohne die Ratschäge seiner Tagelöhner klar.

[Altkanzlercontent Galore]

Link | 12. September 2009, 20 Uhr 55 | Kommentare (1)


Bei SpOn? Das hier? Teufel, es muß Perestroika sein.

[Vigilien — Ihre stolze Avantgarde der Ernsthaftigkeit seit 2004]

Link | 12. September 2009, 15 Uhr 46 | Kommentare (1)


Das Haus der Berliner Festspiele ist ein fantastischer Ort. Wie in jedem Fall guter Architektur ist das Haus rührend, weil da jemand an die Menschen glaubt. Denn daß es sich lohnt, muß glauben, wer ein solches Atrium baut, einen mit dunklem Metall aus dem Garten geschnittenen Raum, darin Schiefer, niedere Hocker und Licht, und dann ein Theater dahinter, eine Halle, die den Saal einfasst mit einer Atmosphäre der Spannung, nicht zuletzt erzeugt aus in die Perspektive der Glasfront gesetzten Strahlern unter der hohen Decke: diesem Halbdunkel.

Augenmaß: Vielleicht die verlorene Qualität.

Man müsste (man müsste) die Kräfte bündeln, nicht mehr zulassen, daß alles an verschiedenen Orten passiert und nichts miteinander zu tun hat. Man muß Gruppen von Leuten schaffen, die verschiedene Sachen machen, aber klug sind. Mir schwebt eine Planwirtschaft des Gefühls vor — es ist nicht schwer zu machen, nur ein bisschen freiräumen vorher —

Link | 12. September 2009, 12 Uhr 51 | Kommentare (1)


Manche sind reizend und gescheit: Sie haben ein Programm. Was sie tun, folgt einem großen Plan (den sie selten kennen).

Link | 9. September 2009, 22 Uhr 07


An einem solchen Tag gehe ich spazieren. Ganz gleich, was ich tue: Ich gehe auf holprigen Wegen, am Waldrand entlang, und in der Ferne steht vom Dreschen ein Staubkegel im Wind. Und am Weg hat Mohn überlebt, eine einzelne, mitgenommene Blüte, und zappelt.

[Es gibt keine allgemeine Nostalgie: Nostalgie ist immer die Erinnerung an eine Zeit eigener Liebenswürdigkeit, also eine Verlusterscheinung.]

Link | 5. September 2009, 18 Uhr 41


O.W.: There is hardly a good man in dramatic literature who dominates a whole scene and Falstaff is, I think, really Merrie England. I think Shakespeare was greatly preoccupied, as I am in my humble way, with the loss of innocence. And I think there has always been an England, an older England, which was sweeter and purer, where the hay smelt better and the weather was always springtime, and the daffodils blew in the gentle warm breezes. You feel nostalgia for it in Chaucer. And you feel it all through Shakespeare. And I think that he was profoundly against the modern age, as I am. I am against my modern age, he was against his. And I think his villains are modern people, just as thery’re likely to be continental. I always see that the villains in Lear are non-Anglo-Saxon. They’re from over there. They represent the modern world, which includes gouging out eyes and sons being ungrateful to their fathers and all the rest of it. I think he was a typically English writer, archtypically, the perfect English writer, in that very thing, that preoccupation with that Camelot which is the great English legend, you know. And innocence is what Falstaff is. He is a kind of refugee from that world. And he has to live by his wits, he has to be funny. He hasn’t a place to sleep if he doesn’t get a laugh out of his patron. So it’s a rough modern world that he’s living in. But I think you have to see in his eyes; it’s why I was so very glad to be doing it in black and white, because if it’s in color he must have blue eyes, you know. You’ve got to see that look that comes out of the age that never existed but exists in the heart of all English poetry.

Interviewer: Then that rough modern world explodes into one of the most violent, I think, battles.

O.W.:Terrible battle scene, yes, which is supposed to show the end of the chivalric idea, you know. It’s supposed to show the way it’s gonna be from now on.

Link | 5. September 2009, 13 Uhr 10


Die Ästhetik des Undichten: Undichte Fenster, eine Bedrohung. Dagegen Bettdecken und Menschenwärme, alles im Trüben. Wasser steht auf den Fensterbänken, die Leinwand zieht Feuchtigkeit (die Meißel dagegen ruhen sicher in geölten Lappen).

Sandmenschen: Glatte, sandige, knisternde Menschen. In den Raum kommend, trocknen sie einen Kreis um sich — sie verdampfen nicht die Feuchtigkeit mit Wärme (keine Schwüle entsteht), sondern absorbieren alle Feuchte in sich hinein. Ihre Haut klingt nach Wüstenwind, sie sind sehr beweglich.

Link | 3. September 2009, 9 Uhr 48