Vigilien

is there any any? nowhere known some?

mein Gedächtnis ist untauglich; die Bilder am Leben zu erhalten erfordert eine beständige Anstrengung der Imagination. Nichts ist geblieben vom Geschmack der Erdbeeren und Löffelbisquits, vom Geruch nach Geranien und Kartoffeln, NICHTS, die achtziger Jahre, in denen der Putz noch nicht an den Wänden hielt, sind versunken, Keksdosen mit Formel-1-Aufklebern und andere Zeugnisse dörflichen Autonarrentums, Kühe auf der Straße und zwei alte Pferde; eine Katze, deren Namen ich nicht erinnere, nichts davon ist geblieben. Geblieben ist wütende Verzweiflung: Wie kann man so machtlos sein, genauer, wie kann ein Mensch diese Ohnmacht ertragen, die Sprachlosigkeit, die Unfähigkeit, auch nur eine Andeutung wiederzuerwecken von alldem: Be beginning, be beginning to despair, to despair, despair, despair, despair, despair — an einem Dezemberabend, Dezemberabend, ich trug die Barbourjacke und eine schwere Maglite, ging ich in den Regen hinaus, der Regen klatschte meine Haare ins Gesicht in Sekunden, wo sie, Eisnadeln, brannten, waagrecht, auch dicht über den Boden schossen die Pfeile noch hin heulend. Dunkel, bis zum Pumpenhaus schaffte ich es ohne Licht, dann warf ich den rastlosen Kegel in die Bäume, die sich nach mir streckten; Schlamm, Schlamm fließender kalter Schlamm über dem schwarzen Weg. Die Scheune war da, die Scheune war immer da, und kurz der Mond. Bisse von kaltem Regen auf den Wangen, Gräben, sonderbare Gräben, Pappeln, wo sind hier Pappeln, wo endet das kalte Metall, wo beginnt die kalte Klaue –

an dieser Stelle reisst der Sturm die Antenne vom Dach und es wird still auf dem Schirm: Das Weblog offenbart seine Erzählstruktur (als halbseidene Theorie-Dichtung), seine Werknatur — ein Verweis, dem Sie kaum folgen können in der entstandenen Stille, und ein höchst unseriöses Manöver.

Link | 3. November 2009, 0 Uhr 04


So Leute, es regnet draussen, es pisst, es, sagt man das, schifft, und das ist es, was los ist. Der Regen steht in großen Lachen auf den Wegen und die Hundescheiße fließt in Schlieren auseinander. Ihr: Wenn ich zusammenfassen darf, ihr seid überwiegend nicht ganz so jung wie ihr denkt. Man sieht euch so und denkt sich bei sich: Du warst mal hübsch, so eine wie dich hab‘ ich mal gekannt und ziemlich gut gefunden, aber die war zehn Jahre jünger, sonst so wie du. Ihr: Sehr sorgfältig angezogen alle, das muß man euch lassen, da komme ich mit meinem durchgescheuerten Hemd nicht gegen an (verzeiht mir, ich bin zu schusselig, eins nachzukaufen, immer wenn Samstag ist und die Pflicht mich ließe, gehen mir die die Leute aufn Sack und Bücher hab ich auch zu lesen.) Also, ihr seid gut angezogen und nicht mehr ganz jung, und ich frage mich, was ihr eigentlich den ganzen Tag macht. Meistens benehmt ihr euch gut. Natürlich benehmt ihr euch nicht wirklich gut — es ist euch kein Anliegen, nett zu den Leuten zu sein, oder drauf zu achten, daß die andern ihren eigenen kleinen Stolz behalten können wenn ihr an was werkelt, so etwas liegt euch fern, daran denkt ihr ja gar nicht, Zaghaftigkeit gewöhnt man sich besser gar nicht an, nein, ihr benehmt euch gut im Sinne von: Ihr macht nichts, was jemand als bedrohliche Verbindlichkeit missverstehen könnte. Das heisst, ihr macht die ganze Zeit, so menschlich gesehen, gar nichts, da macht ihr nichts falsch. Je mehr von euch ich sehe, desto größer wird mein Drang, Euch grundsätzlich mit „tits or get the fuck out“ zu begrüßen. Es ist mir ein Rätsel, was ihr die letzten zehn Jahre eigentlich gemacht habt. Ihr seid genervt, weil nicht immer alles schön einfach ist und alle euch lieb haben, ihr streitet euch rum, weil dies und das, die Sonne scheint hier raus und das geht euch am Arsch vorbei, ihr seid hier ungerecht und da nicht behandelt worden, ihr habt alle, Fraktur an, irgendein erbärmliches Telefon das besser ist als euer letztes Telefon, Fraktur aus, und ihr wärt gern so und wieder anders, aber, es ist mir ein Rätsel. Ich meine, in den letzten zehn Jahren wart ihr zwischen zwanzig und dreissig, was zum Teufel habt ihr getrieben?. Ihr habt keine Kinder gemacht, keine Musik, keine Bücher, reich seid ihr nicht geworden (Häuser, Boote, Aston Martin? Nichts!), besonders gescheit auch nicht, also was war es? Und wieso guckt ihr mich an wie die Mondkälber? Hat irgendjemand irgendwas gemacht in letzter Zeit? Ficken, Kinder. Ich suche Zuflucht im Tourette. Ich sage einfach bei jeder Gelegenheit Ficken. Mehr fällt mir langsam nicht mehr ein. Ficken ficken ficken.

Link | 2. November 2009, 23 Uhr 54 | Kommentare (7)


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