Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Demokratie ist offenbar so etwas wie die Gesundheit. Man muß immer einen Schal tragen und Actimel trinken. Es ist zum Beispiel schlecht für die Demokratie, wenn die Stuttgart-21-Gegner nach einer verlorenen Abstimmung reden wie „die Politiker“ (das sind bekanntlich Antidemokraten) und ihre Niederlage nicht zugeben.
Vorher war es „gut für die Demokratie“, daß die Stuttgart-21-Gegner so sehr gegen Stuttgart 21 waren. Sie haben behauptet, sie seien „die Bürger“ und sprächen für alle, folglich waren sie im Recht gegen „die da oben“ und das ist gut für die Demokratie. Immer schön empört sein, kriegst ein Leckerli.

Die Piraten sorgen sich in diesem Sinne besonders um die Demokratie. Sie wollen unbedingt viel davon machen, damit es ihr gut gehe. Nichtpiraten haben in ihrem Weltbild nur einfach das Internet nicht verstanden. Wenn die’s irgendwann mal verstanden haben, sind sich alle einig und wollen das gleiche, nämlich vollkommen ungestört die ganze Zeit Demokratie mit Twitter machen.

Na schön. Breaking News: Die anderen sind gar nicht dämlich und erkennen nur nicht, was gut für alle ist, sie haben wirklich, echt, ohne Flachs, andere Interessen als wir. Es gibt kein „alle“. Die wollen zu unserem „alle“ einfach nicht dazugehören und wir zu ihrem auch nicht.

Die wollen was anderes. Die Demokratie, der Staat, oder „das Gemeinwesen“ ist die Sphäre, in der immerhin ohne physische Gewalt verhandelt und implementiert wird, wer wieviel von seinem Willen kriegt. Unterschiedliche Akteure haben unterschiedliche Mittel, manche können Abgeordnete zu einem schönen Essen einladen, andere müssen sich mit einem Transparent vor einen Wasserwerfer stellen. Manche sind reich und wollen niedrige Preise für Hotels, andere sind arm und wollen, daß man ihnen hilft, ein bisschen weniger würdelos zu leben.

Manche sind solidarisch, andere sind nur für sich selbst. Ich bin zum Beispiel für Solidarität. Ich bin für Gesetze, die mir, wenn es mir gut geht, ein bisschen Geld weg nehmen, und es solchen geben, die nicht so tatkräftig geboren sind wie ich, damit es denen nicht dreckig geht und, positiver Nebeneffekt, Robin Hood mich nachts in Ruhe lässt.
Andere sind Arschlöcher. Die wollen das nicht. Sie haben kein Problem mit Robin Hood, sie bewaffnen sich im Zweifel einfach gern besser. So sind die drauf. Muß ich nicht verstehen.

Es gibt keine Einigung mit den Arschlöchern. Weder ihre noch meine Haltung ist besser für die Demokratie oder das Gemeinwesen. Wenn ich in einem Gemeinwesen mit lauter Arschlöchern bin, die sich nichts draus machen, wenn es anderen schlecht geht, bin ich eben in so einem Gemeinwesen. Hartes Brot. Ich kann ihnen dann nicht sagen: Oh, das ist jetzt aber schlecht für das Gemeinwesen, daß ihr so Arschlöcher seid! Die leben nämlich genau in dem Gemeinwesen, in dem sie eben leben wollen.

Wenn man dann was ändern will, muß man um die Herzen der anderen kämpfen und sie überzeugen. Das ist mühsam und schwer und dauert auch mal Jahrzehnte.

Was nicht geht: Meine Vorstellung von einem Gemeinwesen zum einzig echten Gemeinwesen erklären und alles andere für gar keins. Das ist ein Kategoriefehler. Natürlich habe ich Recht; ich und die nicht. Aber „Gemeinwesen“, „Staat“ oder „Demokratie“ habe ich eingeführt als Begriffe, die es mir ermöglichen, zu akzeptieren, daß die anderen auch ein bisschen von ihrem Willen kriegen, obwohl sie nicht Recht haben. Ich kann mir diese Begriffe nicht zurückholen und sagen Demokratie ist nur, wenn alle das wollen, was ich und meine Buddies wollen. Zum Beispiel einigermaßen maßvolle Gehälter auch für Mitarbeiter der Finanzindustrie.

Deswegen sind wir genau nicht in einem postdemokratischen Zeitalter. Wann immer „der Souverän“ im Sinne des Gemeinwesens gegen „die da oben“ in Stellung gebracht wird, kann man „den Souverän“ schön gegen das Volk und das Gemeinwesen schön gegen die Gemeinschaft substituieren, und für „die da oben“ findet sich schon jemand Erreichbares dann.

Leute: Es gibt diese Gemeinschaft nicht. Wenn es sie gibt, ist sie die Hölle. Ihr habt keine gemeinsamen Interessen mit irgendwas, das „der Souverän“ heißt oder eben das Volk ist. Das täuscht. Es gibt keinen kuschligen Innenraum der Demokratie, wo wir Gleichartigen mit unseren gleichen Interessen beisammen am Feuer sitzen und eine inhaltsleere Demokratie zelebrieren, und draußen heulen die bösen Wölfe.

Die Wölfe sind hier drin, der Wolf ist immer der Nächstreichere, Nächsttürkischere, Nächstschmarotzerige, undsoweiter. Vergesst das mit dem Gemeinwesen, das eine definierte Außengrenze zu den Bösen Anderen hat. Genau das ist ein Volk, und das wollt Ihr nicht.

Ingo Schulze übersieht genau diese Mechanik. Er sagt, er will fragen: Cui bono? Und dann hat er den Bösen Anderen entdeckt, der die Homogenität seines Gemeinwesens (mit all diesen gemeinsamen demokratischen Interessen) stört.

Das tut er, weil er in Portugal war, und ein Portugiese genau das gefragt hat: Cui bono? Und festgestellt hat: Dieser Ingo Schulze, der da vor mir sitzt, ist Deutscher, und profitiert ziemlich von meiner miesen Lage. Er lebt nämlich in einem Staat, der zur Zeit fast nichts für Neuschulden bezahlen muss, was direkt mit den schlechten Raten für Portugiesische Anleihen zusammenhängt. Und in diesem Staat gibt es die niedrigste Arbeitslosenquote in Europa und sogar noch Jobs an den Universitäten (weniger als in den 80ern, aber mehr als in Italien), und man leistet sich gewaltige Investitionen in Energieinfrastruktur, undsoweiter, alles Dinge, um die es in Portugal schlecht bestellt ist. Und also kommt der Portugiese zu dem Schluß: Die Deutschen sind die Bösen Anderen.

Wie reagiert der erschrockene Intellektuelle Ingo Schulze, der ja weiß, daß er nicht zu den Bösen Anderen gehört? Der Portugiese muß sich irren. Der Böse Andere, der da die Strippen zieht und alle prellt, muß einer sein, der sogar noch mehr bono abbekommt als er selbst, der Deutsche (möglicherweise hat Ingo Schulze sich die Welt auch so zurechtgelegt, daß er persönlich gar nicht profitiert, was den Portugiesen zu Recht wütend machen könnte). Wen findet Ingo Schulze vor? Den Banker, denn der ist (wie Schulze sich verzweifelt ob seiner Hilflosigkeit bewusst ist) in aller Munde und wird es also wohl sein.

Natürlich zieht weder der Portugiese, noch Ingo Schulze, noch der Banker Joe von draußen mit metaphysischen Sonderrechten die Strippen. Nicht mal der böse Wolf. Alle verfolgen einfach nur hier drin ihre Interessen und gestalten die Welt um, nach ihrem Dafürhalten, mit allen Mitteln, die sie haben, aber ohne Bürgerkrieg. Manche sind allerdings erfolgreicher dabei, weil sie sich weniger bescheuert anstellen.

Zum Bescheuerten Anstellen gehört der gefährliche Unfug von der ewig kränkelnden Demokratie, der es bei mehr Engagement-in-der-bedrohten-Gemeinschaft-derer-hier-unten besser ginge. Bestimmte Kreise machen seit Jahren Demokratie, wie man Demokratie macht: Man zieht Leute auf seine Seite, redet ihnen Zeug ein, droht und lockt und geht mit der Macht essen. Die andere Seite jammert, daß davon jetzt langsam die Demokratie kaputtgehe, und findet das Schauspiel außerdem unwürdig, und tauscht damit einfach vornehme Seelenruhe gegen Geld und Macht, weil man auch ohne viel Geld noch ganz gut lebt hierzuland.

Wer nicht agiert, kriegt eben irgendwann, was die anderen ihm lassen.

Wenn es so nicht weitergehen soll, ist die richtige Frage nach vorn aber nicht der windelweiche, wohlmeinende, inhaltsleere „Was ist gut für das Gemeinwesen“-Blödsinn, der mit jeder Hetze aufgeladen werden kann, sobald die Idee von der bedrohten Gemeinschaft wieder etabliert und die Stelle der bösen Wölfe außerhalb des Gemeinschaftskörpers wieder vakant ist. Die richtige Frage nach vorn ist „Was will ich?“ und dann, pardon: „Was tun?“.

Wie wäre es mit: Banken kleinmachen, damit man die pleitegehen lassen kann, wenn sie sich dämlich anstellen, mit Europa ernst machen, damit die Portugiesen uns wieder mögen, und mehr echte Pflichten ans Eigentum, damit die mit dem Geld nicht alles abreissen und durch Dreck ersetzen können. Ja: Schwierig, aber das hier ist die Realität, Gottvater hört nicht, es gibt niemanden, bei dem man sich beschweren kann. Machen oder zufrieden bleiben und hinnehmen.

[Paraphrasiert im Grunde nur: Ulrike Baureithel im Freitag.]

Link | 21. Januar 2012, 2 Uhr 32 | Kommentare (1)


Zu entwickeln wäre ein operationsfähiger Diskursersatz: Um auszubrechen aus dem vermeintlich kritischen You-are-being-lied-to und dem Wettlauf um die skeptischere Position.

Der kritische Gestus, der ja staatstragend und als solcher Schul-Ideologie ist, Konsens aller Medien und in jeder Kommunikation antizipiert, ist Herrschaftsinstrument. Begegnet werden kann ihm selbstverständlich nicht mit einer Rückkehr zum vorparanoiden Zustand, auch nicht mit dem Rüstungswettlauf einer Hyperkritik, die den kritischen Gestus in jeder Konkretion selbst als tückisch entlarvt. Dem kritischen Gestus ist nur zu begegnen mit einer Seitwärtsbewegung aus dem kritischen Diskurs heraus, zu verdächtigen ist nicht das Argument, sondern das Argumentieren. Die Antwort auf die Frage, wer welche Interessen vertritt im Falle Wulff wäre ein organisiertes, mit Ernst betriebenes Interesse für Pinguine.

Die Aufgabe wäre also die Konstruktion einer Gegenöffentlichkeit, die nicht die Öffentlichkeit beobachtet als Korrektiv, sondern die sich auf die Fassung des Realen durch die Öffentlichkeit gar nicht erst einlässt, sich deswegen einer eigenen inneren Stringenz aber nicht verweigert: Ein der kritischen Öffentlichkeit ebenbürtiges GEGENWAHNSYSTEM

Link | 18. Januar 2012, 23 Uhr 57 | Kommentare (3)


Man könnte in London leben. Zu jedem Auftritt von Mumford & Sons, Johnny Flynn und Laura Marling gehen. Wochenlang warten, nichts tun, ziellos durch die Stadt fahren. This is a Hammersmith and City line service to: Hammersmith. Sandwiches. Es wäre kühl und windig. Dann, endlich, dunkel und heiß, man würde niemanden kennen und an einer Säule lehnen und dann sich hinstellen mit dem Gesicht zum Licht, Daumen in den Hosentaschen, ruhig atmen, Augen zu, warten, den Raum murmeln hören. Und das immer so weiter, bis die aufhören, Musik zu machen.

Johnny Flynn & Marcus Mumford: Eyeless in Holloway.

[von Statements und Bescheid beschmutzt & geflohen]

Link | 18. Januar 2012, 0 Uhr 23


Also: Die kalte Kate, Ginkgo und Teebeutel und Fenster und Handtücher und knarrende Bretter. Noch nicht wissen, was man darüber denkt, sich noch nicht eingelassen haben mit der Welt, keinerlei Autorität. Die Welt: Will bespielt werden, zieht heran und liefert Aufgaben, die bewältigbar sind und bewältigt werden, was sich auf die Sprache auswirkt, die nämlich die Bewältigtheit der Aufgaben in sich aufnimmt und dunkelgrün-holzig wird.
Nichtsprechen schwierig, sprechen ohne Autorität ebenfalls, der einzige Ausweg: Das Sprechen bewusst formen zu etwas Erträglichem. So und so spreche ich nicht mehr, das und das nehme ich sofort zurück, zu diesem Thema sage ich nichts, ich habe es schon totgesprochen mit meinen Meinungen und Entschuldigungen und Widersprüchen und meinem unerträglichen Domänenhalbwissen, das sich so gut gefällt.
Ich kann sagen: Handtücher und trockene Erdkrümel und knarrende Bretter. Das muß man sich nur vorstellen, daraus ziehe ich keinen Vorteil, und man kann mir keine Absichten unterstellen. Ich kann nicht sagen: In der Welt verhält es sich doch so und so, und die Zukunft wird dies und das bringen. Schrecken und Schrecken der Behauptung, schrecklich, wie sie mit dem anderen Palaver einen Diskus formt und Handlung hervorbringt und das boshaft freundliche Gefüge des Sozialen. —

Link | 12. Januar 2012, 23 Uhr 55


Ok, dann lasst uns eben doch über Wulff sprechen. Bitte Geduld. Trivialitäten vom Tisch: Diese Affaire ist keine Amigo-Affaire. Es ist nicht so, daß in der weitgehend ehrlichen Welt der Politik ein unehrlicher Politiker entdeckt wurde von der vierten Gewalt. Über solche Erzählungen sind wir weit hinaus. Es geht auch nicht um einen Zensurversuch. Das Bundespräsidialamt hat meines Wissens kaum auf Springer anwendbare Drangsale im Arsenal. Weder formell noch de facto.

Es geht bei dieser Sache um die Ermittlung einer Antwort auf die Frage, wen man für blöd verkaufen kann und wen nicht, und um das Guttenbergtrauma.

Wulff also: Da ist einer Ministerpräsident gewesen, und das hat ihm Vorteile gebracht. Wie das so ist mit der Macht: Man hat einflussreiche Freunde, Sachen werden einfacher. Das ist die Macht. Weil das so natürlich ist, trennt das Konzept Korruption erlaubte Einflußnahme von unerlaubter: Es formuliert, wann eine Gefälligkeit aktiv zurückgewiesen werden muß. Das zu können, ist Teil der Eignung für ein öffentliches Amt. Wer es nicht schafft, ist ungeeignet für das Amt, weil auf ihn mehr Einfluss genommen wird, als es die Aufgabe verträgt. Er muß, wenn sich herausstellt, daß er sich der Nettigkeiten nicht mehr erwehren kann, fortan etwas anderes machen. So weit, so gut, aber natürlich ist es so einfach nicht. Nicht nur gibt es einen breiten unscharfen Rand dessen, was in Ordnung ist und was nicht — wenn man sich nun einmal anfreundet mit reichen Leuten, wie es geschieht: Soll man auf Übernachtungsentgelt bei Besuchen bestehen? Und wie wäre es bei normalwohlhabenden Leuten? Dürfte man bei Studenten noch Gast sein? Schlimmer: Tatsächliche Einflußnahme ist eben schwer zu messen.

Man ist deswegen in der informierten Öffentlichkeit stillschweigend dazu übergegangen, das Ammenmärchen vom redlichen, unverstrickten Politiker durch eine realistischere Idee vom Mächtigen zu ersetzen: Wir wissen alle genug darüber, wie Macht auch in der Demokratie funktioniert, um uns nichts vorzumachen.

Neben der informierten Öffentlichkeit gibt es aber noch die Leserschaft der BILD. Die glaubt das Ammenmärchen vom redlichen Politiker erst recht nicht, ist aber laut tönend dazu übergegangen, so zu tun als glaube sie es, um ab und zu einen Mächtigen fallen zu sehen, was bekanntlich ergötzlich ist.

In dieser Aufteilung der Öffentlichkeit lebte es sich lange kommod. Dann passierte der Fall Guttenberg. Die BILD hatte sich entschlossen, diesen Mächtigen auf keinen Fall fallen zu sehen, und er fiel doch. Das lag daran, daß die informierte Öffentlichkeit zwar aus einer Reisemücke hier und da keinen Skandalelefanten macht und Macht in ihrer unvermeidlichen Verstrickung akzeptiert — aber akademischen Betrug eben nicht. Und das liegt daran, daß sie in Deutschland aus einer weitgehend stillen Schicht akademisch ausgebildeter, ziemlich kluger Menschen besteht. Die ertragen die natürliche Dreistigkeit der Macht, weil sie einsehen, daß sie regiert werden müssen; sie ertragen nicht, wenn die Macht das wichtigste Element ihres Selbstwertgefühls und ihrer Lebensfreude — Bildung — mit Füßen tritt und so tut, als ließe sich Bildung simulieren und ergaunern wie sich politische Glaubwürdigkeit simulieren und ergaunern lässt. Es war deutlich zu bemerken, wie Guttenberg und die BILD-Leute einfach gar nicht verstehen konnten, auf welche Mine sie da getreten waren. Sonst war doch so schön Stille, die Akademiker hörte man höchstens mal quietschen, wenn man ein Institut schloß oder ein Theater?

Aber da waren sie plötzlich, ganz nah, und hatten ihn am Schlips: We teach your kids, we save your lives, we do your research and write your newspapers, we actually manage your economy, we are the viewers that arte and 3sat supposedly do not have, we invent the stuff you make money with. Do not. fuck. with us.

Bitte weiterhin nur mit BILD-Lesern rumfucken. Wir wollen ein anständiges Leben, das wir normalerweise bekommen in diesem Land, und ab und zu ins Konzert — und daß man uns nichts vom Pferd über das Schreiben von Doktorarbeiten erzählt. Ein paar unserer Freunde haben das nämlich tatsächlich gemacht, und nicht weil es schick war, sondern weil es sie interessiert hat, unter ernstzunehmenden persönlichen Opfern. Und jetzt raus.

Großes Kopfkratzen, denke ich mir, bei Springer. Was war denn da jetzt passiert? Eine Schlacht verloren gegen einen Gegner, den man schon vergessen hatte, weil man politisch mit dem bürgerlichen Lager lange verbündet war und es normalerweise auch einfach nur seine Ruhe wollte und BILD machen ließ. Die Annahme, daß man zynisch geworden sei im Bürgertum ist aber nicht wahr. Mitnichten. Illusionslos, aber das ist etwas anderes.

Und dann, ein Gottesgeschenk: Die Sache mit der Mailbox. Eine absolute B-Affaire, vollkommen im Rahmen dessen, was in der allgemeinen Illusionslosigkeit toleriert wird, ließ sich zu einer Medienaffaire, einem Zensurversuch gar, aufblasen. Doppelter Gewinn: Die übliche „Politiker sind alle Schweine“-Nummer für die Stammleserschaft, und die Akademiker zurück- und dazuholen mit etwas, das ihnen doch so sehr am Herzen liegt: Der heiligen Pressefreiheit.

Wie es mit Wulff ausgeht, ist egal. Der Mann hat kein Format, er ist so uninteressant wie die traurige Behausung, die er sich mit seinem etwas zu billigen Kredit da gebaut haben wird. Er taugt nicht zum Exempel gegen eine allgemeine Verkommenheit in der Politik. Er ist nur die übliche, nicht ganz saubere, aber auch nicht aufregend dreckige, Politfigur. BILD dagegen verkalkuliert sich schon wieder, wenn ich mich nicht irre. Der Friede mit dem bürgerlichen Lager ist gekündigt, nicht einmal der WELT-Mob, der reaktionäre Kern der gebildeten Demographie, verzeiht die Guttenberg-Katastrophe. Pressefreiheit mein Arsch, Kretins.

[Der Tonfall der Bescheidwisserei übrigens: Schon klar. Ich betrachte das aber als Defensivmaßnahme gegen die ja überall aufgefahrenen Beflissenheitsgroßgeschütze: Würde des Amtes? Im Ernst?]

Link | 12. Januar 2012, 19 Uhr 45