Vigilien

is there any any? nowhere known some?

On sait aller de la gare ou de l’air terminal à son hôtel. On souhaite qu’il n’en soit pas trop éloigné. On voudrait être dans le centre. On étudie soigneusement le plan de la ville. On repère les musées, les parcs, les endroits que l’on vous a fortement recommandé d’aller voir.
On va voir les tableaux et les églises. On aimerait bien se promener, flâner mais on n’ose pas; on ne sait pas aller à la dérive, on a peur de se perdre. On ne marche même pas vraiment, on arpente. On ne sait pas très bien quoi regarder. On est presque ému si l’on rencontre le bureau d’Air France, presque au bord des larmes si l’on voit ‚Le monde‘ dans un kiosque à journaux. Aucun lieu ne se laisse rattacher à un souvenir, à une émotion, à un visage. On repère des salons de thé, des cafétérias, des milk bars, des tavernes, des restaurants. On passe devant une statue. C’est celle de Ludwig Spankerfel di Nominatore, le célèbre brasseur. On regarde avec intérêt des jeux complets de clefs anglaises (on a deux heures à perdre et l’on se promène pendant deux heures; pourquoi serait on plus particulièrement attiré par ceci ou par cela? Espace neutre, non encore investi, pratiquement sans repères: on ne sait pas combien de temps il faut pour aller d’un endroit à un autre; du coup on est toujours terriblement en avance).
Deux jours peuvent suffire pour que l’on commence à s’acclimater. Le jour où l’on découvre que la statue de Ludwig Spankerfel di Nominatore (le célèbre brasseur) n’est qu’à trois minutes de son hôtel (au bout de la rue du prince Adalbert) alors que l’on mettait une grande demi heure à y aller, on commence à prendre possession de la ville. Cela ne veut pas dire que l’on commence à l’habiter.
(Perec)

Link | 30. März 2012, 22 Uhr 51


Liebe 51 Hacker,

Eure Antwort an die Tatort-Drehbuchschreiber hat ein paar Probleme, auf die ich Euch hinweisen möchte. Wer argumentiert wie Ihr, wird leicht nicht verstanden — da könnt Ihr dann beklagen, daß man Euch mit Zwölfjährigen in einen Topf wirft, oder Ihr könntet ein bisschen vorsichtiger sein, um die Verwechslungsgefahr zu minimieren.

Zitat aus Eurer Antwort auf den offenen Brief der Tatort-Drehbuchschreiber: „Das ist das Digitalzeitalter, Freunde, wir wissen nicht mal, wie wir digitale Daten ein ganzes Jahrhundert lang bewahren sollen.“

Das ist also das Digitalzeitalter, Freunde. Davon geht ihr oft aus: Das ist jetzt das Digitalzeitalter, da ist das so und so, und wer das nicht versteht, hat das Digitale nicht verstanden, ist ein „prädigitaler Ignorant“ und sein Festhalten an Strukturen, die vor der Digitalisierung von Medien etabliert wurden, hat Fetischcharakter. Gegenüber stehen sich in diesem Weltbild die, die ES verstanden haben, und die, die ES nicht verstanden haben. ES ist das Digitale, und was es verlangt.

Strukturell ist das ein „Macht der Geschichte“-Argument: Die Geschichte passiert, und sie verlangt von ihren Insassen, daß sie sich anpassen. Dazu gibt es zumindest drei Dinge zu sagen:

Erstens ist, wann immer so argumentiert wird, Wachsamkeit geboten. Wo die Macht der Geschichte behauptet wird, versteckt sich gern die Ideologie. Die Geschichte entpuppt sich ja immer mal wieder als simpler Einfluß von Leuten, die die Geschichte gern genau so hätten.

Zweitens, das nur als Randnotiz, gab es mal die inzwischen altmodische Idee, daß die Geschichte, sogar wenn sie „Digitalzeitalter“ heißt, gestaltet wird, nicht passiert. Das ist aus der Mode, aber früher gab es Leute, die wollten doch nochmal drüber nachdenken, ob man die Geschichte so und so wirklich haben will oder doch lieber anders. Mir ist bewusst, daß das eine unzeitgemäße Idee ist — es hat sich, vor allem in unseren Kreisen, die Ansicht durchgesetzt, daß die Technologieentwicklung dieser Zivilisation sich selbst durch die Menschheit hindurch betreibt und nicht andersherum. Trotzdem muß man, gerade wenn man mit Älteren redet, davon ausgehen, daß die statt an unser Cyberpunk-Weltbild an eine gestaltbare Welt glauben. Man kann sie nicht zu Ignoranten erklären dafür.

Drittens: Weltbild und Ideologie beiseite ist die Macht der Geschichte oft eine simple Generationenfrage. Es etabliert sich eine kulturelle Praxis, die noch keine institutionelle Form gefunden hat. Die Jüngeren leugnen lange, daß sie überhaupt eine brauche (die Zwölfjährigen), dann merken sie im günstigen Fall, daß es so einfach nicht ist (das seid Ihr) und irgendwann zählt’s dann. Die Praxis in unserem Fall: Das bedenken- und entgeltlose Beschaffen von Reproduktionen von Werken der Kultur. Das macht, in unserem Weltbild, „jeder“, und deswegen wirkt jede Diskussion darüber, ob es in Ordnung sei, sonderbar und wie ein Prohibitionsversuch. Tatsache ist, das macht nicht jeder, das machen vor allem wir, die Jüngeren. Man muß so um die dreissig oder jünger sein. Wir haben nicht etwas „verstanden“, was die anderen „ignorieren“, wir machen nur etwas anders als die (mit technischen Hilfsmitteln, die es einfach machen) und haben also einen klassischen Generationenkonflikt. Die Macht der Geschichte ist nur insofern auf unserer Seite als die andern früher sterben. Bis dahin haben wir Zeit, ihnen zuzuhören.

Was sagen uns die ehrwürdigen Herren vom Tatort, die bald sterben, also? Sie weisen darauf hin, daß wir immer noch kein Ersatzmodell für die Organisation von Kulturproduktion haben, sondern davon profitieren, daß sie, die Alten, die Kulturproduktion nach wie vor durch die klassischen Verwertungskanäle bezahlen. Wenn sie mal weg sind, rappelt es im Karton: Dann stehen die Künstler mit Flattr, prekären Live-Performance-Verhältnissen, Werkverträgen oder einem unausgegorenen Flatrate-Konzept da. Jedes einzelne dieser Modelle stellt Urheber schlechter als das aktuelle Modell. Das ist schlecht für die Urheber. Ja, auch für die von Software, deren Fröhlichkeit in ihrer Werksvertrags-Knechtschaft den anderen Urhebern gerade die Preise ruiniert und die gar nicht merken, daß sie möglicherweise wertvoller sind.

Das Argument „jetzt ist digital, das muß man mal verstehen, da ist das eben so“ ist eins, das ich von Hackern oft höre, aber eigentlich von dümmeren Menschen erwarten würde. Gar nichts ist jetzt eben so, außer Kapitalismus, Interessen und Machtverschiebungen.

Was passiert, wenn uns nichts einfällt? Ohne Flatrate: Statt der Verwertungsindustrien, deren Opfer wir angeblich alle sind, verdienen dann (und schon jetzt) die Infrastrukturindustrien. Apple, Google, Facebook, bis runter zu Festplatten, Halbleitern, etc. Die machen richtig, richtig Geld. Die Urheber nicht. Das ist schon wahr, daß ein Musiker kein Millionär werden muß mit seiner Musik, einverstanden, aber die Typen von Apple, Google und Facebook, die müssen?
Und, Randnotiz, von wegen Macht der Geschichte: Es ist mir klar, daß Ihr 51 Hacker auch brav gegen Facebook und Konsorten seid — bloß folgt Euch die Geschichte da einfach nicht. Unsere Generation hängt dran, an diesen Infrastrukturen. Da können wir noch tausendmal Linux schreien, die Geschichte wird trotzdem bei Google gemacht, und die Linuxer sind ihre nützlichen Idioten.

Was passiert, wenn uns nichts einfällt? Mit Flatrate: Wir verlieren die Marktmechanismen für Kulturgüter. Manche von uns halten das vielleicht für eine gute Sache, aber das ist ein gefährliches Spiel. Entweder man baut eine Bürokratie, die entscheidet, was als Kunst gut genug ist, um aus dem großen Fonds bezahlt zu werden, oder jeder, der fragt, bekommt, unterschiedslos und wenig. Im Grunde ist ja jeder ein bisschen ein Künstler und jeder trägt was bei — und schnell diskutiert man nicht mehr die Kulturflatrate, sondern das Grundeinkommen und das ist ein sehr, sehr großes Faß.

Eine Alternative wäre natürlich ein richtiger Markt für Kulturprodukte, wo man Urheber, die wirklich was können, gut, und die Talentlosen, die besser was anderes machen würden (gibt’s auch bei Software, Ihr kennt die Brüder) eher schlecht entlohnt. Das erfordert einen Anspruch der Urheber auf Beteiligung an der Verwertung ihrer Erzeugnisse. Oha, wir haben das Urheberrecht neu erfunden.

Und ja, Kultur wird aus Kultur erzeugt, und was ein neues Werk sein kann, das einer auf dem Markt anbieten darf, ist unscharf und schwierig zu bestimmen: Aber daß das schwierig ist, bedeutet noch nicht, daß es idiotisch ist, es zu probieren. So ist das mit dem Recht. Es ist unscharf, es weiß manchmal nicht, es lebt und bewegt sich und widerspricht sich (alles Dinge, die uns suspekt sind, ich weiß), aber am Ende schafft es Bedingungen, auf die es wirklich ankommt: Ob Kultur produziert werden kann und von wem, zum Beispiel.

Wenn wir sagen: Genau das wollen wir nicht mehr, daß das Recht das regelt, dann brauchen wir bessere Gründe für diese Ablehnung als „denn es nützt der Verwertungsindustrie“ und „denn es ist schwierig und manchmal ungerecht“. Schwierig und ungerecht ist es immer, und ob es so eine rasend gute Idee war, die Verwertungsindustrie gegen eine Bewusstseins-Infrastrukturindustrie einzutauschen, ist auch noch nicht heraus.

Es scheint so zu sein, daß ein Markt für unserer Köpfe Arbeit immer noch eine gute Sache wäre, auch wenn unserer Köpfe Arbeit leichter zu transportieren ist. Es ist klar, daß DRM, Kopierprohibition, zufällige Abmahnungen/Anzeigen und verlängerte Schutzfristen Erfindungen der Verzweiflung sind, die keinen Bestand haben werden. Es ist keineswegs klar, ob sich nicht, auch mit Mitteln des Rechts, ein System konstruieren ließe, bei dem für geistige Arbeit die geistigen Arbeiter bezahlt werden und nicht irgendjemand, der ihre Infrastruktur kontrolliert.

Link | 30. März 2012, 12 Uhr 00 | Kommentare (2)


Die Plakate für das MaerzMusik 2012 mit ihrer Grau/Wasser/Signalrot/Crop/Zoom-Sprache sind das Schönste und Klügste, was seit sehr langer Zeit in U-Bahnhöfen zu sehen war. Das Programmheft ist genauso schön. Das Haus der Berliner Festspiele ist, immer, zum Verrücktwerden schön. Ich trank ein Glas Wasser. Die Menschen dort waren auch schön. Und leise.

Dann Tomomi Adachi, von dem ich absichtsvoll gar nichts in Erfahrung gebracht hatte vorher. Erst: 1 DJ mit zwei Plattenspielern spielt auf 10 menschlichen Stimmen, die, mit leichter Brain-Processing-Latenz, nachformen, was sie auf Kopfhörern hören: technische Geräusche, auseinandergefilterte Musikruinen und vereinzelte Melodiefragmente (Auferstanden aus Ruinen und das Deutschlandlied: Wohl zur Wahl des Präsidenten). Später: Tomomi Adachi macht mit dem Tomoring II und einem Tomomin sowie Stimme und verschiedenem Wunderlichem Zeug™, mit dem man gegen so ein Tomoring hauen kann, Musik. Dann tanzt er in einem Lärm-Erzeugungs-Datenanzug herum und singt auf japanisch vor sich hin dabei, woraus der Lärm-Erzeugungs-Datenanzug Lärm macht, ohne daß genau zu verstehen wäre, welche Bewegungen wie Lärm machen. Draußen später Sturm, der in den komplizierten menschenleeren U-Bahnhof Spichernstraße fährt und in ihm saust und dröhnt.

Link | 19. März 2012, 2 Uhr 25 | Kommentare (2)


Zurück in der Staatsbibliothek, fast testweise, nur für eine Stunde, nur ein Buch zu sichten. Sofort der vertraute, aber vergessene Bibliotheks-Sex-Flash: Diese intelligenten jungen Menschen, die da in die Bibliothek gehen zur Geistesarbeit, weil man zu Hause keinen Körper hat und das auf Dauer deprimiert. Also gehen sie hier durch die Gänge, bewegen sich ein bisschen unfrei, aber gut angezogen, eine Lebensform mit Muße für Geschmack nachweisend, setzen sich, versinken tatsächlich (denn sie arbeiten tatsächlich) in Konzentration, um dann ab und zu aufzustehen und etwas holen zu gehen und dabei begehrt zu werden von denen, die gerade aufschauen, oder schauen selbst auf und sehen sich die an, die durch die Gänge gehen.

Dann die extrem hohe Informationsdichte, die so eine Monographie immer noch hat, selbst diese, eine etwas zweifelhafte Arbeit aus der Militaria-twilight zone: Man schlägt das auf, und es dröhnt los: Bilder, Tabellen, Listen, Typen, Schemazeichnungen, Karten, Archivmaterial, Abkürzungen, Fußnoten, TEXT. Der Noise Superhighway hat keine vergleichbare Erfahrung anzubieten.

Link | 2. März 2012, 16 Uhr 23 | Kommentare (1)