Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Ich erzähle die Geschichte jedem, den ich kennenlerne, damit er weiß, wie sein neuer Bekannter funktioniert und warum er der ist, der er zu sein scheint. Ich erzähle die Geschichte jedem, damit alle sie kennen, damit sie mich festlegt, damit alle mich sehen in genau dieser Rolle. Ich erzähle die Geschichte wieder und wieder, sie findet Formulierungen und ein Tempo und Effekte. Die Leute hören mir gebannt zu, wenn ich die Geschichte erzähle; wie lange ist das her? fragen sie, und schütteln die Köpfe, befremdet, oder beeindruckt, oder beides. Aber solche Sachen passieren! sagen sie, und so fort. Ein paar Ratschläge bekomme ich immer, bis ich durchdringe mit der Feststellung, daß ich nicht von einem Problem erzähle, sondern von einer Konfiguration von Menschsein, deren Teil ich bin.

Ich schreibe die Geschichte auf, in Fragmenten und in Andeutungen, die so weit sind, daß in den Zwischenräumen sichtbar wird, was jenseits der Abfolge der Geschehnisse war. Es gibt einen Katalog der besonderen Worte und Obsessionen, eine Mythologie; es gibt die Gegenstände und die Gewohnheiten und die aufsuchbaren Stimmungen, ein Tieferhineinweben der Geschichte in die Struktur eines Lebens; es gibt das Wechselspiel zwischen der Geschichte und dem, der sie erzählt: Die Erforschung seiner Konfiguration.

(Ich will, daß Ihr alles über mich wisst. Ich will, daß Ihr nichts falsches denkt über mich aus nichtigen Gründen etwa der Beschränktheit von Information. Meine Person ist kein Geheimnis, ich leide unter ihrer Opazität; ich wäre gern großzügig mit allem, was ich erfahren habe und was ich für so wertvoll halte. Aber es ist nicht transportabel, weil es durch die schwerfällige, verminte, verbrauchte Sprache hindurchserialisiert werden muß: Die Krücke Geschichte, die eben immer auch deutbar ist als eine übliche Geschichte, die zu ernst genommen worden ist und daran gewachsen — eine Infamie, diese Deutung, aber ich kann den Infamen kaum grollen, wütend sehe ich ihnen die Schwäche meiner Sprache und ihrer Wahrnehmungsgewohnheiten nach.)

Die Geschichte ist die Geschichte des Gottgewollten — aus meiner und Ivans Vereinigung kommt das Gottgewollte in die Welt:

Feuervögel
Azurite
Tauchende Flammen
Jadetropfen

Ich weiß nicht, was Frau Bachmann da redet, ich weiß nur, daß sie weiß wovon sie redet: Zwischen diesen vier Zeilen sind die Zwischenräume der Wahrheit ihrer Geschichte, die meine GESCHICHTE ist.

Feuervögel
Azurite
Tauchende Flammen
Jadetropfen

Link | 28. März 2008, 2 Uhr 49 | Kommentare (3)


3 Comments


Ich hatte wohl recht, scheint es mir?

Es ist alles in diesen Zeichen.

Unser aller Geschichte.

Kommentar by zak | 10:43




Ich lese das mit einem seltsamen Eindruck von Verbundenheit und Vertrautheit, aber wenn Ivan sagt ich möchte wissen, nein, ich möchte es nicht wissen, wer das angerichtet hat, dein Zusammenfahren, dein Kopfeinziehen, dein Kopfschütteln, dein Kopfwegdrehen, dann ist es schlimm, weil ich denke: Ich war das, das war ich.

Kommentar by spalanzani | 17:22




Danke übrigens.

Kommentar by spalanzani | 17:24