Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Anlässlich des Kulturkampfes, der hier tobt, und meiner klaren Sympathien, einige Stunden gesurft, was ich lange nicht gemacht hatte: Wahllos weitergeklickt, von den Webseiten derer, die gegen den Verlust eines weiteren Viertels an das Neue Bürgertum* arbeiten, tiefer hinein in die sogenannten Netzwerke der Friedrichshain-Kreuzberger Linken, auf deren Seite ich so gerne wäre. Aber, oh.

Sie schreiben immer noch große Is mitten in die Worte, aggressiv kleinlich wie eh; und was sie schreiben, ist in endloser Wiederholung nur: „alles Schweine“, vorgebracht im Tonfall boshaften Gemaules: Da ohnehin ausgemacht ist, daß die anderen die Bösen sind und warum, bleibt der Sprache nur die Funktion eines halbstarken Wettbewerbs um die größte Respektlosigkeit und die würzigste beiläufige Beleidigung. Triumphierend verkündet jeder Text seine Prämisse und mithin seine Leere: Seht ihr! Alles Schweine.

Diese Rigidität, die Gesinnungs- und Lifestylestrenge, ein enger Kodex dessen, was Freude bereiten darf, zielt auf Exklusivität und schließt effektiv auch mögliche inhaltlich Verbündete (wie mich) aus. Diese Exklusivität ist nötig zur Herstellung einer klaren Oppositionsposition, die eine Wahrnehmung des Kapitals als monolithische und überlegene Macht, die einen Verdrängungskampf gegen die linke Subkultur führt, braucht, um dem komplexen Gegner einen einzigen Namen geben zu können — aber sie erlaubt jedem Fremden nur die Rolle des Feindes.

Wie die PR-Sprache der Konzerne verweist die Gebrauchssprache der Linkskultur auf fast nichts mehr als auf den Existenzkampf, aus dem sie entsteht. Jeder Versuch, in einer solchen Sprache Verbündete außerhalb der eigenen Kreise zu finden, muß doch zum Scheitern verurteilt sein: Wie soll man sich nicht von vornherein bedroht fühlen und aufgefordert, sich zu rechtfertigen für Prioritäten, Vorlieben und Zwänge, eigentlich jedoch: Abzuschwören?

[Oft, und das das ist eigenwillig, findet man Texte, die sich um einen nüchternen Ton bemühen und Fakten anführen und klingen, als handle es sich um eine Erforschung eines Teils der Wirklichkeit, und dann bricht es aber, in den letzten Sätzen, heraus aus den Texten, genug der Objektivität, ein haßerfüllter Spruch zum Schluß muß drin sein, als erarbeite die ganze formale Redlichkeit zuvor nur das Recht auf den erlösenden Dreckschweine!-Ruf.]

* n.b.: Das Neue Bürgertum ist keine Schicht, sondern eine Ideologie.

Link | 15. Juni 2008, 11 Uhr 38 | Kommentare (2)


2 Comments


sie sprechen mir aus der seele! (dem herzen? egal, aus beidem)

Kommentar by giles | 16:42




ja: und was ist die alternative?

Kommentar by bf | 23:57