Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Heute: Die große struppig.de Kaufberatung „Edle Polstermöbel“:

IKEA: Der Versuch, IKEA beim Sofakauf eine faire Chance zu geben, scheitert daran, daß es bei IKEA keine ordentlichen Sofas gibt. Selbst die teuersten Modelle sind optisch einfallslos und insgesamt wenig vertrauenswürdig — gehen also zweimal am Prinzip Sofa vorbei. Sofas sollen luxuriös sein und ein bisschen übertrieben auf die eine oder andere Art. Zugleich sind es Gegenstände des Vertrauens. Wer ein Sofa besitzt, muß wissen, daß es nicht schadet, sich darauf niederzulassen. Ein Sofa, das den Eindruck vermittelt, bei jedem Gebrauch an Formstabilität zu verlieren, ist ein Dekorationsgegenstand, kein Möbel. Und selbst dafür sind die IKEA-Sofas zu langweilig. Wer eins kauft, löst lediglich sein Sofaproblem. Das mag ja manchmal nötig sein, aber damit ist es, im besten Falle, verzeihlich.

Habitat: Durch einen Habitat-Katalog bin ich nie durchgekommen. Der schiere Aufwand an buntem Tuch und Nippzeug in den Bildern ist verstörend; die Lebensentwürfe, für die Habitat die Möbel liefert, sind doch eher fremd; Habitat-Sofas, von den Bildern zu urteilen, die man im Netz sieht, riskieren nichts und bekennen sich freimütig dazu, daß die Kundschaft nur aus Ratlosigkeit ein Sofa bei Habitat kaufen würde — weil das lokale Allround-Möbelhaus gerade abgebrannt ist, zum Beispiel. Es ist alles leicht pluffig und nach Geographie benannt.

Rolf Benz: Deutsch. In aller Glorie und allem Elend: Deutsch. Solide, lederlastig, manchmal auf eine nicht mehr ganz sympathische Art zur Grobheit neigend. Die Sofas sind sicher nicht schlecht, denn Rolf Benz baut die Möbel reicher Technokratenfamilien, und die verlangen Qualität. Die Vertrauensbeziehung, die man zu einem Sofa haben will, verweigert ein Benz-Möbel auf keinen Fall. Es ist ein kaltes, vertragliches Vertrauen: Verlässlich, ohne viel Wärme und Geist, aber auch geradlinig und unsentimental. Keine schlechte Wahl, für mich aber indiskutabel — zu dieser bleichen Welt des freudlosen Erfolgs gehöre ich nicht und will ich nicht gehören.

BoConcept: Horror. Alles von BoConcept ist fürchterlich, aber ein Sofa wäre das Letzte, was ich dort kaufen könnte. Der Grund dafür ist einfach: BoConcept baut Möbel für die Leser von Magazinen mit trainierten Oberkörpern drauf: Junge Männer, die jeden weiblichen Einfluß auf ihr Leben fürchten und denken, das Weibliche in der Welt sei da, um am Freitagabend für ein paar Stunden aus den Clubs entliehen zu werden. BoConcept-Möbel sind herb, dreitagebärtig und auf das zielführende Beeindrucken des freitäglichen Leihmaterials geschnitten — daß sich eine Frau darin wohlfühlen könnte, ist nicht vorgesehen.

Who’s Perfect?: Man kann, so sagt man, bei Who’s Perfect tolle Möbel finden, manchmal gute Marken ohne die Marke. Man muß sich, so sagt man, ein bisschen auskennen. Nun, ich kenne mich nicht aus. Was ich sagen kann: Man kann durchaus schöne Möbel finden bei Who’s Perfect, auch ein Sofa war dabei, das zwar etwas langweilig war, mir aber ganz gut gefiel. Die Präsentation hat den Standard eines Waschmaschinendiscounters, der Vorhänge aufgehängt hat, aber schließlich ist man hier, um Geld zu sparen. Und da hätten wir auch schon das Problem: Ein Sofa ist keine Notwendigkeit, sondern eine Extravaganza. Als solches hat es sich zu benehmen. Ein Who’s Perfect-Sofa steht aber hinterher im Wohnzimmer und erinnert einen daran, daß man zwar Geld sparen wollte, aber auf den Verdacht nicht verzichten, vielleicht doch eine sogenannte große Marke gekauft zu haben. Deswegen muß man dauernd sich selbst und allen anderen einreden, daß es ja nur auf das Sofa selbst ankomme und wie albern es sei, auf schöne Kataloge wert zu legen. (An Produkten ist alles da, von großem Mist bis ganz in Ordnung — nie mehr als ganz in Ordnung, Möbel mit allzuviel Charakter haben sie nicht, die würde man ja auch erkennen.) Zusätzliches Problem: Verkäufer, die mit einem halbwegs anständigen Bezugsstoff nur nach zweimaligem Nachfragen herausrücken, weil sie fürchten, daß man hinterher den besseren Stoff mag, aber nicht bezahlen kann und deswegen gar nichts kauft. Nun, das kann passieren, aber so soll es doch sein! Verkäufer, die das nicht einsehen, boykottiere ich.

Leolux: Zu smart und zu bieder, die Möbel aus Holland. Nicht schlecht, das sicher nicht. Aber bei Leolux macht man etwas, was auch deutsche Möbelhersteller gerne tun, und was ich verabscheue: Man baut Möbel flexibel und funktional. Darunter ist zu verstehen, daß alles mögliche verstellbar, drehbar, klappbar, verschiebbar, ausfahrbar, einstellbar und anpassbar ist. Bewegliche Teile gehören sich nicht, und an Sofas schon gar nicht. Man setzt sich rein, und alles ist gut. So geht es. Man setzt sich nicht rein, konfiguriert sich eine Nackenstütze, programmiert die Fußablage und schraubt an der Rückenlehne. Der Ort für derlei Tätigkeiten heißt „Autositz“ oder „Windows Vista“. Ingenieure: Finger weg von Polstermöbeln. Wenigstens von denen. Es spricht der Enkel eines Sattlers: Finger weg von Polstermöbeln!

Ligne Roset: Königreich der Übertreibung, Königreich der Leichtigkeit. Ich liebe die Kataloge von Roset. Zur Zeit haben sie zwischen drei und vier Sorten Sofas im Programm, die nur in kleinen Palästen, alten Wasserwerken und ausgeräumten Landsitzen genug Platz um sich herum hätten. Fabelhaft, kantig, übertrieben, vor allem nicht ohne Humor. Man muß allerdings fürchten, daß sie nicht von Besitzern von Palästen und Wasserwerken gekauft werden, und selbstverständlich ist der bloße Gedanke daran, sich so etwas selbst zuzulegen, absurd. Schon, weil man eine Frau sein müsste für die wirklich charakterstarken Sachen. Aber der Glanz dieser Stücke strahlt auch auf die zurückhaltenderen Roset-Möbel ab, und fast alle Sofas (außer dem furchtbaren Multy) sind durch und durch richtig: Mit einem bezaubernden Sinn für die Beziehungen zwischen Luxus, Müßiggang und Leichtigkeit, den auch die Kataloge immer wieder bebildern: Weite, kaum dekorierte Räume, wunderschöne Möbel und wunderschöne, sehr gelangweilte Frauen, oder gleich gar keine Menschen. So geht das mit Möbeln, die man trotz ihrer Funktion ertragen kann, und so geht das mit Sofas, die man sich als Mann kaufen kann: Ohne einen Hauch von Häuslichkeit, gleichzeitig ohne die Anstrengungen der Angeberei — man könnte sich einfach drauf setzen und wäre man selbst. Und eine Frau könnte sich daneben setzen und würde sich auch wohlfühlen (nicht belagert), und niemand müsste jemandem etwas vormachen.

Antiquitäten aus Dänemark: Vor einigen Wochen dieses Art-Deco-Sofa, das so streng, vollendet gelassen und vornehm war, daß man ihm sofort ein paar Stockwerke mit vier Meter hohen Flügeltüren in einem Metropolis-Wolkenkratzer mit Gargoyles hätte freiräumen wollen. Heute gleich zweimal das hier: Ein Dreisitzer von Bodil Kjaer, genauso leicht wie die Schreibtische, genau wie die Schreibtische materiegewordener Bote aus einer hypothetischen Welt, in der alles 10% besser ist. Nicht nur zum Draufsitzen, eignet sich auch sehr zum Davorniederknien.

De Sede: Immer noch. Immer noch die unbestrittenen Meister in der Kategorie Vertrauen-ins-Sofa. Aber irgendwie doch hart an der Grenze zu unerträglicher Ältlichkeit bei einigen Modellen, und es ist viel smarter flexibel-und-funktional-Unsinn dabei — auch das ein Zeichen einer offenbar mit der Marke gealterten Käuferschaft, die mal wieder beweist, daß beige Jacken und Schuhe keinesfalls der Geschmack der jungen Leute vor fünfzig Jahren waren. Ein paar Sofas von unzweifelhafter Klasse machen sie immer noch, charakterstark und warm, wie es sein soll, und dort greift dann auch der De Sede-Faktor: Wer sich in einem von denen wiedererkennt, kriegt ein passendes Sofa und das schweizer De Sede-Gefühl von Ewigkeit.

COR: COR ist ein Sonderfall, eine bemerkenswerte Ausnahme, und das liegt vor allem an Conseta. Die haben auch andere gute Sofas, radikale, interessante, schöne Polster für kluge Menschen, aber allein Conseta, korrekt konfiguriert, genügt, um jeden Zweifel an COR unmöglich zu machen. Solange es die Conseta, korrekt konfiguriert, gibt, kann nichts schiefgehen. Conseta steht vor Bücherregalen im Halbdunkel. Conseta ist das Möbel der wohlmeinenden Herrschaft der Rationalität, der unaufgeregten, fürsorglichen, zentralgeheizten Moderne, ein Sofa für die verlässlichen, komfortabel lebenden, lesenden, ruhigen Menschen in Bauhaus-Bungalows — gleich welchen Geschlechts: Diese Sorte Zurückhaltung steht uns allen zur Verfügung und hebt uns auf in sich.

Link | 13. Dezember 2008, 17 Uhr 27 | Kommentare (2)


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Da fehlt was (wenn man mal den Preis beiseite läßt):

B&B Italia

Kommentar by Marquee | 19:12




Ohja! Und B&B kenne ich sogar, anders als die sicher zahlreichen anderen Italiener. Trotzdem habe ich sie vergessen gestern, und auch bei meinen sporadischen Streifzügen in den letzten Monaten ist mir offenbar keins aufgefallen. Kann Zufall sein. Kann auch an der Preisklasse liegen (bei all den Sachen da oben habe ich mir früher oder später einen Preis ansagen lassen, bei B&B eben nicht, deswegen weiß ich nicht.) — oder es liegt daran, daß ich das Vorurteil habe, italienische Möbel neigten etwas arg zu Materialschlacht und Wucht.

Kurz im Web nachgesehen: Vorurteil jedenfalls teilweise widerlegt. Schon sehr nonchalantes Zeug dabei.

Kommentar by spalanzani | 19:59