Vigilien

is there any any? nowhere known some?

So Leute, es regnet draussen, es pisst, es, sagt man das, schifft, und das ist es, was los ist. Der Regen steht in großen Lachen auf den Wegen und die Hundescheiße fließt in Schlieren auseinander. Ihr: Wenn ich zusammenfassen darf, ihr seid überwiegend nicht ganz so jung wie ihr denkt. Man sieht euch so und denkt sich bei sich: Du warst mal hübsch, so eine wie dich hab‘ ich mal gekannt und ziemlich gut gefunden, aber die war zehn Jahre jünger, sonst so wie du. Ihr: Sehr sorgfältig angezogen alle, das muß man euch lassen, da komme ich mit meinem durchgescheuerten Hemd nicht gegen an (verzeiht mir, ich bin zu schusselig, eins nachzukaufen, immer wenn Samstag ist und die Pflicht mich ließe, gehen mir die die Leute aufn Sack und Bücher hab ich auch zu lesen.) Also, ihr seid gut angezogen und nicht mehr ganz jung, und ich frage mich, was ihr eigentlich den ganzen Tag macht. Meistens benehmt ihr euch gut. Natürlich benehmt ihr euch nicht wirklich gut — es ist euch kein Anliegen, nett zu den Leuten zu sein, oder drauf zu achten, daß die andern ihren eigenen kleinen Stolz behalten können wenn ihr an was werkelt, so etwas liegt euch fern, daran denkt ihr ja gar nicht, Zaghaftigkeit gewöhnt man sich besser gar nicht an, nein, ihr benehmt euch gut im Sinne von: Ihr macht nichts, was jemand als bedrohliche Verbindlichkeit missverstehen könnte. Das heisst, ihr macht die ganze Zeit, so menschlich gesehen, gar nichts, da macht ihr nichts falsch. Je mehr von euch ich sehe, desto größer wird mein Drang, Euch grundsätzlich mit „tits or get the fuck out“ zu begrüßen. Es ist mir ein Rätsel, was ihr die letzten zehn Jahre eigentlich gemacht habt. Ihr seid genervt, weil nicht immer alles schön einfach ist und alle euch lieb haben, ihr streitet euch rum, weil dies und das, die Sonne scheint hier raus und das geht euch am Arsch vorbei, ihr seid hier ungerecht und da nicht behandelt worden, ihr habt alle, Fraktur an, irgendein erbärmliches Telefon das besser ist als euer letztes Telefon, Fraktur aus, und ihr wärt gern so und wieder anders, aber, es ist mir ein Rätsel. Ich meine, in den letzten zehn Jahren wart ihr zwischen zwanzig und dreissig, was zum Teufel habt ihr getrieben?. Ihr habt keine Kinder gemacht, keine Musik, keine Bücher, reich seid ihr nicht geworden (Häuser, Boote, Aston Martin? Nichts!), besonders gescheit auch nicht, also was war es? Und wieso guckt ihr mich an wie die Mondkälber? Hat irgendjemand irgendwas gemacht in letzter Zeit? Ficken, Kinder. Ich suche Zuflucht im Tourette. Ich sage einfach bei jeder Gelegenheit Ficken. Mehr fällt mir langsam nicht mehr ein. Ficken ficken ficken.

Link | 2. November 2009, 23 Uhr 54 | Kommentare (7)


7 Comments


Herr Caulfield,

„Ficken, Kinder“ ist ja vielleicht schonmal die Beschreibung eines Ausweges.

Kommentar by stralau | 0:44




Sollte man meinen.

Kommentar by spalanzani | 1:03




Tatsächlich – tatsächlich wollte ich Ihnen soeben schreiben, aber dies hier ist Ablenkung genug. Es ist Herbst, ja, und neblig, und – wie es morgens so ist, man versucht, sich Gedanken zu machen, ein paar zusammenhangslose Halbsätze treiben durchs Gehirn, einer verfängt, aus einer Süddeutschen-Buchkritik von vor vielleicht 10 Jahren: ‚[…]der Frauenhass der Brüder Goncourt[…]‘.

Kommentar by E. | 8:15




Mir scheint, Sie assoziieren aus einer Defensive, in der Sie nichts verloren haben, liebe E.

Aber wirklich, — gut, jetzt bin ich in der Defensive — verbringen Sie mal ein paar Wochen in Mitte bei den Individualisten. Wenn ich die Männer nicht explizit nenne, dann nur, weil sie als solche nicht einmal interessant sind. Die erwähnten territorial pissings bei gleichzeitigem Gejammer sind übrigens astreines Männerzeug. Die Möglichkeiten, sich da oben angegriffen zu fühlen, sind hoffentlich vielfältig, das gilt alles allen und keinem.

Kommentar by spalanzani | 9:57




Ich habe kein erbärmliches Telefon, dafür studiert, geheiratet, Kinder gezeugt, promoviert UND GEFICKT! Bitte sehr, so toll bin ich. Trotzdem habe ich nichts gemacht. Und Sie auch nicht, wie Sie ständig beteuert haben. Etwas machen heißt ja wohl auch: An etwas glauben.

Kommentar by froschfilm | 12:21




Das Bedürfnis, sich ein Bild zu machen von der Welt ist sicherlich das Bedürfnis überhaupt zu begreifen.
Ob Photographie dazu ein taugliches Mittel ist, ist sicherlich individuell zu betrachten, nicht von vornherein auszuschließen. Das (für mich) überhaupt faszinierendste an der ganzen Angelegenheit ist, wie der Versuch, „objektiv“ die Welt in Ausschnitten zu berichten, im wesentlichen Auskunft über das bildnehmende Subjekt gibt. Und zwar immer.

Als Staubsaugervertreter in Sachen Handzeichnung muss ich ggf. rhetorisch fragen: Haben Sie mal zu zeichnen versucht?

Da passiert mitunter das Gegenteil: Im Zeigen der oft (z.B. handwerklich) scheiternden subjektiven Weltsicht zeigt sich eine Welt als Objekt, gefiltert und reduziert auf das erzählenswerte und erzählensfähige.

Das ist möglicherweise Unsinn. Ich bin mir da grad nicht sicher.

Trotzdem.

Kommentar by gerdbrunzema | 7:42




Der Wunsch, es selbst so klar aufgeschrieben zu haben; der kleine Kumpel Neid, der fragt: „Könntest Du überhaupt?“ – vielleicht ist das der ehrlichste Respekt. Was für eine Wucht.

Es ist schön, hier gelandet zu sein. Bin nach der Technologiekritikkritik irgendwie hängengeblieben.

Kommentar by Christian | 10:25