Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Wort zum Jahreswechsel: Pray hard but pray with care.

„Was mich ja geradezu anwidert ist die Unschuld dieser Bevölkerung. Die sind ja an nichts schuld.“ (Heiner Müller, spät, neulich im Fernsehen, sinngemäß.)

Da muß man auch erst noch hinkommen: Sich an die Tatsache von Schuld zu gewöhnen, weil sie im Kleinen nur eine menschliche Tatsache ist (die Erynnien tun’s nicht unter Totschlag!). Und da ist es eben so: Daß das Leben da ist, wo die Schuld ist. Um dem Quichottismus der ewiglahmen Rechtschaffenheit zu entkommen müsste man also: Eine Propaganda der Schuldfreude betreiben und eine der Vergebung, jedenfalls fügte sich’s gut in alle laufenden Bestrebungen wider die Pingeligkeit: Gleich morgen misch ich meinen Müll.

(Wie ich heute früh paranoisch wurde, als ich Plastik in den neuen gelben Container tun wollte und das Ding ging nicht auf; und dann entdeckte ich die beiden roten Knöpfe links und rechts, die man jetzt drücken muß, gleichzeitig beidhändig, mit den schleimtropfenden Tüten an den Fingern, und dann nach oben drücken, damit das aufgeht; wie ich dachte: Sieh an, sie geben uns zu tun, sie geben unserem Leben Sinn und Recht, sie geben uns Regeln und immer neue, kleine, unsinnige Aufgaben, damit wir es richtig machen können, täglich, es genau nehmen, unseren Durst nach Rechtschaffenheit stillen können an der Brust der Plastikverwertungsindustrie. Und auch die neue kleine Schikane wird leise begründet mit dem Lied vom kranken Planeten und daß man ihm nur dann hilft, wenn man wirklich die beiden roten Knöpfe überwindet, sonst nicht. Der Gang zum Container. Jeder weiß: Ein Glaubensakt. Ein post-everything Glaubensakt mit undurchschaubarer Begründungslogik, die strukturell mehr ein Gebet denn ein Argument ist, weil Wiederholung und die Tabuisierung von Alternativen ihre berühmte Fadenscheinigkeit zwar nicht verhüllen, aber doch mit einem unerschütterlichen Nimbus zwingender Wahrheit behängen. Dazu die grüne Moral der 2000er, die es verstanden hat, den alten sentimentalen Naturkult in das Boot zu holen, in dem wir angeblich alle gemeinsam sitzen und nur kräftig genug ins Segel pusten müssten, das dann aufschwingen würde, und Heil! Heil! es ginge voran und alle hätten zu tun.)

Ach ja.

2 Satzanfänge, die in diesem Eintrag keine Verwendung mehr finden werden:

„Als Flitzerblitzer noch Radarfallen hießen, …“
„Wenn man den exponentiell erwarteten Anstieg dreckspackanbiedernder Fan-Chor-Werbung auf die Sommermonate extrapoliert …“

Link | 2. Januar 2006, 23 Uhr 50 | Kommentare (1)


Ein Kommentar


Mülltrennung ist ja sowieso out. Müllvermeidung rockt. Wiederverwendung statt Reseikling (aber möglichst noch nicht schleimtropfend).
Vielleicht stellen Sie mal am Balkon nen Kompost auf?

Kommentar by Sonntagsblogger | 16:57