Vigilien

is there any any? nowhere known some?

„Menschen haben zweierlei Eigentum: Ihre Lebenszeit, ihren Eigensinn.“

Lebenszeit nehmen Menschen offenbar auf zwei sehr verschiedene Arten wahr:

Es gibt die vernichtende Zeit, die einen idealen Urzustand zerstört, die wegläuft und zeichnet, der man zuvorkommen muß und in der man möglichst schnell möglichst viel Erfahrung unterbringen muß — und auf dem Weg dazu alle Hindernisse aus dem Weg räumen.

Und es gibt die veredelnde Zeit, deren Verlauf selbst als wertvoll gedacht wird, die einen idealen Endzustand anstrebt und die man schützen muß, um für Erfahrung überhaupt frei zu sein.

Menschen, die in einer vernichtenden Zeit leben, fürchten, nicht mehr jung genug zu sein für eine Erfahrung und etwas zu verpassen; Menschen in veredelnder Zeit fürchten, nicht alt genug zu sein und etwas nicht auszuloten. Man kann bis in ihren Arbeitsmodus hinein verfolgen, wie Leute ihre Zeit wahrnehmen. In vernichtender Zeit herrscht ein Glaube an schnellen, gezielten Gedächtniszugriff und logisch projektierte Beherrschung von Problemen (Qualitäten der Jugend). In veredelnder Zeit wird vor allem an gründliche, ausgedehnte Beschäftigung mit einem Problem geglaubt (Qualitäten des Alters).

Natürlich hat keine Seite Recht und beides funktioniert. Wenig überraschend allerdings, daß ich eine Vorliebe habe: Der Tod als Faktum und Schweinerei verlangt Verachtung und muß wie Bibliothekspersonal behandelt werden: Man geht ihm aus dem Weg und schert sich im Übrigen nicht um seine wichtigtuerischen Imperative.

[Drüben auf dem Hügel möcht ich sein]

[Von der seligen Albernheit, ein großkotzig altkluger Jüngling zu sein]

Link | 1. Februar 2006, 1 Uhr 57 | Kommentare (1)


Ein Kommentar


Mir gelingt die Einteilung Kronos Kairos weitgehend. Zumindest im näheren Nachhinein erkenne ich einen Kairos. Das macht die Zeit gemütlicher. Während Kronos. ja wie Sie schon zitierten: Zeit (und Arbeit, Leben, Raum) vernichtet. Kairos entzieht sich zudem der Einteilung. Kronos fliesst während Kairos ist. Naja, zumindest oft. Manchmal. Selten. Nie.

Kommentar by grau | 22:02