Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Eine Position zu vertreten und durchzufechten, ist, unabhängig vom Erfolg, immer eine unerträgliche Verhärtung, es sammelt sich ein Egobelag auf der Haut, der tagelang gar nicht zu ertragen ist. Das klebrige Zeug ist eine Mischung aus der aufdringlichen Behauptung der eigenen Existenz und einer Art, die Welt zu sehen. Es ist, am Ende, Beschmutzung mit Gewalt. Viel sentimentale Klaviermusik muß diese Schicht wieder abklöppeln in stundenlangen Sitzungen.

Das würde wohl einen schlechten Wissenschaftler aus mir machen. Die Notwendigkeit auch dieser harmlosesten Form der Gewalt leuchtet mir nicht ein. Die Beschmutzung mit eigenem Rechtbehaupten scheint die Sache nie wert. Eine Kurve, die hohe Birkenallee streckt sich hin, ein Mollakkord und eine gemeinsame Bewegung des Laubes, gebrochenes Silber, Arpeggio: Was mache ich hier? Warum ist das wichtig? — weg.

Ich glaube, der Wettkampfcharakter der Sache ist schuld. Wenn man nicht sehr aufpasst, verwandeln sich ja die meisten, auch die guten, Sachen in Sport. (Sportlichkeit, übrigens, ist, wo es sie wirklich gibt, ja tatsächlich eine erstaunliche Eigenschaft, insofern sie alles, was eklig am Sport ist, in Größe tunkt und vernichtet. Ich habe sie nur bei ein paar echten Sportlern gekannt, im Alltagssport kommt sie nicht vor.)

Wettkampf stößt mich ab; so sieht’s aus. Eine Überreaktion, vermutlich. Ich brauche nur ein Weblog zu lesen und Toplist-Ambitionen zu bemerken. Einem Menschen zu begegnen und zu sehen, daß er antritt unter eigener Flagge. Dabei schätze ich die Kampfsäue — aber sobald ich den Eindruck bekomme, daß sie kämpfen, um etwas zu schlagen, jemanden, sich selbst, einen Standard: das rote Tuch weht: Zu viel davon da draußen, ohne Haltung, ohne das Lächeln derer, die auch genausogern verlieren würden. Öde Nike-Welt. Competition runs in our genes. Genau da.

[Das hat alles mit Humor zu tun, aber über Humor redet man nicht.]

Link | 3. Februar 2006, 1 Uhr 55 | Kommentare (4)


4 Comments


Hm. Bin ja immer noch der Meinung Hoffnung, man könnte diesen Wettkampf einfach ignorieren – schlicht nicht daran teilnehmen.
Ist es nicht oft so, daß der Wettkämpfer – so er nicht subtil genug vorgeht – als solcher entlarvt wird, und zwar genau von dem Entscheider, der wahre Größe hat und solche Wettkämpfer gar nicht haben will?
Sicher muß man auch irgendwie die eigenen Fähigkeiten demonstrieren, aber wirklich im Komparativ?

Kommentar by Sonntagsblogger | 8:52




Oh, vorankommen. Davon weiß ich ohnehin nichts.

Kommentar by spalanzani | 12:56




Wettkampf ist etwas herrliches! Dabei geht es nicht um gie Destruktion oder Erniedrigung eines vermeintlichen „Kombatanten“, sondern viel mehr um ein Spiel mit den eigenen Möglichkeiten. Wettkampf kann dir sehr genau vor Augen führen, wie weit du von dem entfernt bist, wovon du glaubtest, es bereits erreicht zu haben.Im Wettstreit mit dem eigenen Selbstkonzept zu sein, gibt dir die Chance, dich zu verändern. Je größer die Möglichkeit ist „verlieren“ zu können, sprich den eigenen Ansprüchen nicht zu genügen, desto ergiebiger die Auseinandersetzung mit den eigenen Unzulänglichkeiten.
In meinen „Wettkämpfen“ verliere ich öfter als dass ich gewinne. Das lässt mich hoffen…

Kommentar by jan | 13:46




Also, Wettkampf. Ich überlege wie das überhaupt gehen soll, ein Leben ohne Wettkampf. Man muss sich ja nicht gleich aufspiessen (verbal oder real), aber einfach nur reden und bei unterschiedlichen Meinungen die grosse Toleranz beschwören um sich nicht an einer Überzeugung versuchen zu müssen. Das erscheint mir noch weniger attraktiv als eine verbale Aufspiessung. Kritik ist ja auch etwas erwünschtes (hoffentlich) und da schwingt immer ein wenig besserwissen, ergo besiegen, mit. Immerhin wird da die eigene Meinung jemand anderem vorgetragen, mit der deutlichen Überzeugung, dass eben diese Meinung gegenüber der des Anderen Vorteile hat. Genauso mit der Selbstkritik.

Ich finde das hat alles hauptsächlich mit Anspruch zu tun; an sich selbst, an andere. Und wenn man Ansprüche stellt, dann bitte: kämpf dafür!

(hier wird mir klar, dass womöglich das Wort „Wettkampf“ selbst das eigentliche Problem darstellt, oder vielmehr die Art und Weise wie es verstanden wird; ein Beispiel: Ich kann nicht Skifahren aber ich will es lernen, in der zweiten Woche Falle ich noch immer ständig auf die Schnauze und eigentlich tut es hauptsächlich weh. Trotzdem gehe ich weiterhin zum Unterricht – hier ist der Wettkampf mit mir selbst [!] – und siehe da, in der dritten Woche komme ich ohne Fallen den ganzen, nun ja, Hügel hinunter. Ergebnis: ich kann besser Skifahren weil ich mich selbst besiegt habe. Das freut mich.)

Kommentar by Max | 23:07