Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Städter, die Sehnsucht nach Bäumen haben, Seen, Feuer und Laub: Das sind Landmenschen, die wegen des Denkens (und aller Folgeformen) in die Stadt gekommen sind, weil man auf dem Land alleine hätten bleiben müssen damit, was ja unmöglich ist.

Echte Stadtleute halten Bäume und Seen für Dinge, die zu ihrer Erholung dienen und für die sie möglicherweise eine Schwäche haben, wie für koreanisches Essen — aber sie erkennen den tiefen Ernst nicht, mit dem Wälder sich nicht für Menschen interessieren: Die Haupteigenschaft der Wälder, könnte man sagen, ist ihre Gleichgültigkeit. Wir können nichts tun, um sie von uns zu überzeugen, und es kümmert sie nicht, wenn wir hinter ihrem Rücken schlecht über sie sprechen. Diese Eigenschaft der Wälder, ihre schweigsame Treue, ist Landmenschen verständlich — heimlich wünschen sie, wie die Wälder zu sein — Stadtmenschen, deren (formbare) Welt aus Menschen und Meinungen über Menschen besteht, hingegen, ist sie wesentlich fremd.

(Nebenbei: Es könnte jemand einwenden, was für die Wälder gelte, gelte ja dann auch für Steine und Gegenstände. Das stimmt aber nicht: Steine liegen nur herum und sind zu stumpf für Gleichgültigkeit, und daß die Gegenstände uns aus den Ecken unserer Zimmer mit Pendeln und Stoppuhren in den hölzernen Händen belauern, ist ja bekannt.)

[„I’ve got a theory!“ – „good heavens.“ – „noo! bear with me! it’s a good one this time!“]

Link | 18. Juni 2013, 23 Uhr 02 | Kommentare (6)


6 Comments


Was für ein erfrischender Text! Besser als baden gehen, im See oder im Freibad.

Kommentar by ben_ | 13:47




Ja, ich stimme zu. Und ich wäre jetzt gerne, wie der beschriebene Städter, in einem Wald. Genauer: Am Waldesrand. Laubwald. Der Moment, der Anblick, wenn die Sonne noch scheint, aber schon dunkle Wolken heranziehen. In den kräftigen Böen, die vorgeschickt werden, biegen sich die Blätter nach oben. Von der Sonne angestrahlt heben sich die silbrigen Unterseiten der Blätter gegen die heranziehende Dunkelfront hell ab. Ich werde schon einmal ein Obblätterdach aufsuchen. Und sitze stattdessen hier im Büro.

Kommentar by Claire | 14:00




Das Wetter hat sich aufgeklärt. Es ist das Ende des Tages. Die Sonne steht niedrig, zur Linken, hinter den Stämmen. Ihre kaum geneigten Strahlen zeichnen auf der ganzen Oberfläche des Weihers schmale, leuchtende Streifen, die mit dunklen, breiteren Streifen abwechseln. […]
In Reichweite, ganz nahe am Südufer, schließen sich die Äste der Spiegelung an alte, überspülte, rote, aber noch ganze Blätter an, deren unversehrte buchtige Ränder sich deutlich vom Schlammgrund abheben — Eichenblätter.
(Robbe-Grillet, Die falsche Richtung)

Auch: hier.

Kommentar by spalanzani | 20:30




Ich würde da zustimmen, wenn man durchgängig „Bäume“ mit „Katzen“ substituiert, sonst finde ich, haben Sie mit das wichtigste Attribut des Waldes, das Unheimliche komplett ausgeklammert – wenn man an Filme über Wälder denkt, dann geht es ganz, ganz oft um das Unheimliche, man muss nicht wirklich suchen. Und das ist dann auch der Hauptaspekt für die echten Stadtmenschen, meiner Meinung nach, neben dem 70er-Trimmdichpfad-Aspekt, bei dem der Wald willkommenen Sauerstoff in die Lungen pumpt – man kennt den Wald nicht wirklich, man versteht ihn nicht, und wenn er nicht symbolisch abgegrenzt ist, geht man auch nicht wirklich hin (schon gar nicht hinein), obwohl man ganz gerne hätte, daß ihm jemand nachspürt, dem Unheimlichen, so wissenschaftlich und so. Ihr Aspekt ist subtiler, und wird deshalb, glaube ich, viel seltener behandelt: Spontan fällt mir ein die Jungfrauenquelle von Bergmann, sonst aber nichts – dort aber so richtig: Während des Verbechens scheint die Sonne ganz heiter und unbeteiligt, und scheint noch immer heiter und unbeteiligt, wenn Karin danach weinend in der Lichtung steht, es könnte effektiv kein heitererer Tag im Wald sein, um mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen zu werden. Die Schlussszene des Films, meine ich auch, widerspricht eher Ihre Aussage zu den Landmenschen – die Natur reagiert irgendwann doch, nur hat sie sich viel Zeit gelassen, und nicht interveniert, aber für die innere Logik der meisten – auch Landmenschen scheint das ewig Unbeteiligte auf Dauer zu unerträglich. Es gibt dann doch zu viele Geschichten von wundertätigen Rosenstöcken, von Seen, die Gewittern lassen, wenn man Steine hineinwirft, und und und…. Ich meine ja, daß sich die kein Städter ausgedacht hat.

Übrigens neuer Trend: Date im Todeswald! (Zwischen Puderbach und Daufenbach)

http://www.geisternet.com/gnetboard/thread.php?threadid=7031

Kommentar by E. | 21:20




Ja! Ja!

Kommentar by froschfilm | 22:56




Smile.

Kommentar by Eiseisbaby | 16:23