Je älter man wird und je länger man eine Umgebung bewohnt, desto schlechter wird die Auflösung der Wahrnehmung. Wenn dann noch äußerer Druck dazu kommt, verliert die Welt ihre nicht-funktionalen Eigenschaften, also gewissermaßen ihre Sinnlosigkeit. Man kann zum Bahnhof gehen und einen Zug besteigen, ohne eine einzige sinnlose Sache wahrgenommen zu haben. Der Zug war ein Zug, insofern er erst nicht da war und dann da war, also das reine Zu-Erwartende, die Tür war eine Tür, insofern sie durchschritten werden musste. Farbe hatte der Zug nicht. (Er wird rot gewesen sein, im Allgemeinen sind sie rot.)
Vom Standpunkt der Effizienz, also dem einzig gültigen Standpunkt, ist dieses Verhalten des Wahrnehmungsapparats folgerichtig und begrüßenswert. Vom Standpunkt des Charakters ist der resultierende Zustand gefährlich.
Man ist aber nicht hilflos. Ein Trick, der fast immer funktioniert, ist beiläufig irgendwo zwischendurchzuschauen. (Es gibt normalerweise keinen Grund, irgendwo zwischendurchzuschauen. Sic.) Bringt man sich dazu, derart den Fokus zu verlieren, platzen die Qualitäten aus den Funktionen; im schmalen nutzlosen Streifen Wirklichkeit zwischen Brücke und Dach zeigen Blätter Silberbäuche und Schwarmverhalten. Die Welt ist unsinnig kleinteilig. Der Zug hat nicht nur Farbe, er hat Persönlichkeit: Genau dieser Zug wäre morgen wiederzuerkennen. Er ist nicht die Instanz einer Regionalbahnlinie, er ist ein Gegenstand mit eigens zerkratzten Scheiben, der abends in eine Garage gefahren wird und dort im Dunkeln knisternd auskühlt.
[wenn ich einmal Guru bin]
[Haptischer Kanon des Mitteleuropäers, „platzen“: Impatiens noli-tangere]