Vigilien

is there any any? nowhere known some?

A.L. Kennedy, Alles was du brauchst, erstes Drittel. Ich gestehe: Nichts für mich. Vielleicht schlecht übersetzt, jedenfalls sprachlich fast immer zwischen Banalität und Irrtum. Besonders die Dialoge sind kaum zu ertragen, allerdings haben die auch inhaltlich Probleme: Kennedys Figuren verwenden explizite Psychologismen. Metagespräche, also über Vertrauen und andere Zwischenmenschlichkeiten, sind in der Wirklichkeit viel seltener als in der psychologisierenden Kunst und werden, wenn doch, in einer extrem privaten Sprache geführt, die kaum abbildbar ist. Schon gar nicht sehr früh in einem Roman, wo der Leser die Figuren nicht kennt. Wenn eine Figur schon nach ein paar Seiten das Wort „Vertrauen“ benutzen muß, stimmt etwas nicht mit einem Buch.

Noch mehr stört mich der Lärm, der um die Schriftstellerei gemacht wird. Dabei habe ich nichts gegen Autoren, die über Autoren schreiben. Nur interessieren mich dann doch nur Bücher über Autoren, deren Bücher ich ebenfalls lesen würde. Und das ist bei keiner der Kennedy-Autorenfiguren der Fall. Sie sitzen auf einer kleinen Insel und sind alle mehr oder weniger borderline. Vielleicht habe ich aus eigener Beschränkung kein Verständnis für die Sorte Tiefstkunst, die so wohl produziert werden muß — oder, wie Nathan, auf die Frage: Was willst Du wirklich? sagt: das Unerreichbare — (spuk! spuk!) — aber ich kann mir da nicht helfen: Das interessiert mich nicht. Ich bin zu gesund dafür. Was nichts heißen will, selbst Beckett und Kafka sind zu gesund für so etwas, insofern sie nämlich Humor haben.

Wenn man Frau Kennedy wohlwollend unterstellt, daß sie zu den Inselfiguren ebenfalls Distanz hat und weiß, was sie tut, setzt sie ihre Protagonistin immerhin noch experimenthaft diesen Leuten aus. Ich halte das für unnötige Quälerei, es ist nichts draus zu lernen und Spaß macht es auch nicht. Selbst wenn sich Mary am Ende gegen die Schwachmaten durchsetzen können sollte, selbst wenn sie ihnen und dem elenden Schriftstellereigeseibel den Mittelfinger zeigt und zu Onkeln und Jonno zurückkehrt, bliebe die ganze Sache eine Übung aus dem in jüngerer Vergangenheit erschöpfend behandelten Repertoire des Wir quälen junge Frauen und sehen mal, wie wir uns dabei fühlen. Vielleicht kommt ja bei anderen Katharsis heraus, ich bin nur genervt.

Immerhin mag ich die Chemie zwischen dem alten Zausel Nathan und der jungen Mary. Auch Nathans innere Monologe sind plausibel und gut. Wenn das Ganze jetzt in einer Glasgower Stadtwohnung stattfinden könnte anstatt in diesen exaltierten Ausnahmesituationen, und wenn Nathan nicht Marys Vaters sein müsste ohne daß sie es weiß, hätte ich, glaube ich, Freude daran.

[Ich bin dein Vater, Luke. Ich bin dein Bruder, Guybrush.]

Link | 6. Oktober 2006, 13 Uhr 59 | Kommentare (2)


2 Comments


„Wie zwei Figuren in einem Adventurespiel?“

Kommentar by froschfilm | 18:48




Geben Sie Frau Kennedy noch eine Chance: vielleicht „Paradise“?

Kommentar by andrea | 12:12