Vigilien

is there any any? nowhere known some?

1. Daß ich drüben schon wieder durch die gelben Bäume den Gehsteig sehe, freut mich. Seltsam. Dieses Glück im Oktober. Es ist wohl ein wenig pathologisch, man gibt mir das gelegentlich zu verstehen: Grund dafür gibt es doch wohl keinen, wie kommst Du nur dazu?
2. Während die Deutschen spielten, es war ein heißer Tag, alle saßen schwitzend vor den Fernsehern und glotzten, raunten und brüllten, trug ich Papier die Schönhauser Allee hinunter. Vor dem Tattooladen saß ein Mädchen auf einer Couch, hübsch und braungebrannt, aber natürlich ein Tattooladenmädchen, mit denen habe ich sonst nicht viel Umgang. Sie war die einzige weit und breit, die nicht vor dem Fernseher saß, und sie fragte mich: Wie steht’s? Und ich sagte: Keine Ahnung! Es ist mir gleich! Und sie: Ich habe keinen Fernseher, mir ist es auch egal! Dann ich, im Vorbeigehen schon, halb rückwärts: Darum sind wir beide ja auch die coolsten Säue hier. Sie: Dann bleib bei mir! (und klopfte neben sich und hüpfte.) Und ich: Ich geb das hier schnell ab und komm‘ gleich wieder! (Als ich das hier abgegeben hatte, war das Spiel zu Ende und vor dem Tattooladen großes Hallo, trainierte bärtige Burschen mit Bier etc. etc.)
3. Ich hasse diesen Film, hoffentlich ohne ihn je sehen zu müssen.
4. Soviel zum Sommer.
5. Meine schönen Nachbarn sind noch da, sie sind auch nicht hässlicher geworden. Meine schöne Nachbarin telefoniert, ihr schöner Unterarm hält das Telefon; wie ihre Stimme klingt weiß ich nicht.
6. In der Trash-Mitnehmpizzeria gegenüber war ich noch nie. Ihr Neonschild leuchtet, aber es funktioniert nicht. Ich bin ihm seit über einem Jahr 14 Stunden am Tag ausgesetzt, aber ich überquere nicht ein einziges mal die Straße und esse Pizza.
7. Im Grunde reichen zwei gute Jahre pro Leben. Mehr kann man nicht wollen.
8. Überhaupt scheine ich mich der Bonusphase des Lebens zu nähern. Alle wichtigen guten Sachen sind passiert, ich kann eigentlich nichts mehr einklagen, wenn jetzt noch etwas kommt, gerne, genug Zeit ist ja, aber Ansprüche kann ich kaum noch anmelden. Das ist natürlich sehr angenehm.
9. Anhäufung ist mir zuwider.
10. Am Dienstag spreche ich mit einer Zeitarbeitsfirma. Ich hoffe, daß es richtig scharfe Hunde mit üblen 15-Stunden-Knochenbrecherprojekten sind. Das Wort „verheizen“ ist sexy, Lebenszeit verheizen. Man hat so viel davon. Man kann zwei Jahre verheizen; man hat zu tun, verblödet ein bisschen und bekommt kübelweise Geld dafür, das kann man dann ausgeben; mich dürstet vor allem nach dem nihilistischen Gefühl beim Kauf von idiotisch teuren, nutzlosen Sachen.

[Haben Sie das Vanitasmotiv bemerkt?]

Link | 7. Oktober 2006, 18 Uhr 31 | Kommentare (2)


2 Comments


Noch gar nichts gelb hier, außer Ampeln.

Kommentar by froschfilm | 20:36




du solltest vielleicht einfach mal raus. die euro-kokke abschütteln. dort hin wo einem die bäckerei-fachverkäuferin blond lächelnd entgegenstrahlt… verdammt, ich wollte doch nur ein pausen-hörnchen zum kaffee.
zuerst wunderst du dich. dann merkst du es – berline bedeutet: nach oben buckeln, nach unten treten. ganz easy…

Kommentar by lalo | 23:00