Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Die Bildsprache von Maklerphotographie folgt dem Wohngeschmack, der wiederum die Räume formt, in denen das Bewusstsein der nächsten Jahre geformt wird; insofern ist sie ein Vorhersageinstrument. Vogelschau im Immobilienscout, den ich täglich konsultiere, ohne je eine Wohnung zu besichtigen; meinem Bedürfnis nach Sichtbeton, langen und verschlungenen Gängen, düsteren Winkeln und toten Türen kann nicht entsprochen werden.

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Das Provisorische der gezeigten Räume: Da sie systematisch renoviert wurden, um jedem denkbaren Bewohner zu entsprechen, also auf Helligkeit, Weißheit, Altbausubstanzkitsch und sinnvolle Raumaufteilung optimiert, entsprechen sie niemandem mehr; man wohnt nur provisorisch dort, einst wird es die richtige, die eigene Wohnung geben. (Nur in einem Provisorium würde Laminat geduldet werden.)

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Noch provisorischer sind die kleinen, teuren Appartments mit exclusiven Bädern. Allein ihre völlige Unbewohnbarkeit macht sie attraktiv. Glitzernd spiegeln sich die versenkten Halogendeckenlampen, nichts wird bleiben von allem, was hier geschieht, am Freitagabend geh hinaus und erjage irgendeine Frau, blende sie im Licht der Halogendeckenlampen, vergiß sie; ein gefährliches Spiel mit dem Zynismus wäre eine solche Wohnung.

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Besonders störend: Der in die Wohnungen hineinrenovierte optische Eindruck von Geld. Räume, die Geld zeigen sollen, es ist aber erschöpftes, zappeliges, bedrohtes Geld, das sich fürchtet schon vor der ungeraden Scheuerleiste oder der dunklen Ecke, die gedeutet werden könnte als Kompromiss. (Und alle perfekt? — Not at all. Naturallement prefero las linguas latinas.)

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Es ist ja eben so, daß man sich viel lieber von Kierkegaards Urteil jagen lassen will als vom dem der Zeitgenossen. Der kleinste und nötigste Klassenkampf ist der mit dem eigenen Geschmack; die Neigung zum Unort außerdem vermutlich Folge eines unbedingten Willens zur Wachheit, der sich niemals gegen Bequemlichkeit verhandeln ließe. Jede Begründung für diesen Willen versagt lange vor der Erwähnung etwa einer Sehnsucht nach Intensität, man soll ihn nicht begründen, es hat keinen Zweck, die Welt bringt solche Menschen hervor, basta-la.

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Es muß ein Plan erdacht werden, ein perfider Plan mit Überlistung, und durchgeführt werden. Ein Plan ist ein Fremdling in der Kausalität, die Dinge entwickeln sich organisch und konsequent und im Augenblick; die Bankräuber bewundern wir, weil sie einen Plan ersinnen, der in den natürlichen Lauf der Welt, in dem immer nur der erste Gedanke gedacht wird, einbricht durch das Denken eines zweiten Gedanken. Wenn man jung ist, glaubt man, es genüge, nie das Naheliegende zu tun, um wach zu bleiben, das erweist sich als Irrtum, das Leben muß aktiv und planvoll überlistet werden und der erste Schritt eines Plans führt immer ins Absurde; konkret also

(kichert)

Link | 1. Mai 2007, 11 Uhr 46 | Kommentare (3)


3 Comments


Ja! Schreiben Sie demnächst mal, wie man Pläne umsetzt. („So gelingen ihre Pläne!“) Nicht immer fällt mir das so leicht wie bei der Hochzeit.

Kommentar by froschfilm | 22:21




Die strukturelle Weiße als Zugeständnis an die Desorientiertheit, die eigene Positionslosigkeit klingt wider. Als Optimist könnte man das als Aufruf zur Postitionsbestimmung sehen.

(»Wer bestimmt eigentlich, dass ich tatsächlich nicht von diesem Balkon springe?« erinnerte sich in einem Film der Täter an ein Schlüsselerlebnis seiner Jugend, der zweite Gedanke seine erste Tat.)

Kommentar by etcpp | 8:38




minimum. maximum.

und trotzdem: es ist bleibt sinnlos.

Kommentar by kunstbetrieb | 11:06