Es gibt ja die Option — und die Frage dabei, werte Leser, ist, ob Sie mir in diesen Gedanken folgen wollen, ohne daß Ihre Gehirne vulgärpsychologische Abwinkkategorien ausspucken, die Sie ja gerne auf Ihre Nachbarn anwenden dürfen, die ich Ihnen aber hier als Beleidigungen ihrer eigenen Fähigkeit zur Akzeptanz der wilden Welt verbieten würde — es gibt die Option, ein Leben auf die Möglichkeit von Traurigkeit zu bauen.
Der Kern jeder Traurigkeit ist ein unbesiegbares Wissen. Wissen um einen Wert, der keiner weiteren Begründung bedarf. Möglichkeit zur Traurigkeit heißt, sich in dieses Wissen versenken zu können, und zwar praktisch und im Sinne der nötigen inneren Freiheit: Sich der Gesellschaft der Menschen und ihrer Funktionserwartungen entziehen zu können und sich dann einen Zustand zu gestatten, mit dem man tatsächlich alleine ist und in dem man sich selbst trauen muß (– und der noch dazu im Geiste der stumpfen Einbleuungen der Konsumförderindustrien als bestenfalls schnell zu überwindende Störung gilt.)
Die Möglichkeit zur Traurigkeit begründet ein Leben. Die kontemplative Erreichbarkeit einer Gewissheit (sagen wir: einer Liebe, also der Gewissheit einer nicht mehr verstehbaren Größe), auch wenn sie schmerzlich ist, verankert das Denken, entmachtet die Zeit und immunisiert gegen den Zynismus. Danach mag das Leben zucken und sich bäumen, festgemacht ist es doch, jetzt ist es nur noch ungeheuer interessant.
Glück übrigens ist eine von Traurigkeit vollkommen unabhängige Größe. Schon im späten August gewinnt das Licht in dieser Stadt manchmal für Viertelstunden eine Qualität, die jede bewusste Minute abhebt und füllt mit heller, wilder Verbundenheit, als geschehe alles gleichzeitig, als dächten wir in diesem Moment dasselbe — das Licht allein kann das, während wir in einer schäbigen Duschwanne kauern oder auf dem Weg zur U-Bahn sind. Wie könnte man in einer solchen Welt nicht glücklich sein. (Pursuit!: lachhafte Idee.)