Wir betraten also das Mainzer Museum für antike Schifffahrt. Ein nicht zu vernachlässigender Faktor bei der Entscheidung zum Eintritt war, daß das Museum für antike Schifffahrt unter Mainzer Studenten dafür bekannt ist, eine saubere und kostenfrei nutzbare Toilette zu führen. Es ließ sich wohl nicht vermeiden, daß wir, einmal eingetreten, uns für antike Schifffahrt zu interessieren begannen.

Der Besuch eines Museums empfiehlt sich grundsätzlich in Begleitung einer Frau, die man begehrt. Geschlechtliche Schwerkraft gewinnt einen besonderen Charakter, wenn sie gerade unangemessen ist, dabei aber Raum und Ruhe hat, sich auszubreiten und bemerkbar zu machen. Der lockende Körper, unerreichbar versunken in die Betrachtung der Plankenreste eines römischen Schiffes, ist dabei aller eigentlich sexuellen Anziehung entkleidet, man kann wohl keine Holzbrösel anschauen und scharf aussehen, das geht nicht, die Schwerkraft des Geschlechts wirkt sanfter: Unvorstellbar, daß Nacht wäre — jedoch: Ein unsichtbares Gummiband dehnt und entspannt sich, wenn man neben den im Museum hergezeigten Gegenständen noch jemanden im Blick zu halten versucht. Man bewegt sich nicht frei, sondern bezogen auf ein zweites Interesse, das heilig ist und nicht gestört werden darf in seinem Körper. (Lebendig, Unspezifisches verheißend, jedenfalls aber klar auf dieser Seite der Kordel, also auch beruhigend.)

Das Trierer Weinschiff ist leider hässlich. Abscheuliches Ding. Dafür kann das Museum nichts, was soll es anfangen mit dem proto-rheinfrohsinnigen Unsinn, er muß wohl gezeigt werden. Man kann dem Mainzer Museum für antike Schifffahrt nicht vorwerfen, sich der Verpflichtung nicht zu stellen, die aus der Tatsache erwächst, daß beim Bau des Hilton Schiffe erschienen, wo Keller werden sollte. Nein, das Mainzer Museum für antike Schifffahrt gibt sich wirklich Mühe. Besser kann man es nicht machen.

Das römische Stadttor liegt in einem Loch auf dem Berg. Um das Loch herum stehen postmoderne Bauten. (Beim Bau der postmodernen Bauten vor 20 Jahren gruben sie das Tor aus und konservierten die Grube.) In den postmodernen Bauten leben Familien; Kinder haben Tiere aus Tonpapier geklebt, allerdings in unwahrscheinlicher Präzision, Eltern sind so leicht zu täuschen. In den Fenstern kann man die Pappen sehen. Wenn das grüne Tonpapier lange genug in der Sonne bleibt und bleicht, nähert es sich dem Ton der gut schließenden Kunststoff-Fensterrahmen der postmodernen Häuser an. Die sehr strukturierte Siedlung — die Nachbarschaft funktioniert, denke ich, sicher gut — endet in einer klaren Front: Blick über Mainz. Die Wohnungen mit Blick sind etwas größer und teurer. Dort ist der Dom. Neben dem Eingang des postmodernen, farbig rohrverzierten Hauses mit Blick über die Stadt: Eine Bronzetafel. In diesem Haus lebte und arbeitete etc etc von bis 1927.


[Mainz Kästrich]