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zak
Befindlichkeiten


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2008.06.16 | 1:55 am | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Appendix

Die unglaublich dunkeldeutsche, verfallene Anmutung der Wuppertaler Hänge. Brockiger Basalt, verkommene Häuser, deren Fassaden Schmutz weinen. Belgisches Kriegsgebiet ohne Industrie. Auf dem Bahnsteig eine alte Dame mit weißen Handschuhen. Am flaschengrünen Skelett der Schwebebahn weiße Fahnen, drei an der Zahl. Über den zugewachsenen Schluchten stehen schwarze Wolken schwanger. Hier kam schon lange niemand mehr vorbei, vor dem man hätte kapitulieren können.

Die Luft ist feucht und kalt.

Er nahm ihr ein Mixtape auf, keine CD. Sie musste sich kein neues Gerät kaufen, um es abzuspielen.

[Alfred Kubin]

2008.05.28 | 12:55 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Wissen und Wollen

Wir könnten ein Teil der gesamten Kulturgeschichte sein, vielleicht aber auch nur ein Frame im langweiligsten Film der Welt. Das Vorgefertigte will uns immer gefangen halten, als ob es etwas Äußeres sei, wie ein schlechter Versuch, der trotzdem gelingt, wie der Traum eines schlaflosen Neurowissenschaftlers.

Der Bus hält am sanften Grün einer amerikanischen Überlandstraße, ein feiner Sandstreifen trennt Asphalt und Gewächs, es gibt keine Haltestellenschild und niemand sonst steigt aus. Ein unbefestigter Weg führt umschlossen von Hecken und Bäumen seitlich in die sommerlich fahle Helligkeit hinweg, kühl und ohne Zeichen von Dörre schmeicheln sich die Gewächse im Wind. Feuchtigkeit steigt in die Nase und der Duft der Gräser. Es ist keine Hitze wie im französischen Süden, keine ausgetrocknete Erde und kein Lavendel, keine Zikaden und keine dunklen knotigen Bäume, vielmehr nur eine Wärme, die niemals die Grenze zwischen Wohlheit und Belästigung zu überschreiten wagt. Die Schritte federn im Takt der unhörbaren Musik, zu der sich auch die Äste wiegen. Am Ende des Weges dann ein geschwungenes Metalltor, ein nackter Mann mit einem mechanischen Rasenmäher dreht Runden durch den Garten, weiter hinten ein weiß gestrichenes Anwesen ohne Veranda. Irgendwo Wasser, blau und still. Wüsste ich wo dieser Ort läge, den Rest des Sommers würde ich dort verbringen. Vielleicht auch den meines Lebens.

In einem Medaillon aus Messing und Glas trage ich eine Strähne deines Haares umher.

COMMENTS

1 - posted by froschfilm | 2008.05.28 | 4:11 pm

Wenn Sie den Ort finden, sagen Sie’s mir? Danke!

2 - posted by zak | 2008.05.29 | 10:13 am

Ich werde eine Religion gründen, wenn ich diesen Ort gefunden habe.

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2008.04.17 | 10:33 am | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Prozeduren der Abwesenheit

Reminder

[...] I strapped on an oxygen tank and dove into the past, paddling back through the years, emerging from a manhole on memory lane. The boondocks were doing just fine without me. [...]

Jeffrey McDaniel - Survivor's Glee

2008.04.11 | 12:32 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
LH 952

Der Imperativ des Neuen, der seine durchaus bekannten Finger an unsere pulsierenden Adern legt; der Gedanke, dass natürlich auch das Mitdenken und -sagen des Umstandes, dass immer alles schon da war und die deklinierbaren Formen endlich und natürlich auch die Möglichkeiten der Varianz und Individualisierung durch das Subjekt beschränkt sind; dass also jedenfalls, ich wiederhole mich, das Mitdenken dieses Umstandes natürlich, naturgemäß, auch und ebenso nichts Neues ist, obwohl es manchmal so scheinen mag, sondern nur ein weiteres bereits Gewesenes, das uns nicht rettet […]

Jedoch: Ein Abschied am Flughafen ist ein Abschied am Flughafen und nichts kann den natürlichen Schmerz des Vermissens mindern. ICH bin der, der DICH nicht [alleine, ohne mich] durch dieses Gate gehen lassen will, ICH, und niemand anderes, ist die salzige Traurigkeit des Abschieds.

COMMENTS

1 - posted by brittbee | 2008.04.11 | 4:02 pm

wenn du bloggst, dann bloggst du richtig, du herzverknitterer

2 - posted by zak | 2008.04.12 | 11:55 am

Aber nicht doch, nein…

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2008.02.05 | 9:12 am | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Sein und Zeit

Was immer wieder auffällt, sind vereinzelte Männer, die mit Windjacken, Jeans, Renoschuhen und Herrenfrisuren bekleidet in den grünbraun gewellten Ackerlandschaften herumstehen, ohne Kamera, ohne Hund, entrückten Blickes das Gegebene hinnehmend, während in ihren an den Feldwegen abgestellten dunkelfarbigen Volkswagen die roten Dioden der Alarmanlagen glimmen, wie der Puls eines im Sterben liegenden starrsinnigen Tieres.

Wenn die Dämmerung einsetzt, werden die Männer in ihre lehmigen Höhlen zurückkehren, die sie in die Hänge des Umlandes gegraben haben, und sich einspinnen in einen Kokon aus alten Kleidungsfasern und Lebensmittelverpackungen.

Niemand wird ihren Atem hören, in der Nacht.

2008.01.14 | 9:03 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Fabula

Vielleicht ist es das Summen
eines ruhigen Kühlschranks
in einer großen Nacht
Vielleicht ist es das Summen
der Stimmen unserer Eltern
vor langer Zeit in einem
sanften Licht

mmmmmm

17

2008.01.04 | 2:44 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
The Hills

Wir betraten den großen dunklen Raum, vor dessen Glasfassade sich zunächst die ebenso große, auf stählernen Stehlen, die sich in das Granit des Hanges bohrten, ruhende Terrasse auftat und dahinter dann das Tal sich weit in die Nacht ergoss, Licht, Straßen und Gebäude bis hin zum richtigen Meer, Peripherie und Äther, der Traum all der ungezogenen Phänomenologisten.

Das schwere Holz unter unseren Füßen verteilte sich auch innerhalb des Konstruktes auf mehrere Ebenen und nahm glatt gemasert die Lichter, die sich in den Scheiben spiegelten, in seine stille Wärme auf, bis dann Frenzys matt lackierte Fingernägel einen Schalter betätigten und nicht sichtbare Leuchtmittel bestimmte Bereiche der Raumkonstellation in halbgarem Licht versenkten.

Die sanfte Helligkeit des dunkelbeigen Sofarondells schälte sich aus dem umgebenden Material heraus und ließ es wie ein feistes submarines Gewächs in der warmen und festen Gesetztheit der nachdunkelnden Formen, die es umgaben, ruhen, eingefasst und fixiert, als ob es mehr sein wollte als nur Idee und Planbarkeit, Überlegung und Auswahl. Am Ende jedoch scheint all dies keine Bedeutung zu haben.

An der linken Wand, die sich bis ganz hin zu den ersten Stufen zog, berührte eine Frauenhand keinen Männerkopf, der vor ihr in der Luft schwebte, die beiden roten Stoffbänder, die aus seinem Hals hingen, näherten sich fast zur Gänze dem Boden des Bildes. Malgrund. Dazu kopulierende Käfer, stellare Unendlichkeit, Äther, again. Die Hand der nackten Dame jedoch ließ andere Schlüsse zu als diesen. Die hölzerne Kiste, roh von Laken verdeckt, war keine solche.

Weiter hinten dann der Abgrund, aber was soll das schon heißen?

2007.12.07 | 11:25 am | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Harmonie ist eine Strategie

Briefe an Tote zu schreiben ist doch schon sehr überholt. Mal ganz unabhängig vom Diskurs der Abwesenheit. Definieren Sie bitte den Unterschied zwischen Tod und Abwesenheit, aus der Perspektive der dritten Person, nicht aus der des direkt von Biologismen betroffenen Subjektes.

Die Abwesenheit (die immer eine für die ist, die noch da sind, müssen wir das erwähnen – ist sie das?) wird durch andere Anwesenheiten ersetzt; durch die Konstruktion Gottes und des Glaubens, durch Sakralbauten, Moscheen und Pyramiden.

Wer auf nachträglich anrechenbares Heil hofft, der sollte die Kasse wechseln.

[Angstmaschinenpark]

COMMENTS

1 - posted by Jens Thiel | 2007.12.09 | 2:30 am

Wir waren vorhin im gar nicht so schlechten Sushi an der Predigerkirche. Jan und Dirk von den Ärzten saßen am Nebentisch. Die Unterscheidung zwischen Abwesenheit, Tod und Bild war nicht einfach. Am besten vielleicht, man hält sich gar nicht daran, schaut was man wichtig findet und baut doch Pyramiden. Gesprochen haben wir nicht. Gott musste auch nicht anwesend sein.

2 - posted by cato | 2007.12.10 | 4:20 pm

Die Differenz zwischen Abwesenheit und Tod wird dem Zurückbleibenden in dem Moment sehr deutlich, wenn letzteres überraschend eintritt und er dieses „Nie mehr“ nie mehr aus seinem Kopf bekommt. Vielleicht liegt es an der „Entfernung“ – wenn der andere nicht im Kaff nebenan, sondern hunderte Kilometer entfernt ist, und mit ihm alle Möglichkeiten des realen Inkontakttretens, dann fühlt sich seine Abwesenheit ‚abwesender‘ an.

PS: page 1 of 111 | entries 1 to 1 of 555: Versteckte Zahlenmystik oder gar Streben nach strategischer Harmonie?

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2007.11.20 | 12:51 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
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Hast du schon mal einen Sarg getragen? Das kalte Metall der Griffe, das Gewicht des Körpers, das ganz klar von dem des Holzes zu unterscheiden ist, das Wissen um Verwesung und um Erde, der Regen in den Bäumen, die Tropfen auf der Lasur, die Ornamentik und die Kälte, das Unverständnis und die Realität.

Wir teilen die Last mit unseren Händen. Wir geben zurück, was uns nicht gehört.

2007.11.15 | 4:06 am | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Babel

Diese schlaue, sympathische Zurückgenommenheit, die die Erkenntnis mit sich bringt. An manchen dieser wenigen großen Tage, an denen Trauer, Weisheit und Glück sich an den ausgefransten Rockzipfeln fassen, am Fuß der biographischen Zentralmassive, da darf man glauben, auch selbst einmal teilhaben zu dürfen, obwohl dieses Gefühl zunächst einmal nichts anderes ist als Verwunderung – nämlich darüber, dass man gar nicht wusste, bisher ausgeschlossen gewesen zu sein. Der Blick über die Mauer funktioniert in diesem Spiel nur von Innen heraus. Draußen sind die Stühle zu niedrig, und Turmbauten verboten. Wir fassen uns milde an den Händen, hier, im Garten, und in deinen Nacken schreibe ich ein, mit winzig kleinen Lettern, dass es von nun an erlaubt sei, zu lächeln. Weit draußen zieht ein Wetter heran und du sagst ganz leise, während man den Wind nicht spürt: „Wir sind da.“

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