Roter Mohn

Roter Mohn. Klatschmohn, was für ein Wort. Rote Mohnblumen über Grün, dahinter das Meer: Die Sonne blendete ihn, er schloss die Augen. Spiegel. Skalpell. Speichel absaugen. Die Stimme des Arztes war leise und gespannt. Das Mädchen in Weiß gehorchte. Präzise, wie eine Maschine arbeitete sie, ein blonder Engel. Das Plastikrohr gurgelte und riss in seinem Mundwinkel, dann sammelte sich wieder Flüssigkeit im Rachen. Der Schluckreiz kam. Nur nicht würgen. Er öffnete die Augen, versuchte sich auf das Bild zu konzentrieren. Irgendein Impressionist. Es soll beruhigend wirken, dachte er.

Mund auf, sagte der Arzt und setzte die Zange zum zweiten Mal an. Der Engel mit dem Plastikrohr presste seinen Kopf gegen den Stuhl. Er sah ihren schlanken Hals: Er roch nach Seife. Ein Ruck und der glatte Schädel des Arztes erschien vor der künstlichen Sonne. Schwarzer Schleier über Mohn.

„Guter Zahnstand.“

Das klang anerkennend. Er wollte etwas antworten, röchelte aber nur.  Der Engel reichte ein Werkzeug, es folgten harte, kurze Schläge. Knirschen. Zange, Nadel, Faden.

„So das war’s. Sie können spülen.“

Der Zahnarzt ging nach draußen. Er beugte sich vor, griff nach dem Plastikbecher, spürte seine Lippen nicht. Das Wasser roch klinisch, er spuckte Blut und Schleim. Er trank noch einen Schluck, dann lehnte er sich zurück.

Jetzt war er allein. Auf dem Tablett vor ihm, zwischen den silbernen Geräten, lagen kleine Zahnstückchen und etwas, das er für eine Wurzel hielt. Dahinter klemmte die beleuchtete Röntgenaufnahme, ein Kieferporträt. Das silberne Besteck reizte ihn. Einen Moment lang hatte er den Wunsch etwas einzustecken. Den Spiegel oder das Ding mit dem Haken. Aber er rührte sich nicht.

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