Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Man muß sich Darth Vader als einen guten Menschen denken: Das tatsächliche Böse ist qua Charakterschwäche schnuffig. Die alte Ästhetik des Bösen wird verfügbar; Todessterne bewohnt von freundlichen Menschen, die uns lächelnd hereinwinken und gekocht haben und denen wir trauen, weil sie sich nicht mit Harmlosigkeitsparaphernalia umgeben. Harmlosigkeit ist in einer Welt vollständig verlorener Unschuld der erkanntermaßen verlässliche Waffenstillstand, nicht die demonstrierte Unfähigkeit zur Gewalt. Das ist der Grund, warum das Badass-Haus Linienstraße 40 so großartig ist, und das ist der Grund, warum These New Puritans das neue Schwarz sind.

[you look around now]

[Siehe auch: #]

Link | 23. September 2010, 9 Uhr 02


Der unvorstellbare Zustand, nicht zu funktionieren und trotzdem zu existieren; nichts zu verteidigen, nichts zu gewinnen außer noch einen verregneten Morgen, Wasser auf dem Schachbrett und einen Berg Teebeutel neben der Spüle.

[we came to the earth to graze]

Link | 20. September 2010, 23 Uhr 44 | Kommentare (4)


Niedergedrückt das Gras vor der Bierbank:
Schlierig tropft Aschwasser
vom Grill.

Link | 14. September 2010, 8 Uhr 48


Ein Raum mit sandbedecktem Fußboden. Ein Vogel fliegt auf und streift den Sand mit einem Flügel. Man weiß nie, ob man die Szene in einem Film gesehen hat oder geträumt, aber das Tempo ist leicht zu erinnern aus dieser Erzählung, das Tempo und die Wassertropfen. Schnitt. Zwei Männer tragen eine Badewanne vorbei, genau in diesem Tempo. Jarmusch, du dreckige, alte, Metasau.

* * *

Jarmusch, die respektlose Metasau, schummelt: Um zu den Torres Blancas zu gelangen, fährt man, vom Flughafen kommend, nicht durch das Zentrum von Madrid. Sie liegen vielmehr direkt am Flughafenzubringer, im Osten der Innenstadt. Kein Mensch, der seine Sinne beisammen hat, könnte seine Augen von ihnen abwenden, wenn er sie passiert.

* * *

Noch eine Unverschämtheit: Auszusprechen, was ich fünf Minuten vorher gedacht habe. Gerade denke ich still bei mir: So will ich die Gegenwart erinnert haben, so sieht sie aus. Die Windräder, die Züge in ihrer verrückten Sauberkeit, die Museen, die Cafétische, die Espressotassen. Minuten später auf der Leinwand: Ein freches Theoriegespräch darüber, wie man im Film sehen kann, wie die Welt wirklich einmal ausgesehen hat. The Lady from Shanghai wird erwähnt. Frechheit.

Link | 12. September 2010, 0 Uhr 26 | Kommentare (4)


Der Kompromiss mit dem Absurden: So wird das Spiel eben gespielt. Man kann nicht in der Welt und außerhalb des Spiels sein, so scheint es. Wer mitspielt, findet das Absurde kaum noch absurd, weil er das Absurde in seine eigene Rationalität hinein domestiziert und mit ihm denkend dauernd Umgang hat. Wer absurde Probleme lösen muß, muß absurd denken, und wer absurd denkt, verändert seine Selbstverständlichkeiten.

Was könnte man tun, wäre man ein Konservativer? Könnte man sagen: Dieses Treiben ist absurd, diese Bäume werden nicht umgesägt, es wird kein Pumpenhaus errichtet, oder an einer anderen Stelle, die Rationalität des Bäumeumsägens-und-Pumpenhausbauens an genau dieser Stelle ist umstellt von anderen Rationalitäten im selben Recht? Die alten Damen Bast, das Gewohnheitsrecht der Bäume, die schon immer in der Burgoyne Street standen?

Wenn man nicht sagt: Dieses Treiben ist absurd, ich werde mich nicht daran beteiligen, kann man noch teilnehmen an der Welt? Wieviel Kompromiss mit dem Absurden ist nötig, um anschlußfähig zu bleiben? (Kunst ist die Kunst, mit dem Absurden keine Kompromisse zu machen, eine sich durch die an und für sich absurde Geschichte ziehende, sich selbst Nachwuchs heranziehende Tradition, das Absurde absurd zu finden.)

Das ist die eigentliche Kraft der Figur des Gentleman-Künstlers: In der Welt zu sein, das Absurde jedoch als Absurdes zu sehen, mit ihm zu spielen, es sich leisten zu können, sich mit dem Absurden einzulassen, nie von ihm übernommen zu werden. In der Welt und außerhalb ihres Irrsinns zu sein, eine lässige Figur.

Link | 11. September 2010, 12 Uhr 23 | Kommentare (2)


Aus dem ausgezeichneten Paper Science-Laden Theory von Fabio Gironi (via k-punk), das eine frühe metawissenschaftliche Einordnung der jungen Speculative Realism-Bewegung vornimmt:

However, to identify this enemy precisely seems to be a tricky business, since we cannot always safely invoke the spectre of correlationism, and since different ontological commitments will make it hard to delineate what or who counts as an enemy. If it would perhaps be more correct to say that the common enemy is any form of antirealism, it is precisely in the evaluation of what counts as ‘real’ that speculative realists diverge.

Spot-on: Während ich mit dem größten Teil dessen, was jetzt Spekulativer Realismus heißt, alles andere als einverstanden bin, ist es das Projekt, das es unbedingt zu unterstützen gilt. Und das kann nicht die Zurückweisung des Korrelationismus sein, sondern die Wiederentdeckung des viel zu lange aus viel zu sonderbaren Gründen verleugneten Wirklichen.

Der Korrelationismus kann nicht der Gegner sein, weil er ein Strohmann ist. Quentin Meillassoux erbt in After Finitude die Absurdität der Missverständnisse, gegen die er argumentiert: Das Argument der arch-fossils wäre wertvoll (und offensichtlich), hätte Kant wirklich eine materiell-ontologische Abhängigkeit der Dinge von menschlicher Wahrnehmung behauptet. Zwar gibt es dieses Missverständnis, und so spricht nichts dagegen, ihm hin und wieder entgegenzutreten, die Relevanz der ganzen absurden Debatte für eine kantianisch informierte Metaphysik ist aber (anders als Meillassoux zu glauben scheint) aus meiner Sicht gering: Kant selbst gibt sich für die etwas simple Idee eines solchen Korrelationismus einfach nicht her. Unabhängig davon, ob man überzeugt ist, daß Kant seine dritte Antinomie wirklich aufgelöst hat, macht er in seiner Auflösung sehr klar, daß der primitive Korrelationismus, der ihm gern von Alliierten und Gegnern unterstellt wird, nicht seiner ist.

Unabhängig von der ärgerlichen dauernden Vereinnahmung Kants auf Positionen, die er selbst für explizit problematisch hält, kann ein einfacher Naturwissenschaftsoptimismus nicht die Lösung aller Probleme einer die Wirklichkeit bearbeitenden Metaphysik sein. Die Wirklichkeit ist ein problematisches Konzept, genau deswegen kann die Naturwissenschaft, ohne sich zu kompromittieren, dazu aus eigenen Mitteln heraus nicht aussagefähig sein und braucht spekulativ-philosophischen Flankenschutz. Daß man über die Wirklichkeit nicht mehr sagen könne, als die Naturwissenschaft sagt, ist offenbar falsch (es geschieht dauernd), daß man nichts sinnvolles sagen könne, ist wie alle Behauptungen dieses Typs zwar geeignet, die Debatte zu beenden, macht aber nicht klüger. Vielleicht sollte man schweigen, aber ach, wie schwach sind wir Menschen, wenn wir neugierig sind.

Während die zwei großen Namen des Spekulativen Realismus, Meillassoux und Brassier, beide aus meiner Sicht keine interessanten Probleme anzubieten haben — der eine argumentiert gegen offenbaren Unsinn, der andere nur für das offenbar Richtige — bieten ihre Texte einen gemeinsamen Ausgangspunkt an für alle, die genau dieses „offenbar“ teilen. Denn natürlich wird der unsinnige Korrelationismus, gegen den Meillassoux argumentiert, tatsächlich vertreten, und natürlich gibt es den Scientismus, dem sich Brassier annähert, überall.

Mein eigenes bescheidenes Angebot wäre nach wie vor, daß das metaphysische Problem, das die Naturwissenschaft (dankenswerterweise) in der Philosophie aufgerissen hat, sich in der Deutung des Imperativs im reduktionistischen Programm versteckt: Die Philosophen, auch die Philosophen in den Reihen der Naturwissenschaftler, vermischen Methode und Metaphysik. Der methodische Imperativ des (naturwissenschaftlichen) reduktionistischen Programms lautet „Finde ein materielles Korrelat für das Phänomen“. Der ontologische Imperativ des (genuin philosophischen) eliminativ-reduktionistischen Programms lautet „Behaupte, daß nur das materielle Korrelat des Phänomens wirklich ist“.
Mit anderen Worten, es ist die Philosophie (gleich von wem sie betrieben wird), nicht die Naturwissenschaft, die die Materie überschätzt und ontologisch auflädt, während sie für die Naturwissenschaft nichts ist als die „Ebene des Messbaren“. Über die mögliche oder unmögliche Wirklichkeit des So-Nicht-Messbaren (sagen wir: Qualia) spricht die Naturwissenschaft nicht, zu solchen Aussagen befähigt sie ihr methodisches Rüstzeug nicht, was zu ihrer Stärke gehört.
Auf der anderen Seite sind alle Intuitionen, die wir uns (beim Anfassen von Tischen) bezüglich Materie erworben haben, für einen Umgang mit dem naturwissenschaftlichen Materiebegriff vollkommen wertlos, spuken in der philosophisch-eliminativen Spielart des Reduktionismus aber immer wieder herum. Die ganze Idee, daß es etwas zu eliminieren gäbe und daß das bedeute, daß am Ende alles eigentlich aus so einer Art sehr kleiner Steine gemacht sei, deutet schon auf die kryptodualistische Konzeption des eliminativen Reduktionismus hin, die dem rein methodischen Reduktionismus fehlt.

Eine die Wirklichkeit beschreibende Formulierung muß nicht in Materiebegriffen formuliert sein. Tatsächlich sind diese in den allermeisten Fällen ungeeignet. Ihr einziger und wesentlicher Vorteil ist der der Kompatibilität untereinander, gleich was sie beschreiben. Eine erfolgreiche Reduktion im Sinne des methodisch-reduktionistischen Programms beweist nur logische Kohärenz im Sinne des Monismus und ist keine Aussage über Wirklichkeit.
Ein echter Monismus wiederum ist nicht das ideale Forschungsergebnis einer an ihrem Ziel angekommenen Naturwissenschaft (die keine Ziele kennt), sondern eine logisch geforderte Annahme für das sinnvolle Nachdenken über die Wirklichkeit überhaupt.

Eine Zusammenfassung meiner ungeliebten Magisterarbeit (von 2006, also prä-Spekulativer Realismus) könnte sein:

– Wir müssen Monisten sein.
– Wir müssen Realisten sein.
– Wir müssen sicherstellen, daß alle unsere Beschreibungen der einen Wirklichkeit im Prinzip aufeinander abbildbar sind (sonst werden wir inkonsistent, d.h. wir behaupten versteckt, daß die Wirklichkeit sich selbst widerspricht, was wir nicht dulden können).
– Wir müssen das praktisch nicht tun, weil manche der Abbildungen so komplex werden würden, daß sie nicht mehr regelmäßig aussehen könnten.
– Naturgesetze regieren nicht die (eine, wirkliche) Natur, sie sind nur unsere bescheidenen Mittel, sie vorherzusagen. Wirklichkeit und Naturgesetze sind nicht notwendigerweise, auch nicht am Ziel der Wissenschaftsgeschichte, dasselbe. (Eine solche Annahme ist durch nichts gerechtfertigt.)
– Bottom Line: Reduktion und Regelhaftigkeit sind in manchen Teilen der Wirklichkeit unvereinbare Ziele bei der Organisation von Information (a.k.a. Wissenschaft). Erzwingt man eine vollständige Reduktion, sieht die Wirklichkeit unregelmäßig aus (Unregelmäßigkeit und Komplexität sind dasselbe), erzwingt man vollständige Regelhaftigkeit, muß man mit rebellischen Ausnahmen rechnen. Die berüchtigte „explanatory gap“ ist ein Fragment des Versuchs, diese Unschärferelation des Verstehens entweder aus krypto-dualistischer oder im Gegenteil primitiv-materiemonistischer Position heraus zu ignorieren.
Ob die Unschärfe eine Eigenschaft einer denkbaren „boshaften“ Wirklichkeit ist, die sich einer vollständigen Organisation in einfache Regeln entzieht, oder nur eine Eigenschaft unserer bestehenden Systematisierungen, lässt sich nicht feststellen.

Link | 5. September 2010, 16 Uhr 04 | Kommentare (10)


Und heute in unserer Reihe „Das Internet ist immer und überall“: Wie sich einmal die gesamte bundesdeutsche Öffentlichkeit drei Wochen lang aufführte wie das Heiseforum. Troll Republic.

Link | 4. September 2010, 10 Uhr 22 | Kommentare (2)


die Sonne, die durch Glas und dunklen Essig auf gebeiztes Holz fällt, die gleißende Lichtkante, die das Glas in den komplexen Schatten zieht

Link | 2. September 2010, 22 Uhr 14