Vigilien

is there any any? nowhere known some?

du fragst mich: beobachtest du die champagnerpreise? wir müssen auf die verkäufe von champagner achten.

daran hatte ich nicht gedacht, aber du hast recht. ich würde dir, in deinem sessel an der scheibe, haar glatt über die linke schulter nach vorn, ohnehin alles glauben.

geld, das wir in unseren wohnzimmern verdienen und nicht mehr ausgeben können, sage ich, natürlich. champagner aus schalen. dann ist es verstanden.

Link | 28. März 2020, 23 Uhr 40


ich habe ein ganz wildes bad entdeckt, wannen- und dampf-, 1. klasse. riesenwanne. geblümtes ruhebett. grosse messinghähne, stufen wanne hinauf, stufen wanne hinunter. kein lausiger kleiner raum sondern richtig feudal. eingang mit rotem plüsch, treppen, quasten; alles leicht zerschlissen. ich liege in der wanne, steinwanne sehr groß. fin-de-siecle, oskar wilde, das römische imperium. ich liege bis zum hals im wasser und lese deinen wunderschönen brief vom kardinalroten höschen. jouez-vous le jeu? es gibt doppelräume, man darf angeblich. lieber charly, willst du mich begleiten? bitte cherie!

goldene adler und edelknaben in purpur werden dich empfangen! die sonne wird auf dich warten. cherie, je t’aime!

cherieL

wir sollten in einem grossen verdunkelten salon hausen. plüsch, stechpalmen. ein bisschen schmutzig. wir haben ein altes grammophon. und spielen oft tagelang das gleiche lied. wir gehen selten aus. wir trinken ein wenig. unsere kleider waren sehr schön und sehr teuer. wir kaufen keine neuen. wir lassen niemanden zu uns. manchmal gehen wir aus. am abend.und treffen freunde. wirkliche freunde! cherie !!

(Konrad Bayer an Ida Szygethy, 20.11.1956)

Link | 28. März 2020, 12 Uhr 49 | Kommentare (1)


Public Service Announcement: Die Seuche betrifft auch den Rat, aber selbstverständlich sind Zusammenkünfte per Videokonferenz weiterhin undenkbar. Treffen im K-Turm wie immer, die Flamme wird präsent sein wie zuvor. Das Shuttle aus Schöneweide allerdings wird nicht angeboten, bitte mietet einzeln Wagen. Abstand nach den üblichen Regeln.

Link | 22. März 2020, 13 Uhr 47


ein BLAUER rhombus, azur wie die unterseite einer brechenden welle, heller in den anderen facetten. kaskaden auf dem xylophon aus einem nebenzimmer. kristallgitter, raum, lichtbahnen ins atrium. am glas, zur rechten einer hydrokultur-monstera, du, in einem sessel, aufrecht, beine übergeschlagen. auf einem beistelltisch ein band architekturphotographie, das titelbild: ein verblichenes modell, »zirkon«, in rosé, schwarz und blaßblau, schlagschatten wie aufgenommen auf einem mond in düsterem cga.

du fragst mich: ist nicht die bedrohung, wenn sie nähertritt, wie ein langsames erwachen aus einer jahre schon alten, unbemerkten bösen sturheit, die sich festgesetzt hatte, die die liebenswürdigkeit verdrängt und die aufmerksamkeit begraben hatte unter verbissener gewohnheit und vermeintlicher notwendigkeit?

ich beobachte den mangel an bewegung einer getrockneten dolde in einer vase aus rauchglas, die einen nebligen schatten auf den fußboden wirft, bevor ich antworte.

unsere fähigkeit hell zu sprechen, sage ich, war lange verschüttet, unsere fähigkeit nicht in rätseln zu sprechen.

wie man wieder hell spricht: auf einem sofa, das nicht zu hause steht, mit einem paar beine über die eigenen geworfen, über konrad bayer zu sprechen wäre ein anfang.

Link | 15. März 2020, 16 Uhr 22