Vigilien

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Wenig öderes gibt es für gewöhnlich als über gute Konzerte zu schreiben. Der Versuch, eine musikinduzierte Glückserfahrung nachlebbar zu machen, ist zum Scheitern verurteilt — wenn man nicht gerade einen Roman versucht oder das Glück hat, ein begabter Lyriker zu sein — und führt im Allgemeinen zu geschmäcklerischem Herumsprechen-um-die-Musik mit einem Vokabular, das täppisch ist und dabei prätentiös, wie das des Weinkennertums. Diese sprachliche Unerreichbarkeit der Geistessphäre Musik macht sie fest gegen die immerwährende Korruption der Sprache durch rücksichtslosen Gebrauch: Das, was Sprache nur in ihren Momenten höchster Konzentration schafft, eine Gefeitheit gegen allen Dreck, der im Geist wütet, fällt ihr so viel leichter. Man kann über Musik nicht sprechen, wo sie sie selbst ist, wie man über einen Roman von Joseph Roth oder Nabokov nicht sprechen kann, oder nur in einer komplizierten, schwer zu meisternden Sprache, die selbst so vage und rücksichtsvoll und voller Liebe ist, daß sie der zerbrechlichen Kraft ihres Objekts nicht die brutale Gewalt des gesunden Verstandes antut.

Natürlich gibt es gelegentlich begriffliche Schnittstellen zur Musik, und wo sie zugreifbar sind, kann man einen Versuch wagen. Blixa Bargeld hat gestern, als er Die Befindlichkeit des Landes angekündigt hat, gesagt, daß es, wenn es denn ein Thema in Neubautensongs gäbe, sicherlich Berlin sei.

Er meint Berlin, wie es von Kreuzberg her aussieht, das unzerstörbare Berlin, über das die Architektur wegzieht wie ein Sandsturm; eine von den Neubauten, von Wim Wenders und Hans Scharoun aktualisierte, unwahrscheinliche Möglichkeit.

[Das Leben ist kein Irrtum, kein Irrtum und Musik]

Link | 25. Mai 2008, 11 Uhr 40