Novemberkind ist ein sagenhaft schlechter Film. Es liegt nicht an Anna Maria Mühe — die ist wunderbar. Es liegt nicht an Mecklenburg oder dem Bodensee, die sind genauso wunderbar. Es liegt sicher nicht an der Musik oder den Bildern — das alles ist schön und eigentlich wie gemacht für gerade mich.
Es ist, schon wieder, das Buch, und es ist die Regie. Das wäre, mal wieder, belanglos, wenn es nicht ärgerlich wäre: Dort ist Wille zur Kunst, und drumherum ist die Seelenreife von Sechzehnjährigen.
Ein Novemberkind… eine junge Frau ohne Eltern. Warum ist sie ohne Eltern? Sie musste zurückgelassen werden bei einer Flucht aus der DDR. Warum musste sie zurückgelassen werden? Weil ihre Mutter einen russischen Deserteur versteckte. Warum hat sie ihn versteckt? Weil sie ihn liebte! Warum aber hat sie schon ein Kind? Weil sie einen anderen liebte! Und warum hat sie ihre Tochter nicht nachgeholt? Weil der andere ein Schwein war! Und weil ihre Großeltern verlogen waren und sich geschämt haben, diese DDR-Schranzen! Und wie kommt es raus? Ein… Professor für kreatives Schreiben! Und warum interessiert den das? Weil er einen Roman schreiben will, geplagt von seinem Stoff, wie wir!
Ich sehe sie vor mir, wie sie Zettel anordnen an den Wänden, ganz wie ihre Professorenfigur, mit großen Worten darauf, „Lüge“ „Kunst“ „Schuld“, die sie umsortieren und anstarren, wie sie ein Glas abstellen in Denkerpose und Wollpulli, wie sie einen der Zettel von der Wand nehmen, ein Wort durchstreichen und „Geld! der WESTEN!“ drunterschreiben. Ich kann sie sehen, wie sie sich gegenseitig ihr Künstlersein vorspielen, wie sie ihren Accessoire-Beruf herumzeigen.
Es ist so ein gottserbärmlich eitler Streberfilm.
Er verweigert seinen Figuren, seinen Bildern und seiner Musik jede Aufmerksamkeit. Die sind nur da, damit einer einen Film machen kann. Dabei: In jedem der Bilder aus Mecklenburg, wenn nur die Kamera mal stillhalten könnte, wäre mehr Substanz als diese ganze Wagenladung von Plotbaukasten-Industrieabfällen hergibt.
Der Lacher des Jahres aber, und zak kann bezeugen, wie ich gelacht habe, war die Frage der Verlegerfigur an den Autorpappmann:
Hast du den Stoff schon jemand anderem angeboten?
Stoff, nebenbei, ist das, was die Leere füllt.
Zum Beispiel die Leere, wenn man partout ein Buch machen will, oder einen Film.