Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Bei Nabokov ist bekanntlich eigentlich alles großartig. Auf jeder Seite findet man mindestens einen Satz, den man aus dem einen oder anderen Grund sofort abschreiben und an die Wand malen oder in ein Weblog posten möchte – man würde nur nie fertig damit. Statt dessen muß man sich eben für die Dauer des Romans daran gewöhnen, daß jetzt alles ein bisschen besser ist als sonst, als in echt, als in Zukunft.

Was ich bei seinen Figuren besonders gern habe: Sie fallen völlig aus allen vertrauten schwach/stark-Schemata. Selbst seine heldenhaftesten Helden haben die Fürsorge des Autors nötig, und er gewährt sie ihnen großmütig schon in der Sprache, verzichtet auf Worte, die ihnen weh täten, mutet ihnen nur Andeutungen farbiger Äußerlichkeiten zu, wenn es ihnen schlecht geht: Sogar Van in „Ada“, gewiß ein strahlender Held, genießt diesen Respekt des Erzählers – und hat ihn nötig. Pnin dagegen, den der Erzähler nie einen Trottel nennen würde, ist nach allen unseren Kriterien ein unglücklicher Mensch, also ein Schwächling. Anstatt, wie es uns beigebracht wurde, dankbar zu sein für jede Schwäche, an der wir uns stärken können, wie reagieren wir? Wir haben den Burschen gern. Kaum daß wir ihn kennen, scheint uns seine Hingabe viel wertvoller zu sein als alles, was wir glauben, in unseren Leben schätzen zu müssen.

Daß er unsere Kriterien für Stark & Schwach gerade rückt, Helden wie Trottel liebenswerte Figuren sein lässt, ihre Person über ihre Rolle in der Hackordnung stellt, kurz: Daß er von Menschen nichts fordert – das ist das Großartigste bei Nabokov und Beweis einer vielleicht schon verlorenen Art der Kultiviertheit. Besser sogar als die sinnlichen sinnlosen Kleinigkeiten überall in seinen Romanen, bei denen nicht einmal herauszufinden ist, wie sie funktionieren.

Link | 19. Juni 2004, 16 Uhr 00 | Kommentare (1)


Ein Kommentar


Lesen Sie unbedingt noch Nabokovs Buch über Nikolai Gogol, lieber spalanzani. Gogol war, sagen wir mal ein eher unausgeglichener Mensch. Oder: So viel Unfug wie er getrieben hat, traue ich sonst nur einem gewissen e.l. zu. Und trotzdem war er ein Genie und wer das nicht begreift, sagt einem Nabokov, ist ein verdammter Knilch.

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>> Nun, ihr Burschen, jetzt gibt es was für Kringel! Ihr Hundesöhne, ihr werdet von nun ab in goldgestickten Uberröcken spazieren können! Da schaut her, schaut immer her, was ich euch gebracht habe!“ sagte Großvater und deckte den Kessel auf. Und was meint ihr wohl, was war darin? Na, wenn ihr mal gut nachdenkt? Wie? Was? Doch sicher Gold? Das ist es ja, kein Gold: Dreck, Kehricht … Eine Schande zu sagen, was das war. Großvater spuckte aus, warf den Kessel hin und ging sich die Hände waschen.

Und seit der Zeit beschwor uns Großvater, niemals dem Teufel zu glauben. „Kein Gedanke daran!“ so sprach er häufig zu uns. „Was der Feind des Herrn Christi auch sagen möge, das lügt er alles, der Hundesohn! Nicht für eine Kopeke Wahrheit steckt in ihm drin!“ Und wenn der Alte zu hören bekam, daß es an irgendeinem Orte nicht geheuer sei: Alsdann los, Kinder, fangt an, euch zu bekreuzigen!“ schrie er uns zu. Gebt es ihm, gebt es ihm! Nur wacker drauflos!“

Kommentar by poschljatschki | 18:08