Bei Nabokov ist bekanntlich eigentlich alles großartig. Auf jeder Seite findet man mindestens einen Satz, den man aus dem einen oder anderen Grund sofort abschreiben und an die Wand malen oder in ein Weblog posten möchte – man würde nur nie fertig damit. Statt dessen muß man sich eben für die Dauer des Romans daran gewöhnen, daß jetzt alles ein bisschen besser ist als sonst, als in echt, als in Zukunft.
Was ich bei seinen Figuren besonders gern habe: Sie fallen völlig aus allen vertrauten schwach/stark-Schemata. Selbst seine heldenhaftesten Helden haben die Fürsorge des Autors nötig, und er gewährt sie ihnen großmütig schon in der Sprache, verzichtet auf Worte, die ihnen weh täten, mutet ihnen nur Andeutungen farbiger Äußerlichkeiten zu, wenn es ihnen schlecht geht: Sogar Van in „Ada“, gewiß ein strahlender Held, genießt diesen Respekt des Erzählers – und hat ihn nötig. Pnin dagegen, den der Erzähler nie einen Trottel nennen würde, ist nach allen unseren Kriterien ein unglücklicher Mensch, also ein Schwächling. Anstatt, wie es uns beigebracht wurde, dankbar zu sein für jede Schwäche, an der wir uns stärken können, wie reagieren wir? Wir haben den Burschen gern. Kaum daß wir ihn kennen, scheint uns seine Hingabe viel wertvoller zu sein als alles, was wir glauben, in unseren Leben schätzen zu müssen.
Daß er unsere Kriterien für Stark & Schwach gerade rückt, Helden wie Trottel liebenswerte Figuren sein lässt, ihre Person über ihre Rolle in der Hackordnung stellt, kurz: Daß er von Menschen nichts fordert – das ist das Großartigste bei Nabokov und Beweis einer vielleicht schon verlorenen Art der Kultiviertheit. Besser sogar als die sinnlichen sinnlosen Kleinigkeiten überall in seinen Romanen, bei denen nicht einmal herauszufinden ist, wie sie funktionieren.