Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Ich betrete das Band, gehe weiter, genieße die Geschwindigkeit. Rechts liegt eine Riesin in Unterwäsche, der Text empfiehlt, sich mit nichts weniger als Perfektion zufrieden zu geben, oder etwas in der Art. Ich versuche, nicht hinzusehen, weil ich ungern ein berechenbares, männliches Reptiliengehirn bin, hebe aber doch jedesmal kurz den Blick. Links flirrt der Deloitte-Schriftzug auseinander in viele tausend unterschiedlich schnell sich bewegende weiße Partikel auf schwarzem Grund. Zusammen mit meiner Bewegung auf dem Band ergibt sich ein beeindruckender Tiefeneffekt. Deloitte wirbt für eine Karriere bei Deloitte; man kann es weit bringen als Managementberater und kommt hoch hinaus. In der Mitte des Tunnels, für den Bruchteil eines Moments, Vogelgezwitscher, und wie immer schaue ich auf zum Vogelmobile über dem Band. Dann, kurz vor dem Rolltreppenschacht, die Werbefläche des Kunden mit dem Produkt, von dessen langfristiger Entwicklungsplanung das schlafende Macbook in meiner Tasche träumt — meine einzige Möglichkeit, in diesem Tunnel eine Spur zu hinterlassen. Jeden Montagmorgen seit März tragen mich die Bänder durch den Tunnel, ein erlöschendes Bild, bis Oktober rechne ich damit, vollständig verschwunden zu sein. Die Erfolge bauen sich unmerklich auf, als bloße Beierscheinungen des Verstreichens von Zeit. Es sind die Niederlagen, die als höhnische Ereignisse auftreten und klare Botschaften zustellen wollen. Die Rolltreppe hebt mich in den Schacht, wo das unwahrscheinliche, mit einem nicht zu erklärenden blauen Streifen bemalte und auf drei Meter aufgeblasene Sinnbild eines Knaben den Ankommenden entgegenuriniert.

Das Haus (man hört einen Specht im Hintergrund) hat zwei Stockwerke, das obere davon vollgepackt mit Büchern, einem Sofa, Schreibtisch, Projektor und Leinwand, das untere wird dominiert von der Küche, mit Fenstern zum Garten, der ein bisschen weniger gepflegt ist, als er sein könnte, aber zum Essen unter den Bäumen genau richtig zerzaust ist; ein Saftkrug steht noch draußen, abgedeckt. In der Küche auch: Einweckgläser, Krümel auf der sonnenwarmen Tischdecke.

Link | 11. August 2013, 17 Uhr 07 | Kommentare (2)


2 Comments


Einmachgläser/Einweckgläser/Einsiedelgläser!

Kommentar by froschfilm | 14:21




Vom Alleinsein habe ich nichts gesagt.

Kommentar by spalanzani | 14:23