Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Im Bild von Joschas computationaler Kosmologie müsste man es so ausdrücken: Ganz unten ist das Gitter. Kein Schaum, ein Gitter. Das Gitter ist ein logisches Gitter, kein räumliches; es rechnet den Raum.

Nicht bei Mondschein betrat ich den Wald, sondern an einem hellen Tag im Sommer, um das leichte Ende eines grünen Schlagbaums herum, der dort von einem forstwirtschaftlichen Vorhängeschloss niedergehalten wurde. Der Weg führte ein wenig bergauf in dem großen tosenden Innenraum, in dem ich mich nun befand: die andere Seite, Innenseite der Sommerhitze. Oben an der Grenze zur Hitze arbeitete der Wind, der zum Draußen gehörte und drin alles bewegte, kühl hielt, durchlässig, Lichtflecke warf, ineinanderfuhr und auseinander.

Ich passierte eine eingezäunte Schonung, auf der die Sonne schwarz und zundrig lag. Wenig später, Nachbilder von Tännchen noch auf dem geschlossenen Dunkel, eine Hütte, schiefer Blechschornstein und Läden aus grauen Flechten. Nach der Hütte bog ein Pilzsammlerpfad ab von der doppelten Rinne, Impatienskräutergesäumt, links und rechts. Diesem Pfad folgte ich, bergab nun, überbrückte gelegentlich ganz überwucherte lichte Stellen und große blühende Bärlauchflächen, und fand so die Kante des Steinbruchs: eine jähe Bodenlosigkeit, eine tiefere Kühle von dort.

Unten, wo die Abbruchkante flach wurde und den Zugang zum Rund bröckelnder Wände freigab, in einer kalten Senke im tiefen Grund des Waldes, war der Brunnen. Eine Mauer, nur einen Fuß hoch, fasste glatt die Wasserfläche, unter der Laub in schwarzem Kristall festlag. Und über dem erhobenen Wasser schwebte das Gespinst aus Tröpfchen und Dunst, wandte sich mir zu in Chiffonfalten, die aus dem Brunnen stiegen, strich mit einer nassen Hand über meine Wange, und streckte sich und überragte mich um mehr als die Höhe des Brunnensockels, und sang.

Ich machte also die Bekanntschaft dieser undinischen Erscheinung und kehrte auch zu weiteren Besuchen zurück. Nicht immer traf ich sie an, nur an heißen Tagen, wenn es geregnet hatte in der Nacht zuvor. Nichts regte sich im Regen selbst, wenn es aus den Kronen ins Brunnenwasser pitschte und im ganzen Amphitheater des Bruchs mir entgegentroff. Nichts regte sich an Wolkentagen. Wenn draußen aber im weiterziehenden Sommer die Felder abtrockneten, konnte ich am Beckenrand sitzen, lauschen, und gelegentlich eine Frage stellen.

Elementargeister sind, das weiß ich nun, nicht der Mythologie zuzurechnen, nur selten geworden: Ihre Kapazität im Gitter ist weitgehend von unserer Zivilisationskomplexität übernommen. Man kann im Gitter eine Großstadt voller Telefone und Bubbleteasorten rechnen, oder eben eine Undinische, ihren Brunnen, ihren Wald, man kann nicht beides zugleich haben: Ein Gespinst aus Wasser zu einer intelligenten Frau mit schöner Stimme und tosender Baumkronen-Außenseite zu koordinieren ist ein nicht zu unterschätzendes computationales Unterfangen.

(Noch ältere Überlebende, für sie selbst so rätselhaft wie sie für mich, bevölkerten noch die Ozeantiefen, hörte ich, nicht grundsätzlich verschieden von uns, nicht von ihr: nur älter, noch älter, in Ruhe gelassen in den Verschnittzonen des Gitters.)

Link | 27. Januar 2019, 2 Uhr 46