Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Türen sind nicht geheuer, weil nicht einzusehen ist, daß auf ihren anderen Seiten immer dieselben Räume wiederzufinden sein werden. Wie die Spiegel, ihre noch unheiligeren Cousins, stehen sie deswegen unter scharfer Beobachtung.

Ist hinter dieser Tür der vertraute Flur, beleuchtet gar für gar niemanden, so daß nur ein Staub im Lichtkegel in den Wärmesog der Birne gerät? Der Flur, in dem meine Cordjacke hing und den ich mit der Cordjacke photographierte, bevor ich sie unverhüllt auf die Beutel mit den Eierschalen und fauligen Orangen in den großen schwarzen Container legte?

Oder ist hinter dieser Tür diesmal ein Verschlag mit einem deckellosen Abort mit schwarzem Rand? Knietief auf den Salz-und-Pfeffer-Kacheln nasser Rollensumpf und viermal vom Xerox xeroxierte Flyer? Der Gedanke: Das ist jetzt einer dieser Momente. An der Beschichtung der Wände gelbe Blasen von gelangweilten Feuerzeugen, Telefonnummern, die Antifaflaggen? Und das An- und Abschwellen der Musik beim Öffnen der Tür, ein durchlaufender Wasserhahn, ein Körper, der nebenan gegen die Stallwand wankt mit Gepolter und leise flucht.

Beim nächsten Öffnen der Tür drängen Gitarren und Wummer-der-aus-den-Wänden-kommt über die Szene, und ich banne sie in einer offenen Hand und presse sie zusammen. Mit Edding notiere ich, links, schräg aufwärts, während auf der anderen Seite der Platte der Kampf um Gleichgewicht und Fassung weitergeht:

noch rumpeln die güterzüge auf dem durchgangsgleis
nordwärts und südwärts, mailand und amsterdam
durch die dunkelheit
zwischen den bengalischen fenstern des kali- und salzkonzerns
und dem gekränkten denkmal für die neue eisenbahn
(wie wesen aus einer fremden welt erschienen die weißen züge
zwischen den streuobstwiesen und blaubedoldeten bauerngärten
im summen der letzten netzlosen sommer)

Link | 14. März 2021, 0 Uhr 39