Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Ich mag ja auch die Bücher von wirklich fies intelligenten Menschen. Solche, die einen Wirbel erzeugen, in dem sich die Vernunft auflöst in wilde Streifen aus Bildung, Gelehrsamkeit, Phantasie und Quatsch. Man wird durchgeschüttelt und für eine Weile von starken Armen ins Nichts rausgehalten, und wenn man dann wieder reingeholt wird, sieht man klarer, was für albernen Selbstzweck man an Universitäten im Grunde macht; dann macht’s allerdings gleich doppelt so viel Spaß.

Eine meiner Lieblingsstellen in Ecos Pendel ist die, in der es Casaubons Freundin Lia zu bunt wird und sie ihm ein paar Wahrheiten vor den Latz knallt über Körper und Intellekt, so daß er nur noch mehrfach „Ja, Mama“ sagen kann. Die Stelle ist deswegen so schön, weil sie eine vehement vorgetragene Erdung ist, ziemlich genau in der Mitte zwischen 800 Seiten wunderbar ausgeflippten akademischen Spielzeugs. Sie sagt augenzwinkernd das, was mir auch ein kluger Prüfer nach einer halben Stunde mit Gottesbeweisen einmal sagte: Das ist gut, daß wir hier offenbar alle wissen, welches Spiel wir spielen.

Die wirklich fies intelligenten Autoren verstecken hinter ihren überkandidelten Eskapaden ja richtige Geschichten, also solche über gute und schlechte Menschen. Dazu aber kommt dann diese intellektuelle Überdrehtheit, eine schwer zu fassende Qualität ist das, irgend etwas, das mit Kontingenz zu tun hat oder mit dem Absurden. Es läuft vermutlich auf das große „I’m still standing“ des Menschen hinaus. Wir sind ja gewohnt, der Vernunft zu vertrauen, wir haben sie auch ziemlich verzweifelt nötig ab einem gewissen Bildungsgrad. Wenn dann jemand überzeugend vorführt, wie nutzlos sie als Erkenntnisinstrument ist und wie machtlos gegenüber dem Leben, dagegen aber die Geschichte von ein paar Menschen stellt, die die Antwort auf große nihilistische Gesten kennen und geben, fühlt sich das immer sehr nach Erlösung an, nach einer Art Katharsis, die eine ehrliche Sentimentalität gegen die sehr hurenhafte Vernunft in ihr Recht setzt.

Link | 26. Juli 2004, 19 Uhr 56 | Kommentare (1)


Ein Kommentar


Und an Tag eins nach Beginn der Ausleihfrist schrieb Spalanzani einen Eintrag zum Medium: verliehen. Gemein ist das.

Kommentar by Sennedjmet | 21:51