Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Erlauben Sie mir, hierzu einen Vorschlag zu machen: Weblogs sterben bekanntlich nicht. Man kann sie nicht schließen. Selbst wenn sie gerade schweigen, leben sie weiter als verlassener Text, als tote URLs, nicht gelöschte Links, als sitzende Enten oder Gerüchte. Man kann auch kein neues Weblog machen, man dekoriert höchstens um.

Es handelt sich bei Weblogs nicht um Webseiten und nicht um Medien, sondern um Spuren (ecce homo). Sie werden nur vager, wenn nicht gepostet wird, aber auf was sie verweisen bleibt, auch in Abwesenheit.

Deswegen interessieren uns Dienste als Dienste, Weblogs aber darüber hinaus. Das bedeutet nicht, daß es keine Mischformen geben könnte, im Gegenteil. Wir werden uns nur eher die Namen der Menschen merken als die der Dienste, und es wird das Raunen häufiger geben, das durchs Netz geht, wenn jemand wiederkommt (Rainald Goetz!).

[Schönheit der Selbstorganisation]

Link | 6. März 2007, 22 Uhr 38 | Kommentare (6)


6 Comments


sind weblogs meistens nicht nur intellektuelle selbstbespiegelungen in der chronologie des eigenen mikrokosmos; letztendlich nur eine weitere subtile hascherei nach aufmerksamkeit in der gesellschaft des spektakels?

vielleicht sollte man aber bei der lektüre des ein oder anderen medialen tagebuchs einfach nur eine großzügigere sicht der dinge an den tag legen …

Kommentar by kunstbetrieb | 23:46




Was Sie meinen könnten: das Weblog nicht als Text, sondern als Handschrift. (Mit dem ganzen Charme, aber auch der Problematik: einerseits ist es schön, hinter der Handschrift den mit Hand Schreibenden lesen zu meinen, andererseits auch ein Wink mit dem Zaunpfahl: Deiner Handschrift entkommst Du nicht, und Du wirst auch wieder bloggen.)

Handschrift als hinterlassenes, weiterlinkendes Zeichen.

Nebenbei würde das, was Sie schreiben, vielleicht auch erklären, warum ein Blogger meistens nur unter dem einen Weblog gelesen wird, weniger in den Ablegern davon, die er sich dann ausdenkt. Radikale Domain-Wechsel einmal abgesehen.

Insgesamt frage ich mich aber, inwieweit ich nicht manchmal auch einem sehr esoterischen Begriff des Weblogs hinterher laufe, vieles, auf das man so stößt, definiert sich ja auch wieder ganz anders (als „der Blog“ z.B.)

Kommentar by goncourt | 0:14




„lesen zu meinen“ — wäre ich nicht Atheist, würde ich jetzt ein bestürztes OMG rufen.

Kommentar by goncourt | 0:16




@goncourt: Handschrift trifft es. Ich stimme auch zu, was die Esoterik betrifft. Das ist eine spezielle und kleine Schule, die diesen persönlichen Aspekt betont und besonders stark wahrnimmt, der sofa cluster vielleicht. Es passieren ganz andere Sachen an anderem Ort, viel hat inzwischen mit Macht zu tun, glaube ich. Insbesondere gibt es diejenigen, die Weblogs als Medium mißdeuten und deswegen reflexartig nach einer Message suchen. Und dann natürlich die Kleinen mit ihren männlichen Blogs und ihrer IM-Sprache: Ja. Obwohl wir denen vielleicht näher sind, als wir denken.

@kunstbetrieb: Das ist die Gegengeschichte-mit-Pejorativen, die Sie da erzählen, natürlich. Ironieresistent wie ich bin, antworte ich normalerweise so: Selbstbespiegelungen sind ja zunächst mal gar nicht problematisch. Niemand kann etwas gegen das Tagebuchschreiben haben (also das Selbstbespieglerische am Weblog).

Und auch die subtile Hascherei nach Aufmerksamkeit (die Öffentlichkeits-Komponente) ist nicht schlecht, insofern sie subtil ist: Manchen Leuten will ich meine Aufmerksamkeit ja geben, unbedingt!; es ist doch nicht so, daß in einer idealen Welt alle stillsäßen und sich nicht rührten, damit niemand sich bemerke. So sehr man dem Spektakel abhold ist, ist es doch nur eine entartete Form von etwas, was wir brauchen wie Wasser. Nicht? [Andererseits: Brecheisen-Subtilität, heißt es bei argh! heute, erwischt, da ist was dran.]

Mein Eindruck ist also der, daß an öffentlicher Selbstbespiegelung nichts falsch sein kann. Das Problem bei den persönlichen Sachen, die man nicht mag, ist nicht, daß es um eine Person geht, sondern die Person, um die es geht. Manche Leute nerven und manche sind, auch als Subjekt-Objekt einer Selbstbespiegelung, einfach nicht interessant.

Auf der anderen Seite sind fremde Mikrokosmen ja präzise der Raum, in dem man großartigen Dingen begegnet, die man, mit sich alleine, verpasst hätte, weil man die Empathie der fremden Wahrnehmung nicht zur Verfügung hätte.

So verteidige ich mich jedenfalls für gewöhnlich.

Kommentar by spalanzani | 0:56




es ist doch nicht so, daß in einer idealen Welt alle stillsäßen und sich nicht rührten, damit niemand sich bemerke
stick ich mir in Gold auf mein Kopfkissen.

Kommentar by andreaffm | 14:09




@goncourt. Es ist interessant, dass man Weblogs nicht als Text, sondern als Hanschrift hinterlaesst. Was ist, wenn man eine total unlesbare Handschrift hat?

Kommentar by Karl Marx | 13:13