Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Fein. Ein weiteres Kapitel in der langen Geschichte „Von der moralisch bestimmenden Maßgeblichkeit der vermuteten Fontgrößen auf der Titelseite von BILD.“:

„Und wenn der deutsche Innenminister Schäuble erklärt, er würde auch Geheimdienstinformationen verwenden, die möglicherweise unter Folter zustandegekommen sind, erntet er einen Sturm der Entrüstung. Wie groß aber wäre die Entrüstung, wenn nach einem blutigen Anschlag in Frankfurt oder Dresden herauskäme, dass der deutsche Innenminister darauf verzichtet hat, entsprechende Information zu verwenden?“ (Quelle: Zeit-Kosmoblog)

Strukturell jedesmal bestechend, dieses Argument. Herrgott:
Man denke sich erst die Entrüstung nach einem blutigen Anschlag, der von einem menschenfressender Kinderschänder begangen würde, und er wir hätten ihn vorher nicht gefoltert!

(Oder mal angenommen, jemand, irgendjemand halt, hätte ihn doch gefoltert, also jemand, mit dem wir nichts zu tun hätten, und da hätte er gesagt, daß er… und der Innenminister hätte nicht…) Undenkbar! Man muß foltern! Alles andere wäre unehrlich!

[Wieder. Pro-Folter-Stimmungsmache. Frage an die Älteren: Hatten wir das, als es dereinst wirklich gefährlich war? Gab es je diese Stimmung, als es um sowjetische Agenten ging? In der Zeit? Vom Innenminister? — gegen die RAF, natürlich. Es ist immer dieselbe Soße. Folter bleibt Bestrafungsphantasma im Zweckmantel.]

Link | 15. Januar 2006, 14 Uhr 10 | Kommentare (2)


[I said I like it here can I stay?]

Unklar, warum mich diese Herbergen verfolgen, zur Zeit. Die Jugendherberge in Hannover ist sehr schön. Neubau mit dem Charme eines McDonalds-Restaurants, aber mit Blick auf ein grünes Tal, durch das die Güterzüge metallen brausen. Lange, schmale Stahlbetonbrücken führen auf die andere Seite der in der schweren Luft unter Regenwolken liegenden, quellenden Vegetation. Es riecht nach Regen. Wenn man die Fenster öffnet, donnern die Züge mächtiger und der Geruch nach Sauberkeit bekommt eine Waldmeisternote.

[Wie seltsam es war, glücklich zu sein. Hannover, Over and done, der Park, das Licht und die Menschen am Ufer. Hildesheim, der Museumsladen und die endlos gestreckte Zeit. Die halbgeschlossenen Jalousien und gescheckten Kacheln, die lachenden Krapfen-Aufkleber der Bäcker. Schläfriger Nachmittag in einer regungslosen Stadt. Sommerstarre, woraus ich leise vorlas, später, im Zug.]

[Und daß man nicht weiß, wie man’s macht, wie das alles geht, woran so etwas hängt. Und daß es immer wieder dasselbe ist: Daß hier, bei den tollen Menschen und mir™, immer jemand nicht damit umgehen kann, für eine Weile der Stärkere zu sein. Weil wir es nicht gewohnt sind, Underdogs, für die wir uns immer noch halten und die wir längst nicht mehr sind; und immer wieder geht alles zuschanden an unserer Unfähigkeit, unsere immer unerwartete Stärke zu bemerken, und uns entsprechend zu verhalten, das vor allem.]

Link | 15. Januar 2006, 3 Uhr 19


Das sagt sich leicht, mit der Schuld als bloß menschlicher Tatsache. Solche Sprüche holen ein. Und es fühlt sich eben miserabel an, Mist gebaut zu haben. Da kann es noch so richtig sein, daß das alles nötig war und schön und wichtig: Was man hätte sehen und wissen müssen und was man nicht hat wahrhaben wollen, man büßt das alles scheußlich hinterher.

Was auch wieder aufhören muß: Die liberalen Sprüche, die sich heimlich installiert haben, diese häßlichen kleinen Zwillinge der Selbstermahnung; diese kernigen Gewissenströster der Arschlöcher aller Provenienzen.

Link | 14. Januar 2006, 3 Uhr 10


Schon wieder fantastisch.

Link | 13. Januar 2006, 14 Uhr 38


Toll an den MacBooks ist natürlich nicht, daß es jetzt Intel ist oder halt schneller. Prozessoren sind was für Fünfzehnjährige und BMW-Fahrer. Nein, toll ist, daß die Stromversorgung den Rechner losläßt, wenn man dran zieht. Nach Jahrzehnten, in denen die Stromstecker immer zupackender wurden und Festplatten schon anfingen, Anti-Fall-Intelligenz zu bekommen, ist einer drauf gekommen, daß es langt, wenn der Stecker an Ort und Stelle bleibt, solange das Notebook friedlich herumsteht.

Wenn jetzt noch jemand Ethernet-Stecker baute, bei denen die Plastikzungen nicht abfetzen, wenn man die Dinger aus dem Salat zieht, ach. Oder DVI-Stecker, die ungefähr so groß wären wie die Interfaces, über die Apple die Videodaten ja wohl rauskriegt, aus den Notebooks, daß man nicht dauernd ein Rudel Adapter vergessen müsste.

[Manchmal habe ich Sehnsucht nach meiner Zeit mit der c’t. Und Helmut Kohl.]

Link | 13. Januar 2006, 2 Uhr 00 | Kommentare (1)


Es war diese zwei Millimeter dicke Schicht aus geschmuggeltem Bier und Fett auf dem Eichentisch, vor der man sich nur in urigen Jugenherbergen nicht graulen kann. All die zittrigen, übers Holz geholperten Herzen und die gekerbten Kanten beruhigen in dieser Hinsicht offenbar, unfehlbare Zeugen verschwitzter Nachmittage in Jogginghosen, der uferlosen und aggressiven Langeweile von Sechzehnjährigen, denen Zeit miteinander verordnet wurde.
Der Tisch, umgeben von einer Eckbank und sehr schweren dunklen Stühlen, quetschte fast die Luft aus dem Gemeinschaftsraum, es war ein Irgendwas-Stübchen, vielleicht auch eine -Klause, jedenfalls gab es nur ein zerdrücktes kleines Fenster in den stark eingedunkelten Nut-und-Feder-Wänden, und dazwischen den Tisch mit einer Blechlampe darüber. Es roch nach Langeweile und nichts sonst. Und es wurde ständig dunkler.
Der Nachmittag: komplett bedeutungslos. Allerdings spielte ich zum ersten und einzigen Mal in meinem Leben Tabu. Mein Erfolg dabei war rausch- aber rätselhaft, ich konnte nichts damit anfangen, mich verunsicherte das. (Der Erfolg bei Tabu wird in Lumen gemessen.) Ich hätte mich damit beschäftigen sollen, es wäre wichtig gewesen; statt dessen ging ich lesen, ich erinnere mich an die kalte, nasse Luft, das angekippte Fenster, die Schreierei nebenan, den chemischen Geruch der Laken. Vermutlich Max Frisch, mein Name war nicht Gantenbein damals. (Und es hat sich nichts geändert, fürchte ich.)

Was es auch noch gab, vier Jahre später: Das Aufwachen von dem Geräusch, das drei Liter dünnflüssige Raviolikotze machen, wenn sie auf den Linoleumfußboden vor dem Etagenbett platschen. Die schläfrigen Flüche unten, meine indignierten Flüche oben, das trübe Licht, in dem dann saubergemacht wurde, das glibschige Lappenschlabbern im Halbschlaf. Freundschaftsdienste, die ich nicht mit ansah, das alles ging mich nichts an.

Oder, ein Jahr früher: Der merkwürdige Raum am Ende eines Ganges, für dessen Länge die Größe der Hütte von außen überhaupt keine Erklärung wußte. Mein ewig halbvolles Glas, Orangensaft mit Curacao, fürchterliches Zeug und feige dazu, aber giftgrün und eine Attraktion. Es stellte sich heraus, daß unser Primus nicht nur Freundeskreis kannte, sondern auch mit Kopfstimme singen konnte. Man war allgemein begeistert. Das war cool. Daß später von irgendwoher Fighting the green rumpelte, war auch überraschend. Als ich’s verfolgte, saß da unser einziger Punk, ohnehin eine coole Sau und schlau, zwischen 24 zerwühlten stinkenden Betten und zugehörigen den Rucksäcken, mit glasigem Blick.

iTunes sagt: Fighting the green. Zuletzt gespielt 18.9.2005, 20:55.

Link | 12. Januar 2006, 23 Uhr 16 | Kommentare (1)



All full of glory
All full of glory

Link | 11. Januar 2006, 22 Uhr 06


Die Hitze im Hof, der Geruch nach jungem Zement, in der Mittagspause Schaschlik mit Fritten auf der Brücke über die Iller. Am anderen Ufer wucherndes Grün und schattige Pfade. Das Wehr flußauf macht den Lärm im Serverraum nach.

Ein vergangener Sommer: Die ruhig hingleitenden Blitzfahrten im BMW des Kollegen zwischen Kempten und Ulm, gleißendes Sonnenlicht auf den Allgäuer Wiesen, Tornados in Formation, Cirrus, eine im Fahrgeräusch nur aus Spitzen bestehende Radiostimme, die einmal mehr Summer moved on ankündigt. Und alles im suspend.

Link | 11. Januar 2006, 19 Uhr 18 | Kommentare (1)


Scheiße.

[So also fühlt es sich wohl an: Letzte nacht im Suff einen erschlagen zu haben.]

Link | 11. Januar 2006, 15 Uhr 22


Jetzt hilft nur noch Kunst, oh jah!

Link | 11. Januar 2006, 2 Uhr 48


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