Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Drei versprach interessant zu werden: Sophie Rois, Grund genug, sich jeden Film anzusehen, und Sebastian Schipper, der ja ein Kluger und Guter und Behutsamer ist, wenn er selbst schreibt: fabelhaft & Vorfreude. Allerdings führte der Tykwer Regie, und da stellte sich jetzt also die Frage, ob er die beiden wohl klein kriegen würde.

Erfreulicherweise ist es, glaube ich, höchstens unentschieden ausgegangen. Also erstens kriegt niemand Sophie Rois klein. Die kann ja den größten Blödsinn spielen und man wird immer noch gescheiter davon. Zweitens ist Pollesch in diesem Film, und alles mit Pollesch kriegt hundert Punkte. Drittens ein bisschen Sasha Waltz — ganz genau, so läuft der Hase. Man kann über den Tykwer viel sagen, aber daß er nicht weiß, wer hier die coolen Säue am Theater sind, das kann man ihm nicht unterstellen. Meistens sind es Leute, mit denen Sophie Rois gerüchteweise recht gut auskommt. Also: Behold! Schipper und Rois kriegen in Drei mit allerhand Verstärkung fast den Tykwer in‘ Griff.

Der Film ist das, was ich seit zehn Jahren Verlobefilm nenne: Ein Verlogener Berlin-Film. So ein Film, der in Berlin, manchmal Köln oder Hamburg spielt, meistens mit der Liebe zu tun hat, und in dem intelligente Menschen mit unwahrscheinlichen, aber sehr interessanten Berufen, in denen sie niemals richtig zu arbeiten scheinen, in riesigen und sagenhaft ausgestatteten Wohnungen fantastisch anzuschauende Leben haben, in denen dann so Probleme auftauchen, die aber nie richtig ernst sind, es ist alles eine Leichtigkeit vom Fluff. Am Schluß kriegen sie sich, aber Schnulzen sind diese Filme nicht. Verlobefilme. Kein Werturteil, gibts in hochsympathisch und als schlimmen Schrott. Erzeugen aber diesen urbanen Schlaf, in dem die Prenzlauerberger und Schanzenviertler wandeln: So wären sie wirklich, wenn sie nur nicht dauernd arbeiten müssten, niemals auf IKEA hereinfielen und Chemotherapien außer modischen Glatzen keine Auswirkungen hätten.

Drei ist etwas wie ein jäher Ausbruch der Verlobefilmhaftigkeit nach jahrelangem Stau, eine Potenzierung des Prinzips. Der ultimative Verlobefilm. Er spielt in Berlin. Tykwer macht ihn. Sophie Rois spielt mit. Sebastian Schipper spielt mit. Sie macht eine Fernsehsendung, in der der Pollesch auftritt. Er hat eine Firma, die für Künstler Kunst baut. Der Dritte „hat“ eine Biotech-Firma beträchtlicher Größe und Bedeutung. Die Wohnungen sind enorm und, sogar wenn sie karg sein sollen, schön. Die Menschen spielen Fußball miteinander und halten, natürlich, zu Union. Niemand arbeitet und langweilt sich. Niemand hat hässliche Gefühle. Kein einziges. Die allgemeine Liberalität strahlt wie tausend Sonnen. Gunther von Hagens macht interessante Ausstellungen, die ein bisschen grotesk sind, aber hey. Man fährt S-Bahn und ICE, man geht ins BE und in den Gropiusbau und in den Mauerpark und ins Badeschiff, die Stadt ist abgebildet, in dreissig Jahren werden wir sagen können: So sah das wirklich aus, dies Berlin, in das alle wollten.

Und dann kommst du aus dem Kino und im neuen Investorenscheiß am Hackeschen Markt hat grade ein Kamps eröffnet. Danke Berlin.

Aber es spielt keine Rolle. Wer hier mault, beschwert sich auch über die tollen Kleider in der Welt von In the Mood for Love. Also Klappe, prima Film. Man kriegt dasselbe Zeug in so viel schäbiger von Schweiger serviert (weil man sich die ganze Zeit sein Ding ansehen muß dabei) und sehr viel beckmesserischer von Dresen (bei dem sinds Warzen, wegen Kleine Leute). Dann doch lieber Tykwer.

Drei: Guckt mal, wie toll wir sind in diesem Berlin!
Ja, gern!

Link | 2. Januar 2011, 2 Uhr 57