Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Es war diese zwei Millimeter dicke Schicht aus geschmuggeltem Bier und Fett auf dem Eichentisch, vor der man sich nur in urigen Jugenherbergen nicht graulen kann. All die zittrigen, übers Holz geholperten Herzen und die gekerbten Kanten beruhigen in dieser Hinsicht offenbar, unfehlbare Zeugen verschwitzter Nachmittage in Jogginghosen, der uferlosen und aggressiven Langeweile von Sechzehnjährigen, denen Zeit miteinander verordnet wurde.
Der Tisch, umgeben von einer Eckbank und sehr schweren dunklen Stühlen, quetschte fast die Luft aus dem Gemeinschaftsraum, es war ein Irgendwas-Stübchen, vielleicht auch eine -Klause, jedenfalls gab es nur ein zerdrücktes kleines Fenster in den stark eingedunkelten Nut-und-Feder-Wänden, und dazwischen den Tisch mit einer Blechlampe darüber. Es roch nach Langeweile und nichts sonst. Und es wurde ständig dunkler.
Der Nachmittag: komplett bedeutungslos. Allerdings spielte ich zum ersten und einzigen Mal in meinem Leben Tabu. Mein Erfolg dabei war rausch- aber rätselhaft, ich konnte nichts damit anfangen, mich verunsicherte das. (Der Erfolg bei Tabu wird in Lumen gemessen.) Ich hätte mich damit beschäftigen sollen, es wäre wichtig gewesen; statt dessen ging ich lesen, ich erinnere mich an die kalte, nasse Luft, das angekippte Fenster, die Schreierei nebenan, den chemischen Geruch der Laken. Vermutlich Max Frisch, mein Name war nicht Gantenbein damals. (Und es hat sich nichts geändert, fürchte ich.)

Was es auch noch gab, vier Jahre später: Das Aufwachen von dem Geräusch, das drei Liter dünnflüssige Raviolikotze machen, wenn sie auf den Linoleumfußboden vor dem Etagenbett platschen. Die schläfrigen Flüche unten, meine indignierten Flüche oben, das trübe Licht, in dem dann saubergemacht wurde, das glibschige Lappenschlabbern im Halbschlaf. Freundschaftsdienste, die ich nicht mit ansah, das alles ging mich nichts an.

Oder, ein Jahr früher: Der merkwürdige Raum am Ende eines Ganges, für dessen Länge die Größe der Hütte von außen überhaupt keine Erklärung wußte. Mein ewig halbvolles Glas, Orangensaft mit Curacao, fürchterliches Zeug und feige dazu, aber giftgrün und eine Attraktion. Es stellte sich heraus, daß unser Primus nicht nur Freundeskreis kannte, sondern auch mit Kopfstimme singen konnte. Man war allgemein begeistert. Das war cool. Daß später von irgendwoher Fighting the green rumpelte, war auch überraschend. Als ich’s verfolgte, saß da unser einziger Punk, ohnehin eine coole Sau und schlau, zwischen 24 zerwühlten stinkenden Betten und zugehörigen den Rucksäcken, mit glasigem Blick.

iTunes sagt: Fighting the green. Zuletzt gespielt 18.9.2005, 20:55.

Link | 12. Januar 2006, 23 Uhr 16 | Kommentare (1)


Ein Kommentar


Wenn man die Zeit so genießt – auch später weiter macht – dann möchte ich meinen, die Langeweile muß doch eine Tugend sein, der zu folgend und die zu pflegen erlernt sein will.

Kommentar by alsiesta | 0:12