Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Wenn ich, durchschnittlich etwa einmal im Jahr, das Department Store im Quartier 206 um ein paar Kleinigkeiten aufsuche, befällt mich ein jähes Verlangen nach sozialem Aufstieg. Ich schäme mich dafür, weiß ich doch, daß ich lieber ein stolzer Proletarier sein sollte, meine Brille mit Tesafilm flicken und den porschefahrenden Jurastudenten ein „Denken hilft!“ in Fraktur auf die gewachste Haube kloppen, nur, es hilft nichts: Ich gäbe gerne Unsummen für Unsinn aus. Und weil ich natürlich weiß, daß Konsum an sich gar nicht glücklich macht, würde er mich absolut und vollkommen wahnsinnig glücklich machen, kein Zweifel. Ich werde, sozial einmal aufgestiegen, diverse Wohnungen mit Ausblick halten und mein Leben, das viel bedeutungsloser als jetzt ja wohl auch nicht mehr sein könnte, genußvoll und kniedubbend damit verbringen, mich in höhlenartigen Loungemusikmöbelläden auszustatten.

Einstweilen trage ich den schwarzen H&M-Filzmantel, die Uniform derer, die zu verdorben für den restlichen billigen Mist sind und zu arm für was ordentliches. Und wann immer sich die Gelegenheit bietet, verwirre ich die Leute damit, meinen Vorteil zu ignorieren. Zum Beispiel kann man das Weltbild von studentischen Burger-King-Verkäufern sichtlich erschüttern, indem man mit einem 7-Euro-Gutschein hingeht, sich für 3 Euro zwei Burger geben lässt und mit der Antwort „Mehr Hunger hab‘ ich nicht“ auf volle 4 theoretische Euro verzichtet. Er hat fast gebettelt, mir wenigstens noch ein Getränk geben zu dürfen und seine Gewissheiten zu retten. Ich kann da sehr gnadenlos sein.

[Wo wir grade von sozialem Aufstieg sprechen: Fast Food geht schon kaum mehr. Nicht wegen kulinarischer Etepetetereien, ein Gang zu Burger King ist eine astreine Sauerei, zu der man sich bekennen soll, schuldig und fertig, nein: Die Leute, die Musik und die Optik, und schon kämpft die schnelle kleine Glutamatlust mit einem handfesten Fluchtreflex.]

Link | 17. Januar 2006, 4 Uhr 25 | Kommentare (1)


Ein Kommentar


Wegen des neuen Kommentarhinweises traue ich mich kaum, zu kommentieren. Dennoch: Glutamatlust ist göttlich. Lässt sich aber auch mit einem Tropfen Maggi oder einer Fingerspitze gekörnter Brühe stillen. (Die gibt’s aber nicht in der Stadt, ich weiß.)

Kommentar by froschfilm | 18:44