Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Brummstrull

Link | 12. Januar 2010, 22 Uhr 58


I – Your shipment of fail

Man erkennt die Umrisse der Flugzeuge nicht
deren Schatten über die Hügel huschen
wo man, Fenchel köpfend, vorwärtsstürmt:
nur ein Flackern von Dunkelheit.

Ein alter Mann erzählt einem alten Mann
eine sentimentale Geschichte:
Die Feder der letzten Spieluhr bricht
Und die Leute so: #fail #epic #fail

Wie beiläufig reißen die Vögel Batzen
roten Fleisches aus unseren Leibern:
So bemerken wir den Zerfall
in den Gesichtern unsrer Idole.

Er arbeitet im subkutanen Dröhnen des Nachmittags,
der vom schwarzen Pilzgeflecht über der Kante träumt,
hinter den schweigsam schwankenden Backsteinschloten.

Und meine Unruhe ist der Tatendurst des Nachtwächters,
und ein Sandsturm, der den Quai von Siracusa bezischt.

II – Märkisches Treiben

Oh, Tage in Berlin, mit einem blauen Auge und dünnen Schals
Tage in Berlin, mit der Oktobersonne in den Kranweben
Büchersonntage mit den Auslagen der Antiquare
Tage in Berlin in fiebrigen Bibliotheken
Tage der Dunkelheit und Neon über nüchternen Portalen
Tage nassen Backsteins, Rattengeruch und kühler Zugriff von Zement
Tage verlassener Kirchen mit Metal-Kellern
Tage der Sprühnebel und Kla-klacks nach Vinetastraße
Kartoffeltage, Colatage, Leertage, Tage des imperialen Marschs
in Unterhosen
Tage nervös rauchender Polen auf würzigen Sofas
Tage in Berlin mit Oboenton über dem Gezischel nasser Fahrbahn
Kalte Tage in Erwartung,
Brüllender Verkehr und Luft kälter als die Sonne auf der Haut
Tage der Kastanien.

Und ach, Auswärtsnächte in den Bunkern der Wissenschaft
Nächte der Mäuseschneider und Kebapfürsten
Nächte fremder Zahnpasta und haariger Linole-en
Bars in Städten, in denen nichts ist und nichts wird,
nur die Aussenbezirke stolze Namen tragen,
stolze Namen von Einst-Orten, Heu und ein Schmied oder ein Brunnen
Die trostlosen Friseure, ihre Markisen und Schaufenster mit blauen Perücken
Nächte der Bushaltestellen und klammen Koffer
Trockeneisnächte sehnsuchtskranker Punks,
Schniefnächte im Senfgeruch,
Nächte in Küchen nur so
und ach
die Brahms- und Zimt- und Ingwernacht der unerreichbaren Mühle.

III – Tropfen / Blech

Denkbar ist darum ein Abend,
wenn man nach Norden blickt, die kalte Linie des Horizonts,
wenn man nach Osten blickt, kalte Linie des Horizonts, Zacken, Wipfel,
wenn man nach Süden blickt (gebückt wegen des Bogens) die kalte Linie,
wenn man nach Westen blickt, der Horizont, und Kupfer.
In die Kühle des Abends kommt zwischen die Steine Wind,
der mein stumpfes Hemd an der Haut wärmt
und nach Nacht riecht,
Gras und Nacht, Zeit zu warten.

Link | 12. Januar 2010, 22 Uhr 46 | Kommentare (9)


désinvolture

Link | 12. Januar 2010, 22 Uhr 18 | Kommentare (2)


Wenn Sie könnten: Würden Sie nicht einen Garten anlegen lassen, weit, dunkel und hell, Rosen und Zedern und Wasserläufe, Brücken und Moos und hohle Gassen, Hügel, freistehende Ulmen und wirr ächzende Gehölze, und würden Sie sich nicht schwarze Tempel wünschen, in denen man allein sein könnte mit dem Tosen des Wasserfalls? Und würde nicht die Sonne in Ihren nachtkühlen Gärten aufgehen mit einem Fanfarenstoß? Da sehen Sie. Es ist alles gar nicht so rätselhaft.

Link | 9. Januar 2010, 20 Uhr 19 | Kommentare (3)


Daß aber das Schönste und das Traurigste, ja daß diese zwei ineinander verbissen waren wie kämpfende Krokodile, verriet der Künstlerin furchtbar Eindeutiges über die Lage des Menschengeschlechts und ließ sie nur noch entschlossener dem tatsächlichen Zustand einen künstlichen entgegenstemmen, mit dem ganzen bisschen Menschenkraft, das sie hatte (Dath ganz bei sich und der Liebe zu seiner Figur Cordula Späth, Abschaffung der Arten)

[Später mehr, ich muß lesen, lesen und Klaviermusik hören in stillen Räumen in der gedämpften Stadt und jede Minute nutzen. Dath, Modell für Laura, Soap & Skin (darin das Echo meiner eisigen Max-Richter-Nächte, und im Marche funèbre eins von Tony Wakefords Autumn Calls), vielleicht blättere ich auch im dritten Band der Probleme, den mir eine unvorsichtige Antiquarin viel zu billig verkauft hat, wohl weil ein toter Vorbesitzer ihn mit den beiden ersten Bänden hat zusammenbinden lassen. Ich finde darin: Eine Quittung von 1952, 7 Mark, Stadthauptkasse München, Gewerbesteuer, und einen Beipackzettel Dextraubinol: ein ungoogelbar vergessenes Produkt der Firma Fritz Götte & Cie, Köln, die bis 2001 existiert zu haben scheint; letzte Boten aus der Zeit vor der digitalen Totalen, als man vergessen werden konnte, für immer verdorben jetzt durch meine Fußstapfen.]

Link | 9. Januar 2010, 19 Uhr 17


Daß zum Beispiel das Wirtschaftsleben in Berlin im Winter fast vollständig zum Erliegen kommt, hat seinen Grund in der Bauart der Berliner Häuser. In Berlin sind nämlich niemals die Flure beheizt. Wenn ein Münchner oder Kölner im Winter unternehmungslustig ist, so spaziert er in den Flur, streift Schuhe und Schals und Verpackungen über; alles ist warm und weich, nur der Wille ist stählern, und so tritt der Münchner oder Kölner dann gerüstet hinaus in die Eiseskälte, berstend vor Kraft und zum Trotze bereit. Der Berliner dagegen beginnt bereits beim Verlassen seiner Stube zu bibbern, und bis er die ungeheizte, in seinem Falle zunächst nur so-genannte warme Kleidung übergezogen hat, ist er zittrig, kleinlaut und zwanghaft, und nicht selten kehrt er schon an der Türschwelle wieder um, returniert in sein Federbett und wünscht überhaupt die Welt zum Teufel. (Stanislaus Zbginiczek, Unter Deutschen II: Winter)

Link | 3. Januar 2010, 17 Uhr 16


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